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Förderdespotie bei Böll – Kurzer Prozeß wegen Kritik an Israel

28. Dezember 2004

aus junge Welt, 18. Dezember 2004

Förderdespotie bei Böll
Kurzer Prozeß wegen Kritik an Israel: Grünen-nahe Stiftung verfügt Ausschluß eines ägyptischen Stipendiaten aus Promotionsförderung nach Denunziation durch „Antideutsche“

von Klaus Hartmann

Offene, transparente rechtsstaatliche Verfahren“ fordern die Grünen Politiker Ralf Fücks und Daniel Cohn-Bendit gemeinsam mit FDP Bundestagsfraktionschef Wolfgang Gerhard und dem Washingtoner Robert Kagan, einem „neokonservativen“ Kriegspropagandisten, und sie fordern weiter „(…) die strikte Achtung des internationalen und auch in Rußland geltenden Rechts der Unschuldsvermutung für die Angeklagten“.

An dem Wort „Rußland“ merkt man, daß ihre Sorge nicht angeklagten Stipendiaten der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) gilt, denn da gilt weder russisches noch Recht überhaupt. Die Stiftung sorgt sich vielmehr um den „Fall Michail Chodorkowski“, den wegen Steuerhinterziehung angeklagten russischen Ölmilliardär – weswegen sie am gestrigen Freitag an den Stiftungssitz, die Hackeschen Höfe in Berlin, lud. Diskutiert werden sollte „über den Prozeßverlauf und seine Bedeutung für die politische Kultur Rußlands“.

Ohne Aussprache

Die politische Kultur der Bündnisgrünen-Stiftung scheint hingegen eher der kurze Prozeß zu sein. Der aus Ägypten stammende Promotionsstipendiat Mostafa Elhady wurde Anfang September zum Gespräch mit Stiftungsvorstand Ralf Fücks und Studienleiterin Ulrike Siebert einbestellt, wo ihm eröffnet wurde: Stipendium beendet, Rauswurf aus der Stiftung. Begründung: „Antisemitismus, einseitige Kritik an Israel, Holocaust-Relativierung“. Beweise keine, anonym bleibende Beschuldiger, zur Erwiderung keine Chance, von rechtlichem Gehör ganz zu schweigen.

Daß Elhady vergeblich das Wort erbat, wird ihm noch zum Nachteil ausgelegt: Er „ließ keinerlei Bereitschaft zur selbstkritischen Reflexion erkennen“, wie Fücks und Siebert an die protestierenden Mitstipendiaten schrieben, um damit (!) den „Vorwurf, eine offene Aussprache habe nicht stattgefunden“, zurückzuweisen. Auf seinen Hinweis, der Entzug des Stipendiums bedeute den Abbruch der begonnenen Promotion und die Ausweisung aus Deutschland zum Jahresende, meinte die Herrschaft: „Das ist dein Problem“. Ihre Antwort auf die Petition der Stipendiaten schließen Fücks und Siebert mit purem Zynismus: „Dieser Konflikt trägt hoffentlich dazu bei, die gegenseitigen Erwartungen zu klären.“

Elhadys inkriminierter, in freier Rede gehaltener Diskussionsbeitrag in einem Seminar in Köln lautete: „Wenn man in Deutschland das Leiden der Juden, das 60 Jahre alt ist, in Frage stellt, wird man gerichtlich bestraft und ausgewiesen. Aber deutsche Politiker und Medien leugnen das Leiden der Palästinenser und verfälschen die Wahrheit in diesem Konflikt seit 50 Jahren. Und dies wird als Meinungsfreiheit dargestellt! Das ist die Doppelmoral für mich.“ Damit hatte er keine Verbrechen in Abrede gestellt, aber verlangt, daß wegen der deutschen Verbrechen die Leiden der Palästinenser nicht negiert werden dürfen. Für die fanatischen „antideutschen“ Israel-Fans, die Elhady denunzierten, besteht sein Vergehen in der Parteinahme für die Palästinenser, die in ihrer Vorstellungswelt zwanghaft mit Antisemitismus verkoppelt ist.

