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Die Apartheid-Mauer in Palestina und der Widerstand dagegen

11. Dezember 2004

von Franz Bortenschlager

Im Juni 2002 begann die Regierung Baraks mit dem Bau einer „Grenzmauer“ in den von Israel bestezten Gebiet. Als Rechtfertigung werden Sicherheitsgründe genannt. Selbstmordattentäter sollen keine Chance haben, nach Israel zu kommen. Die Fakten des Mauerbaus zeigen aber die wahre Intention: Höchstens 11% verlaufen identisch mit der „grünen Linie“, der Waffenstillstandslinie von 1967. Die Mauer wird ca. 687 km lang sein, und damit doppelt so lang wie die grüne Linie. Mindestens 14,5% des Westjordanlandes (ohne Ost-Jerusalem) wird de facto von Israel annektiert. Sie wird sich bis zu 16 km tief in palästinensisches Land hineinschlängeln. Genauere Angaben sind schwierig, da sich offizielle israelische Stellen mit Informationen zurückhalten. Sicher ist, dass dies die grösste Enteignungsaktion von PalestinenserInnen seit 1967 ist. Bei
der Wahl der Route wurde darauf geachtet, dass möglichst viele der illegal in Palestina errichteten Siedlungen auf der israelischen Seite liegen. Ungefähr 142.000 jüdische Siedler, das sind 63% der Siedlerpopulation, werden so nach Israel „transferriert“. Auf der anderen Seite werden über 160.000 Menschen in 12 Enklaven, die von allen Seiten von der Apartheidmauer umgeben sind, eingeschlossen sein. Ost-Jerusalem, das kulturelle und religiöse Zentrum Palästinas wird für alle arabischen
Menschen, die nicht in Jerusalems leben, unerreichbar werden. Stattdessen wird es dort einen israelischen Korridor, gesichert durch Mauer und Siedlungen, nach Jordanien geben. Die wahren Gründe für den Mauerbau dürften somit Land-und Wasserraub(Nordwestpalästina ist neben dem Jordantal die wasserreichste Gegend von Israel/Palästina), der Wunsch viele Siedlungen „israelisch“ zu machen und Jerusalem als rein israelische Hauptstadt zu haben, sein.

Sie dient nicht der Sicherheit, sie ist kein Beitrag zum Frieden. Im Gegenteil: durch die Mauer und die ca. 150 illegalen Siedlungen wird die Aufteilung Palästinas in „Bantustans“, voneinander getrennte Gebiete, in
denen PalästinenserInnen leben „dürfen“, vorangetrieben. Die Apartheid-Mauer ist neben den Checkpoints, den unzähligen Strassenblockaden, den Ausgangssperren, der Haft ohne Gerichtsverfahren… ein weiteres Mittel zur Unterdrückng der PalästinenserInnen, ein weiteres Mittel zur Vertiefung der Besatzung.

Die erste Phase, die im April 2003 abgeschlossen wurde, zeigt welches Ausmass die Zerstörung, die nur die PalestinenserInnen tragen müssen, die
Mauer mit sich bringt. 145 km im Norden – von Zubaba bei Jenin bis Masha
im Salfit – Bezirk, wurden fertiggestellt, das macht in etwa ein fünftel der Gesamtlänge aus. 122.000 dunum (4 dunum entsprichen 1 hektar) liegen nun zwischen der Mauer und grünen Linie. 30 km Wasserleitungen wurden zerstört, 102.320 Bäume gefällt und nur für den Weg der Mauer wurden 14.680 dunum konfisziert. Allein in Nazlet `Isa wurden 250 Geschäfte und 7 Häuser zerstört, 7 Häuser liegen jetzt auf der anderen Seite der Mauer. In Betlehem wurde ein 1500 Jahre altes Kloster beschädigt, in Ar-Ram musste eine Waisenschule schliessen, da 95% der LehrerInnen und SchülerInnen auf der anderen Seite der Mauer wohnen. In Beit Awwa wird die Mauer durch den örtlichen Friedhof verlaufen. Qalqilia, eine Stadt mit 40.000 Einwohner, ist von allen Seiten von der Mauer umgeben und wurde so in eine Gefängnisstadt verwandelt. Zugang haben die Bewohner nur durch eine Strasse im Osten, auf der israelische Soldaten einen Checkpoint errichtet haben.

