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Alltag der Gewalt in Nablus

11. Dezember 2004

Erschießung von zwei Jugendlichen in Nablus

Ich sende Euch den Augenzeugenbericht unseres Nachbarn Mahdi, 22 Jahre alt. Er hat unmittelbar den Tod von Muntassir Hadadi, 16 und Amir Banat, 15 mitbekommen.

„Am Abend des 20.11. sah ich um 18.45 in den aktuellen Fernsehnachrichten, dass Jeeps in die Altstadt gekommen waren. Sie waren in der Market Street, also nur einen Steinwurf von unserem Haus hier entfernt. Mein Freund und ich gingen runter auf die Strasse, von wo wir andere Jungs pfeifen und rufen hörten. Wir waren dann im Endeffekt alle zusammen eine Handvoll und sahen zwei Jeeps in ca. 75 m Entfernung stehen, einen grossen Asisa, einen normal grossen Jeep. Wir riefen einige Frechheiten auf Hebräisch in ihre Richtung, keiner von uns warf Steine, keiner hatte auch nur den kleinsten Gegenstand in der Hand. Wir sahen den grossen Jeep ca. 2 Meter zurücksetzen, der kleinere verringerte ein wenig die Intensität seiner Scheinwerfer. Wir machten Witze und Sprüche. Dann sahen wir einen der Soldaten sein Fenster öffnen und sahen, wir er sein Gewehr auf uns richtete. Er schoss auf uns, gleich darauf checkten wir alle unsere Körper und lachten zuerst. Dann wollten wir uns in eine der Seitengassen, die auf die Strasse münden, zurückziehen, da der Jeep auf uns zugefahren kam. Da sahen wir, als wir uns umdrehten, Muntassir auf dem Boden liegen, Blut kam aus seinem Mund. Er war, nachdem er angeschossen worden war, noch einige Meter gegangen, wenn man das so nennen kann. Meine Freunde riefen nach einem Krankenwagen, hoben ihn auf und trugen ihn schreiend davon in Richtung der oben liegenden Strasse. Nur ich blieb zurück. Da sah ich ca. 3 Meter entfernt in der Dunkelheit Amir auf der Erde liegen. Ich dachte, er würde irgendwie simulieren. Ich lief zu ihm und hob ihn hoch. Da sah ich das Blut aus der Wunde aus seinem Hals schiessen. Ich lief mit ihm davon, den anderen hinterher. Noch während ich die Gasse hochlief, hörte und dann sah ich hinter mir den Jeep auftauchen. Er stoppte ca. 30 Meter hinter mir, 2 Soldaten stiegen aus und guckten, stiegen wieder ein und fuhren davon. Als ich die Stufen am Ende der Gasse hochlief, starb Amir in meinen Armen. Ein Wagen hielt neben mir, es war das Auto, in dem schon Muntassir lag. Er lebte noch, starb aber kurz darauf im Krankenhaus. Ich hob Amir hinein. Die beiden waren von einer einzigen Kugel erschossen worden. Der Soldat hatte nur einmal gefeuert.“

Amir war der einzige Sohn seiner Mutter, sein Vater starb ein Jahr nach seiner Geburt. Seine Mutter passte auf ihn auf und sorgte sich um ihn, was immer er auch tat. Mit ihm haben Sameh und ich am Nachmittag noch auf der Strasse gesprochen.

Muntassir hatte sich noch am Nachmittag mit Sameh unterhalten und ihm erzählt, dass er nächstes Jahr die Schule beenden und dann an der Uni studieren wolle.

Ich versuche derzeit relativ krampfhaft den Artikel zu finden, den die israelische Zeitung Haaretz am nächsten Tag über die Geschehnisse veröffentlicht hat. Es ist darin die Rede von einem bewaffneten Palästinenser, den die Israelis in der Altstadt von Nablus erschossen haben, einen zweiten Kämpfer kurz danach.

 

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