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Das Massaker in Falluja und die US-inszenierten Wahlen

22. Dezember 2004

Die Perspektiven des Widerstands und Aufgaben der Antiimperialisten

Das Massaker, das die US-Besatzer im November 2004 anrichteten, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Eine unbekannte Zahl der Einwohner der belagerten Stadt, zumindest einige Zehntausend Zivilisten, wurden von der Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln abgeschnitten, die medizinische Versorgung wurde unterbunden. Sie wurden mit Flugzeugen, Hubschraubern und schwerer Artillerie bombardiert und rund fünfzigtausend Gebäude wurden zerstört, häufig über den Köpfen der Bewohner. Die US-Truppen nutzten die absolute Übermacht ihrer Militärmaschinerie und wichen Straßenkämpfen feige aus. Wo immer sie auf Widerstand stießen, zogen sie sich zurück und forderten die Unterstützung der Luftwaffe an. Die USA schreckten auch nicht davor zurück, Phosphor und Napalm einzusetzen. Falluja wurde in eine High-Tech-Schlächterei verwandelt, eine Stätte der industriellen Massenvernichtung menschlichen Lebens, die unweigerlich an Hiroshima erinnert. Es ist kein Zufall, dass selbst mehrere Wochen nach dem Blutbad ganze Stadtteile abgeriegelt blieben, um mögliche Zeugen fern zu halten.

Das Ziel dieses Völkermords war nicht nur die Vernichtung der bewaffneten Volksbewegung des Widerstands, die den USA im April letzten Jahres eine Niederlage beibrachte und Falluja zu einem Symbol für das ganze irakische Volk machte. Das Blutbad war als klares Signal an das irakische Volk und die arabisch-islamischen Massen, dass jeglichem Widerstand mit Ausrottung begegnet würde.
Doch die Tatsache, dass die Partisanen in anderen Städten wie Mosul weiter zuschlagen, und dass selbst in einigen Teilen von Falluja einige Kämpfer heldenhaft Widerstand leisten, beweist, dass dieser Widerstand keineswegs militärisch und schon gar nicht politisch besiegt wurde. Im Gegenteil, das Massaker führt zu einem nahezu umfassenden Boykott der Wahlen, welche die US-Marionetten für den 30. Februar 2005 angesetzt haben – zumindest im sunnitischen Milieu, was von Anfang an klar war.

Nachdem die Versuche, das US-Marionettenregime in Bagdad mit ein wenig Unterstützung durch die Bevölkerung zu versehen (wie beispielsweise durch die lächerliche „Machtübergabe“), gescheitert sind, stellen die Wahlen den letzten und wichtigsten Trumpf der Besatzer dar. Sie haben all ihre Hoffnung darauf gesetzt und dementsprechend viel steht auf dem Spiel.
Zwischen den Besatzern und dem schiitischen Klerus – allen voran Ayatollah Ali al-Sistani – besteht Übereinstimmung in dem Punkt, dass die Wahlen abgehalten werden sollen. Doch die politisch-gesellschaftliche Grundlage der Kollaboration sind die schiitischen Mittelschichten, die sowohl sozioökonomisch als auch politisch deutlich geschwächt wurden.
Die Bewegung der Unterklassen, geführt von Muqtada al-Sadr, hat nicht nur den Kampf der ärmsten Schichten gegen die Besatzung kanalisiert, sondern auch wichtige Teile der Mittelschichten angezogen und sogar die kulturellen Barrieren zwischen sunnitischen und schiitischen Bevölkerungsteilen überwunden, wie man während des Volksaufstands im April 2004 sehen konnte.
Dennoch spielte Muqtada von Anfang an eine zwiespältige Rolle. Zunächst lehnte er den bewaffneten Widerstand als „ba…‘thistisch“ ab. Dann wurde er durch den direkten Angriff der USA auf seine Bewegung gezwungen zu reagieren und führte den Aufstand im April letzten Jahres. Obwohl er militärisch schwach und mit den Fähigkeiten des Widerstands, der sich um die ehemaligen Streitkräfte gebildet hatte, nicht mithalten konnte, machte ihn der politische Impuls des Aufstands zum unangefochtenen Führer der Unterschichten, die vorwiegend aber nicht ausschließlich schiitisch sind. Der Angriff der USA auf Najaf im August brachte seinen Kräften trotz der überwältigenden militärischen Übermacht der USA einen halben politischen Sieg, den al-Sadr in der Folge in eine halbe Kapitulation verwandelte. Er rief zur Aufgabe der Waffen auf und versprach die Teilnahme am politischen Prozess, d.h. an den von den USA inszenierten Wahlen. Er verurteilte das Massaker in Falluja, doch im Gegensatz zum April rief er nicht zu einer allgemeinen Solidaritätsbewegung auf, um den Preis eines Gemetzels für die Besatzer möglichst zu erhöhen oder zu hoch zu machen. Er drohte zwar, die Wahlen zu boykottieren, doch hielt sich sehr zurück und es gibt Gerüchte darüber, dass er im Hintergrund mit al-Sistani über eine mögliche Teilnahme an den Wahlen verhandelt.

