26.12.2004, von Hanan No-Shi
Bevor ich aus Assira nach Nablus zurückgekehrt bin – vor 30 Minuten -, konnten wir ein Gespräch mit dem Familienoberhaupt führen, welcher gestern in dem besetzen Haus ausharren musste… Hier ist sein Bericht:
„Etwa um 3 Uhr nachts in der Nacht vom Freitag auf Samstag kamen 8 Soldaten und verschafften sich Zutritt zu unserem Haus. Sie trugen alle Militäruniform und hatten geschwärzte Gesichter. Sie öffneten die Türen zu allen Räumen und zwangen uns 10 Personen, uns in einem Raum zu versammeln. Unter uns waren Frauen und ein zweienhalb jähriger Junge, mein Enkel Adel. Wir mussten uns auf den Boden setzen, für die ganzen nächsten 16 Stunden war einer der Soldaten bei uns im Zimmer, die Waffe stets im Anschlag stand er meistens oder ging auf und ab. Die Soldaten sagten uns, es sei verboten, zu sprechen oder irgendwelche Geräusche zu machen. Wenn einer von uns etwas essen oder trinken wollte, müsse er dem Soldaten Bescheid geben, dieser würde dann mit in die Küche gehen, die nebenan liegt. Auch wenn wir auf Klo müssten, würde er mitkommen, vor der Tür warten. Wer beten wollte, konnte dies nur im Angesicht des Soldaten und seiner gezückten Waffe tun. Wir mussten unsere Ausweise abgeben, bekamen sie nach einer halben Stunde wieder. Unsere Telefone mussten wir abgeben, das Haustelefon setzen sie ausser Betrieb.
Ich selber bin krank, habe gesagt, dass ich einen Doktor sehen wolle. Mehrmals versuchte ich, diese Bitte auszudrücken, doch sie wurde mir verweigert. „Tomorrow.“
Mein kleiner Enkel hatte anfangs grosse Angst. Ich erklärte ihm auf seine Frage hin, ob der Soldat ihn jetzt erschiessen würde, dass dieser kein böser Mann sei, sondern dass die Soldaten unsere Freunde seien…Ich konnte ihn so ein wenig beruhigen.
Wir hörten zweimal am späten Nachmittag und frühen Abend Eure Stimmen von draussen. Oh, was war ich froh, als ich Euch hörte, wenigstens wussten wir jetzt, dass die Leute draussen Bescheid wussten. Wir wollten reagieren, wollten rufen, wollten ans Fenster, doch die Soldaten drohten uns zu erschiessen, wenn wir eine Regung zeigen würden. Die Soldaten hatten uns vorher gesagt, dass niemand erfahren dürfe, dass sie im Haus seien, umso glücklicher war ich natürlich, als wir Euch draussen hörten, wir ihr gegen die Tür geschlagen und gerufen habt. Die Soldaten im Haus waren sichtlich überrascht und wurden etwas nervös.
Um 19.30 dann verliessen sie das Haus, nicht ohne uns vorher noch zu drohen, dass wir auf jeden Fall eine Stunde im Haus bleiben müssten, ohne uns zu regen oder zu telefonieren. Als sie draussen waren, schauten wir alle in unseren Räumen nach. Wir stellten fest, dass sie 2 Goldringe, eine Kette im Wert von 60 Dinar und 100 Schekel gestohlen hatten.
Wir haben keine Ahnung, warum die Soldaten gekommen sind. Wir glauben aber, dass das mit dem Zwischenfall von vor 4 Tagen zu tun hat (als ein Molotow-Cocktail unten auf der Strasse fast vor dem Haus ein Militärfahrzeug in Brand gesetzt hatte. Daraufhin war es zu einer Karambolage gekommen, weil 2 kleine Panzer ineinander gefahren waren…). Unser Haus ist in einer strategisch guten Position. Von hier aus konnten die Soldaten hervorragend die Strasse überblicken, auf steinewerfende Jungs wartend. Es ist ja sehr hoch und liegt ausserdem direkt neben der Schule, von wo aus öfter Steine auf die vorbeifahrenden Jeeps fliegen.
Das nächste, was wir dann sahen, nachdem die Soldaten das Haus verlassen hatten, waren die 2 ausländischen Maedchen, die die Treppe hochkamen.
Uns geht es gut heute, wir sind in Ordnung. Auch Adel ist okay. Wir sind ja einiges gewohnt, daher nicht so geschockt. (…)“
Nur einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass wir überhaupt Bescheid bekamen, dass Soldaten das Haus besetzt halten. Said aus den USA und ich hatten gerade einen Mann besucht, der uns die letzten Tagen in Assira unglaublich grosszügig beherbergt und mit allem möglichen geholfen hat. Er hat eine superhohe Stellung im Dorf, jeder kennt und schätzt ihn, er arbeitet irgendwie bei der Polizei. Gegen halb vier bekam er einen Anruf mit besagter Information, die er sofort an uns weiterleitete.
Der Nachbar der besagten Familie hatte auf dem Dach seines Hauses seine Satellitenschüssel repariert – welch ein Glück – und dabei zufällig einen Blick in eines der oberen Fenster des Nachbarhauses geworfen. Dort sah er einen Soldaten im Treppenhaus sitzend, dieser getarnt mit Kopftuch und Mantel, der ihm mit Gestik zu verstehen gab, dass er sich leise zu verhalten habe. Von dem dann folgenden wichtigen Telefonanruf konnte er ihn aber zum Glück nicht abhalten.
Die wichtigen Telefonanrufe unserer 2 israelischen Freunde, welche sich im Nachbardorf Taluza aufhielten und welche enormen Druck auf diverse Knessetmitglieder ausüben konnten, ausserdem zahlreiche Radiointerviews gaben und unser für die Soldaten so extrem ungelegen kommendes Verhalten am Haus kombiniert mit guter Koordination und Absprache haben diese Aktion einen kleinen Erfolg werden lassen.