Von den Verteidigern dieser Mauer ist oft zu hören, dass bloß ein kleiner Teil der Mauer wirklich eine Mauer ist. Die Mauer hat tatsächlich verschiedene Formen, undurchdringbar ist sie überall. In Qalqilia z.B. ist es eine 8m hohe konkrete Mauer, gesichert mit Wachtürmen und Videokamers, die die Leute einsperrt. Auf unbebauten Gebiet besteht die Mauer aus zwei Reihen Stacheldraht, einem mit Strom geladenen Zaun, einer geteerten Strasse nur für Miltärfahrzeuge, Überwachungskameras und feinem Sand, damit Fussspuren sichtbar werden. Die ganze Anlage ist 40-100 Meter breit. Alle paar Meter sind Schilder angebracht, die das Land als militäerisches Sperrgebiet ausweisen, und jeden, der sich nähert, warnen, dass dieser sein Leben gefährdet. 1 Km dieser Hochsicherheitsanlage kostet unglaubliche 2.000.000 USD!!!

Trotz der existenzbedrohenden Tatsachen begann sich erst ca. ein halbes Jahr nach Start des Mauerbaus eine Protestbewegung zu formieren. Dieser Widerstand ist gewaltlos, oft werden direkte Aktionen und Demonstrationen von palästinensischen, israelischen und internationalen Aktivisten gemeinsam gemacht. So versuchen Menschen z.B. die Arbeiten an der Mauer aufzuhalten, indem sie sich Bulldozern in den Weg stellen. Oder sie seilen sich an von Abriss gefährdeten Häuser an, machen Sit-ins bei bedrohten Bäumen,… Obwohl die Mauer sich unaufhaltsam immmer weiter ins palästinensische Land hineinfrisst, gibt es für die Demonstranten einige Teilerfolge: In Jayyous konnte der Bau für ca. 1 Monat aufgehalten werden. In Masha gab es für ca. 3 1/2 Monate ein Friedenscamp, in dem gemeinsam Palästinenser, Israelis und Internationale gegen die Mauer protestierten. Ein akut vom Abriss gefährdetes Wohnhaus konnte so gerettet werden. In Budrus gab es in 3 Monaten über 40 Demonstrationen. So konnte der Bau nicht nur aufgehalten werden, sondern auch der Landraub durch die Mauer minimiert werden. Doch Soldaten und Grenzpolizei reageren hart auf die Demonstrationen. Sie verwenden Soundbomben, Tränengas, Gummigeschosse und scharfe Munition, um den Mauerbau voranzutreiben. Sie schrecken selbst vor Mord nicht zurück: So wurden bei Protesten in Biddu 5 Menschen erschossen, in Beitunya ein 19-jähriger Junge, in Masha wurden einem israelischen Anarchist zweimal gezielt in die Beine geschossen.

Doch der Widerstand geht weiter; nicht nur dort, wo die Mauer gebaut wird, sondern auch dort, wo sie schon steht. So wurde diesen Sommer ein „Freedom March“ organisiert, bei dem PalästinenserInnen, Israelis und Internationale gemeinsam entlang der Mauer marschierten, demonstrierten und Aktionen machten. Einen anderen Erfolg konnten die PalästinenserInnen vor dem International Court of Justice am 23. Februar in Den Hag erzielen. Dieser entschied, dass die Mauer illiegal sei. Israel müsste laut Gerichtsbeschluss die Mauer niederzureissen und die Opfer entschädigen. Die internationale Staatengemeinschaft ist aufgefordert, alles in ihrer Macht zu unternehmen, um dieses Verbrechen zu verhindern. Die Wirklichkeit schaut aber anders aus: Israel erkennt den Gerichtsbeschluss nicht an, und ein Grossteil der Welt schweigt dazu. Palästina bleibt als Opfer allein, obwohl es internationalen Schutz und Solidarität dringenst benötigt.

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