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Zur Krise der Antiglobalisierungewegung

22. Dezember 2004

Eine Analyse aus antiimperialistischer Sicht

1. Die Antiglobalisierungsbewegung beherbergte zwei unterschiedliche politische Strömungen, als sie im Dezember 1999 in Seattle entstanden ist. Die Mehrheitsströmung kritisierte ausschließlich die schlimmsten (neoliberalen) Auswirkungen der Globalisierung, besonders die ungerechte Verteilung der Einkommen. Diese gemäßigte Mehrheitsströmung forderte eine „demokratische“ Globalisierung „von unten“ und akzeptierte daher das grundlegende Paradigma der Globalisierung, nach dem nun der Zeitpunkt gekommen wäre sich von den veralteten Nationalstaaten zu befreien, die ein Hindernis für den „Fortschritt“ darstellten. Eine Minderheitsströmung verurteilte nicht nur die Auswirkungen, sondern auch die Natur der Globalisierung, oder besser des Kapitalismus selbst, als Grundlage der immer schärferen Widersprüche zwischen Armen und Reichen.

2. In den Vereinigten Staaten war die Spaltung der Bewegung gegen die Globalisierung noch nicht so leicht zu erkennen, aber hatte diese Bewegung erst einmal nach Europa übergesetzt wurde diese Spaltung überdeutlich. Mit den Tagen von Genua im Juli 2001 wurde Europa zum weltweiten Zentrum der Mobilisierung, einer Mobilisierung, die Schichten einer neu radikalisierten Jugend auf die Straßen brachte und die traditionelle Arbeiterbewegung auf die Seite drängte, welche seit einiger Zeit ein Stützpfeiler des kapitalistischen Systems geworden war. Auf Grund der politischen Tradition in Europa konnte die Spaltung der Globalisierungsbewegung in Radikale und Gemäßigte nur die alte Dichotomie zwischen sozialdemokratischen Reformisten und der radikalen Linken auf die Bühne rufen. Allerdings fand die Radikalität ihren Ausdruck nicht auf einer politischen und programmatischen Ebene, sondern auf der Ebene der Kampfformen. Die radikalsten Teile konzentrierten sich tatsächlich darauf, die Bewegung in einen direkten Zusammenstoß mit den staatlichen Polizeikräften zu drängen, in dem sie auf jeder Demonstration Gelegenheit fanden aus dieser ein Spektakel des Straßenkampfes zu machen. Weil diese Radikalität bloß formal und methodologisch war, fiel es den sozialdemokratischen Apparaten leicht den Großteil der Bewegung unter ihrer Hegemonie zu halten. Dabei exponierten sich diese bereits disqualifizierten Apparate niemals selbst, sondern agierten gemeinsam mit Gruppen die die Bewegung selbst hervorgebracht hatte, Führungen aus der Neuen Linken nach 68.

3. Die Sozialforen, angepriesen als wundersame Organismen der Einheit, der Repräsentativität und der Kraft der Bewegung, waren tatsächlich Koordinationen in denen die verschiedenen politischen Strömungen um Hegemonie kämpften und versuchten die notwendigen taktischen Kompromisse zu finden, um die Kontinuität der Mobilisierungen zu gewährleisten. Das Weltsozialforum mit seinem Generalrat, war von Anfang an nicht nur eine Geisel der großen sozialdemokratischen Apparate, sondern immer ein antidemokratisches Führungsgremium, das die Diversität der Bewegung niemals repräsentierte.

4. Antiimperialistische Kräfte, sei es in Europa, oder in den unterdrückten und semikolonialen Ländern, hatten niemals eine einflussreiche Stimme innerhalb des Weltsozialforums. Einer der wichtigsten Gründe dafür, war ein de facto Ausschluss, der am ersten Sozialforum in Porto Allegre vorgenommen wurde – gegen alle bewaffneten Bewegungen. Just zu dem Zeitpunkt, als die Zweite Intifada zum Kristallisationspunkt des weltweiten antiimperialistischen Kampfes wurde. Nach dem 11. September wurde im Weltsozialforum die Losung der sozialdemokratischen Apparate „weder Krieg noch Terrorismus“ hegemonial. Und das, während die USA Afghanistan angriffen (Oktober 2001) und die „Schwarze Liste terroristischer Organisationen“ einführten, in der sich nicht nur islamische Kräfte, sondern auch alle revolutionären Befreiungsbewegungen wiederfanden.

