25.12.2004, von Hanan No-Shi
Heute nachmittag um 15 Uhr bekamen wir die Nachricht, dass in Assira ein Haus besetzt wurde. Die Soldaten halten seit Mitternacht die ca. 10-köpfige Familie in einem Raum fest. Es sind 2 kleine Kinder mit dabei, ausserdem ein alter Mann und eine Frau, die dringend Medizin benötigen.
Zu viert machen wir uns auf, kaufen Wasser, Essen und feuchte Tücher. Wir nähern uns dem Haus das erste Mal gegen 16 Uhr, machen uns lautstark bemerkbar, versuchen mit den Soldaten im Haus zu kommunizieren. Wir wollen mit der Familie reden, ihnen zeigen, dass wir von ihrer Situation wissen, ihnen bringen, was sie brauchen, den Soldaten Menschlichkeit abringen…Diese reagieren überhaupt nicht, nach ca. 5 Minuten fährt unten auf der Strasse ein Jeep vor, der Commander ordert uns heran. Ca. 5 Minuten versuchen wir alles mögliche, ihn zu überzeugen, dass wir nach der Familie im Haus schauen wollen, Essen und Trinken und ein wenig Beistand hinbringen möchten. Er verweigert alles, hört aber wenigstens zu. Die Familie habe alles, was sie brauche für 24 Stunden, es gehe ihnen gut. Er selber habe nicht persönlich mit ihnen telefoniert, aber seine Männer im Haus hätten ihn informiert.
Wir verziehen uns fürs erste, unsere israelischen Gruppenmitglieder machen einige wichtige Telefonanrufe, sprechen mit einigen Knessetmitgliedern. Diese wiederum kontaktieren die Armee, welche versichert, dass nach einer halben Stunde alles vorüber sein wird. Es ist 18:10.
Wir haben nach einer Essenspause entschieden, uns dem Haus ein zweites Mal zu nähern. Wieder ohne Reaktion von oben, wo diesmal alle Lichter erloschen sind, ist inzwischen das halbe Dorf vor dem Haus versammelt… Nach 40 Minuten fährt ein Jeep vor, wartet einige Minuten, fährt wieder weg, kommt wieder, braust irgendwann davon. In dieser Zeit haben die Soldaten das Haus durch die Hintertür verlassen, was wir aber nicht sicher wissen. Wir umrunden das Haus, Penny und ich machen uns lautstark bemerkbar und betreten das Gebäude. Oben treffen wir die Familienmitglieder, alle müde, erschöpft, noch geschockt aber auch irgendwie erleichtert wirkend. Da sich in der Zwischenzeit das halbe Dorf Zutritt zum Haus verschafft hat, machen wir uns davon.
Nach einer halben Stunde kehren wir zu zweit noch einmal zurück, um eine Telefonverbindung zu einem Reporter in Israel herzustellen. Wir reden nicht viel mit der Familie, deren Haus eh übervölkert ist, erfahren aber, dass die Soldaten Goldschmuck, 400 Schekel, die Mobiltelefone sowie die Ausweise der Familie mitgenommen haben.
Die Familienmitglieder haben uns gehört, als wir uns Zutritt verschaffen wollten, ihnen wurde aber mit Erschiessung gedroht, wenn sie uns antworten würden…
Morgen wollen wir versuchen, ein Interview mit der Familie zu machen, hoffentlich erlauben die aeusseren Umstäde dies, sprich, hoffentlich gibt es nicht anderweitige Probleme, derer wir uns annehmen wollen oder müssen. Heute war die Stimmung hier in der Gegend komisch. Es waren zwar einige Armeefahrzeuge da, zum Teil unter den Olivenbäumen mehr oder weniger versteckt, aber sie haben die Palästinenser nicht wie an den Tagen zuvor gestoppt und gecheckt.
Noch immer sind Soldaten in der Schule hier in Assira verschanzt. Hoffentlich verziehen die sich bis morgen.
In diesem Dorf war es heute das allererste Mal, dass ein Haus besetzt wurde, die Leute sind alle recht aufgeregt. Hoffentlich war es auch das letzte Mal.