Al-Sadr schwankt zwischen den Interessen der Volksmassen, seines Klerus und des Irans und hängt sein Fähnchen nach dem Wind der politischen Konjunktur. Ob seine Bewegung an den Wahlen teilnimmt oder nicht, ist von entscheidender Bedeutung. Es ist nun in seiner Hand, den Wahlen Legitimität zu verschaffen oder nicht.

Es gibt auf jeden Fall auch im schiitischen Milieu bereits Stimmen für einen Wahlboykott, wie z.B. den Geistlichen Jawas al-Khalisi, der den konfessionsübergreifenden „Iraqi National Foundation Congress“ leitet. Diese Stimmen üben Druck auf die Sadr-Bewegung aus. Da die Unterklassen keine organische Verbindung zum führenden Klerus haben, könnte eine zwiespältig Haltung Muqtadas neue, radikalere Kräfte aus dem islamischen Spektrum hervorbringen, die sich mit den Resten der linken und kommunistischen Elementen verbinden könnten.

Es ist noch unklar, ob die Wahlen die Situation tatsächlich im Sinne der Besatzer stabilisieren werden. Unmittelbar nach den Wahlen könnte die Integration der schiitischen Mittelschichten die sunnitischen Widerstandskräfte etwas isolieren und eine politische Widerstandsfront in weitere Ferne rücken lassen, so dass die Partisanenbewegung militaristischer agiert und sich die Kluft weiter verbreitert. Dieses Szenario geht Richtung Religions- oder Bürgerkrieg und ist eine Variante in den Plänen der USA. Die schiitischen Mittelschichten haben jedoch traditionell nie den Staat geführt. Bürgerliche Elemente aus diesem Milieu wanderten aus und bleiben Fremdkörper so wie Chalabi und nun Alawi. Sie haben keine organische Anhängerschaft und ihre Macht steht auf tönernen Füßen, selbst wenn sie in den Wahlen einige Unterstützung erhalten. Diese Aspekte sprechen alle gegen eine Stabilisierung. Außerdem sind die wirtschaftlichen Aussichten für diese Mittelschichten alles andere als rosig, da der Widerstand sicher weiter geht. Ihre Möglichkeiten, sich mit den Unterklassen zu verbinden, sie zu beherrschen oder zumindest zu neutralisieren, werden sich schon wenige Monate nach den Wahlen verringern. Das könnte zu einer Rückkehr und zu einem deutlicheren Bekenntnis der schiitischen Massen zum antiimperialistischen Widerstand in Verbindung mit einem sozial-revolutionären Impuls führen.

Antiimperialistische Koordination
5. Dezember 2004

 

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