5. Aufgrund der pazifistischen Gründungsklauseln haben wir uns immer geweigert Teil des Weltsozialforums zu werden, obwohl wir an allen Mobilisierungen der Anti-Globalisierungsbewegung teilgenommen haben. Dieser Schritt hat sich als notwendig und richtig erwiesen. Der Pazifismus hat nicht nur kämpfende antiimperialistische Organisationen ausgeschlossen, er war auch ein Zeichen dafür, dass die sozialdemokratischen Apparate die Zügel im WSF in der Hand hielten – wodurch es kein Instrument des notwendigen Zusammenhaltes zwischen den politischen und sozialen Kämpfen im Zentrum und den entschiedener antiimperialistischen der Peripherie werden konnte.

6. Es war der irakische Widerstand, der die Antiglobalisierungsbewegung mit dem Rücken zur Wand gedrückt hat und sie in ihre aktuelle und irreversible Krise gestürzt hat. Die „no global“ Bewegung war Führer der Mobilisierungen gegen die angloamerikanische Aggression und für den Frieden. Aber als Bagdad einmal gefallen war, haben auch die Mobilisierungen aufgehört, genau zu dem Zeitpunkt wo man ihrer am dringendsten bedurft hätte, als der bewaffnete Widerstand des irakischen Volkes erst begann. Nur kleine Minderheiten, und auch diese mit einiger Verspätung, haben den Widerstand als legitim und unterstützenswert bezeichnet. Der Großteil der „no global“ hat geschwiegen und sich geweigert für den Sieg des irakischen Widerstandes einzutreten. Die Stärkung des Widerstandes im Irak selbst, hat dann alle Widersprüche der Antiglobalisierungsbewegung offen gelegt: Die radikalen Teile, auch wenn sie nicht bereit waren den Widerstand offiziell zu unterstützen, waren gezwungen seine Legitimität anzuerkennen – wir sind davon überzeugt, dass auch unsere eigene Aktivität etwas zu den Schritten in diese Richtung beigetragen hat.

7. Der Rückgang der Bewegung wird sehr wahrscheinlich eine definitive Spaltung des WSF hervorrufen. Das scheint uns wahrscheinlich, weil jeder Versuch die Einheit auf künstlicher Grundlage aufrechtzuerhalten zum Scheitern verurteilt ist. Die breitestmögliche Einheit ist wünschenswert und notwendig, aber die Einheit unter der Kontrolle der Sozialdemokraten macht die Bewegung politisch hilflos und impotent. Das wird beim nächsten WSF in Porto Alegre noch deutlicher werden, das unter der Ägide der PT Regierung stattfindet – eine Regierung, die sich der imperialistischen Globalisierung untergeordnet hat, welche die Bewegung zu bekämpfen vorgibt. Weil wir uns als Ziel den Aufbau einer internationalen antiimperialistischen Front gestellt haben müssen wir unsere Versuche der Einheit mit jenen Kräften stärken, die aus dem WSF ausscheiden und mit den sozialdemokratischen Apparaten brechen. Unser Projekt ist ein schwieriges und langfristiges, nämlich der Einheit der antagonistischen Kräfte der imperialistischen Länder mit jenen der unterdrückten Länder. Ohne diese Einheit ist nicht nur der Sieg der kämpfenden Kräfte der halbkolonialen Länder unmöglich, auch die Antagonisten im Westen haben ohne diese Perspektive keine Zukunft.

Politisches Komitee des Antiimperialistischen Lagers
5. Dezember 2004

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