Interview mit Moufid Nehme
Moufid Nehme ist Komponist, Musikwissenschafter und politischer Liedermacher aus dem Libanon. Er lebt zur Zeit in Wien und beteiligt sich aktiv am Betrieb des Österreichisch-Arabischen Kulturzentrums (OKAZ). Mit der Intifada sprach er über seine Arbeit, seine Ziele und Ambitionen sowie seine politischen Aktivitäten.
Intifada: Wie hat alles angefangen? Erzählen Sie uns ein bisschen über Ihre Kindheit und darüber, wer oder was Sie dazu inspiriert hat sich für die Musik bzw. politische Lieder zu interessieren?
Moufid Nehme: Ich bin ein gebürtiger Südlibanese. Meine Familie ist sehr groß und ist immer auf der Seite der nationalen Befreiungsbewegung gestanden. Ich habe den Bürgerkrieg und den Krieg gegen die Besatzung im Libanon erlebt, während dieser Zeit habe ich immer die Lieder von Marcel Khalife gehört. Sie haben mich inspiriert politsche Lieder zu singen, die das Leid unseres Volkes während des Krieges ausdrücken. Ich war auch in vielen Vereinen tätig, dort habe ich mein Talent für die Musik endeckt. Alles was um mich herum geschah hat mich dazu geführt mit der Musik anzufangen. Ich hatte dann ein Ziel, ich wollte nicht mehr Musik nur als Hobby machen. Meine Ambitionen wurden größer. Ich habe am Konservatorium von Beirut studiert und zwei Diplomkurse in dem Fachbereich „Nahöstliche Laute“, die arabische Oud, abgeschlossen.
Intifada: Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie auch politische Lieder schreiben und singen. Erzählen Sie uns über Moufid, den politischen Sänger und Moufid, den Komponisten.
M.N.: Erstens möchte ich sagen, dass ich gegen den Begriff „Politisches Lied“ bin. Es ist eher ein „Menschliches Lied“ , weil es menschliche Gefühle ausdrückt, es drückt Trauer, Leid, Sorgen, Wut, Verzweiflung usw. aus. Hier spielen Wörter eine sehr wichtige Rolle, die Musik ist nur ein Hilfsmittel um diese Wörter besser vermitteln zu können.
Intifada: Sie schreiben doch die meisten Texte für Ihre Lieder. Sind sie auch Lyriker?
M.N.: Ich bin Lyriker, aber ich bewundere Gedichte. Ich versuche einfach alle meine Gefühle aufzuschreiben, aber dass macht mich nicht zum Poeten. Ein Gedicht hat immer sehr große Bedeutung und braucht hohe Sprachfähigkeiten. Ich weiß, wo meine Grenzen sind und überschreite sie nicht. Ich möchte nebenbei erwähnen, dass dieses Elend überall auf der Welt alle Menschen zu Poeten macht!
Intifada: Kommen wir zurück zum Thema und erzählen Sie uns jetzt über Moufid den Komponisten.
M.N.: Was ich nicht in Worten ausdrücken kann, drücke ich in meiner Musik aus. Meiner Meinung nach ist Musik wie ein Gefühl. Sie ist abstrakt, man kann sie nicht sehen oder kosten. Sie hat keine Farben, man kann sie nur spüren. In unserer Gesellschaft sind Wörter sehr wichtig, Gedichte und Geschichten gehören nun mal zu unserer Kultur, deswegen ist es auch für mich nicht leicht in unserer Gesellschaft Musik zu schreiben und zu präsentieren. Die Leute sind es einfach nicht gewöhnt Musik ohne Wörter zu hören. Aber für mich ist die Musik sehr wichtig, weil ich so meine Gefühle, Gedanken und Ideen besser vermitteln kann.
Intifada: Wenn Sie sich entscheiden müssten, bedeutet es Ihnen mehr Komponist oder politischer Sänger zu sein?
M.N.: Ich könnte mich nicht entscheiden. Beide Rollen sind von großer Bedeutung für mich. Durch die Musik drücke ich meine Gefühle aus und durch das Lied drücke ich meine Gedanken aus. Es kommt auch immer darauf an, wo ich bin und mit wem ich bin, die Umgebung, die Atmosphäre, all das spielt eine wichtige Rolle für mich.
Intifada: Im Alter von zwölf Jahren haben Sie angefangen auf der Laute, der Oud, zu spielen. Stellen Sie uns dieses Instrument vor.
M.N.: Die Laute ist nicht irgend ein Instrument. Sie ist ein fünftausend Jahre altes orientalisches Instrument, eines der ältesten der Welt! Dieses Instrument ist sehr wertvoll für mich und wenn ich auf der Laute spiele, dann trag ich eine gewisse Verantwortung. Früher war die Laute nur ein Begleitinstrument. Heute ist sie wie jedes andere Instrument, wie das Klavier oder die Gitarre. Es hat sich für die Laute eine eigene Theorie entwickelt. Heute ist sie ein selbstständiges Instrument.