Warnung vor Islamphobie

In dieser Welt ist offenbar auch Ralf Fücks zu Hause. Als Mostafa Elhady sich erdreistete, in einem Brief an Paul Spiegel vor Panikpolitik gegenüber dem Islam und den Muslimen zu warnen und den Umgang der deutschen Öffentlichkeit mit dem Thema Antisemitismus als Vorbild darstellte, wie mit Islamfeindlichkeit und Islamphobie in Deutschland umzugehen sei, kommentierte Fücks: „Ich bereue, daß wir dich nicht sofort rausgeschmissen haben.“

Bei einer Konferenz der Stiftung über „neuen Antisemitismus“, bei der Muslime in Europa als dessen hauptsächliche Quelle genannt wurden, hatte Elhady sich die Kritik erlaubt, daß trotz der zentralen Rolle, die der Islam und die Muslime bei der Konferenz spielten, von den eingeladenen 27 internationalen Referenten kein einziger Muslim war. Danach untersagte der Vorstand der Stiftung Elhadys Beteiligung an der Diskussion.

Eine Tagung mit dem Thema Islamphobie lehnte Fücks mit der Begründung ab, man solle der Behauptung der Muslime und Araber, daß sie benachteiligt seien, keinen Vorschub leisten. Als ihm Elhady seinen Vorschlag persönlich vortrug, erfuhr er vor Zeugen den Fücksschen Abwasch: „Ich habe die Nase voll von Arabern und Moslems, die die Rolle der Opfer spielen“.

Anfang der Woche veröffentlichte das Wall Street Journal Umfrageergebnisse, denen zufolge die Islamfeindlichkeit in Deutschland einen Wert von 61 Prozent erreicht. Vielleicht spricht sich ja bei der Grünen-Stiftung noch die weitere Umfrage-Erkenntnis herum, daß mit der Islamphobie zugleich ein Anstieg des Antisemitismus einhergeht.

* Der Autor ist Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes

Hintergrund: Stiftung und Stifter
* Die Heinrich-Böll-Stiftung ging 1996 als parteinahe Stiftung von Bündnis 90/Die Grünen aus zuvor existierenden Einzelstiftungen hervor. Das Stiftungsvermögen beläuft sich auf über 50 Millionen Euro.

Nach ihrer satzungsmäßigen Zweckbestimmung arbeitet die Stiftung „in geistiger Offenheit“ u. a. für „die wechselseitige Achtung von Menschen verschiedener Herkunft, kultureller und geschlechtlicher Identität und politischer Meinung sowie die politische und kulturelle Gleichstellung von Migrantinnen und Migranten“.

* Stipendien sieht die Satzung u.a. für „begabte und nach ihrer Persönlichkeit geeignete StudentInnen, KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen aller Fachrichtungen und aller Nationalitäten, die sich den Satzungszielen des Vereins verpflichtet fühlen und sich aktiv gesellschaftspolitisch engagieren“ vor. Die vom Studienwerk der Stiftung vergebenen bis

zu 100 Stipendien werden allerdings zu ca. 79 Prozent vom Bundesbildungsministerium und zu ca. 22 Prozent vom Außenministerium finanziert.

* Stiftungsvorstand sind Barbara Unmüßig (seit 2002, vorher Aufsichtsratsvorsitzende) und Ralf Fücks (seit 1996); Leiterin des Stiftungswerks ist Dr. Ulrike Siebert.

* Ralf Fücks „gehörte in den 70er Jahren zu einer ultralinken Gruppe“, bekennt er in seiner Biographie auf der Stiftungs-Homepage. Gemeint ist der KBW, Kommunistischer Bund Westdeutschlands, der 1972 gegründet wurde, dessen Vorsitzender Joscha Schmierer hieß, und dessen Adjutant hieß Ralf Fücks. Auch Schmierer hat gewechselt, er brütet jetzt im Planungsstab von Joseph Fischers Auswärtigem Amt über „Grundsatzfragen der Europapolitik“.

* Die Heinrich-Böll-Stiftung im Internet: www.boell.de

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