Intifada: Sie bieten im Österreichisch-Arabischen Kulturzentrum OKAZ Musikkurse an.
M.N.: Dieses Kulturzentrum bietet viele kulturelle Aktivitäten an. Hier treffen sich Leute der verschiedensten Kulturen und arbeiten gemeinsam. Eine dieser Aktivitäten ist der Orientalische Musikkurs. In diesem Kurs wird Musiktheorie, Gesangs- und Lautenunterricht angeboten. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir hier in Österreich unsere Musik und unsere Kultur bekannt machen, denn die Musik vereint alle Kulturen
Intifada: Sie waren auch früher in vielen Jugendvereinen engagiert. Wie blieb da noch Zeit für Ihre Musik?
M.N.: Wie ich schon vorher erwähnte, diese Jugendvereinen wie zum Bespiel der „Demokratischen Jugend Union“ waren ein relevanter Teil meiner Jugend, dort habe ich mich viel mit Musik beschäftigt. Und dort hab ich auch meine Identität aufgebaut. Und ich möchte diese Gelegenheit nutzen um allen Jugendlichen zu raten auch an solchen Vereinen teilzunehmen, um ihre Talente und Fähigkeiten zu entdecken. Sie sollten aktiv mitmachen damit sie ihre Ideen und Meinungen ausdrücken können, so werden sie auch im Leben Entscheidungen treffen können. Sie sollten eine politische Wirkung innerhalb ihrer Ländern für eine demokratische Entwicklung ausüben.
Intifada: Da Sie aktives Mitglied verschiedener politischer Vereine waren, verfolgen Sie sicher die Situation im Irak und in Palästina.
M.N.: Was zur Zeit passiert, ist unbegreiflich. Wir wissen alle, dass es in dieser Welt viele politische Veränderungen gegeben hat, eine davon war der Fall der Sowjetunion. Heute gibt es nur mehr eine große Macht, die versucht die Welt zu verwalten und die ohne Gerechtigkeit, unter dem Slogan „Demokratie und Menschenrechte“ handelt. Die USA versuchen mit ihren Waffen Macht auszuüben um ihre Demokratie, die keine ist, zwanghaft unter den Völkern zu verbreiten. Und hier stellen wir uns die große Frage über die Rolle der Vereinten Nation in Bezug auf Weltfrieden, Weltsicherheit und Unabhängigkeit von Staaten. Anscheinend haben die Vereinten Nationen auch im politschen Bereich keinerlei Macht. Das haben wir im Libanon gesehen und sehen wir immer noch in Palästina.
Ich spreche die ganze Welt an um die Palästinensern zu unterstützen damit wir auf der ganzen Welt der Gerechtigkeit, Menschlichkeit und Freiheit zum Sieg verhelfen.
Intifada: Erzählen Sie uns über Ihre bisherige Aktivitäten und Erfolge.
M.N.: Ich habe bisher vier große Erfolge gehabt. Ich habe ein Musiktheater für Kinder geleitet, ich habe eine Kasette mit Lieder von wirtschaftlichen und sozialen Problemen im Libanon veröffentlicht. Diese Kasette heißt „Haneen“. Veröffentlicht habe ich auch noch zwei Alben; beide widmete ich den Palästinensern. In dem einen unterstütze ich das palästinensische Volk, und in dem anderen unterstütze ich die Intifada.
Intifada: Zwei Alben haben Sie den Palästinensern gewidmet. Welchen Stellenwert hat für Sie der Kampf des palästinensischen Volkes?
M.N.: Wenn ich das palästinensische Volk unterstütze, dann unterstütze ich mich selbst, denn ich bin Teil der Palästinenser! Ich sehe und fühle, was sie alles durchstehen müssen. In so einer Zeit sollten alle Menschen Palästinenser sein, damit sie verstehen können, wie dieses Volk alltäglich leiden muss.
Intifada: Wie lange haben Sie vor in Wien zu bleiben?
M.N.: Ich bin kurz davor mein viertes Album unter dem Titel „Ausdruck“ zu veröffentlichen. Dieses Album beinhaltet sechs Lieder und sechs Musikstücke. Die Produktion wird in Wien stattfinden und danach wird das Album in Beirut unterschrieben. Ich bereite mich auch derzeit für einige Konzerte vor, die in Europa stattfinden werden, wie zum Bespiel in Paris und Berlin.
Im Österreichisch-Arabischen Kulturzentrum OKAZ lehre ich orientalische Musikkurse, leite einen Chor, in dem traditionelle arabische Lieder gesungen werden, und dann gibt es da unser aktuellstes Projekt: eine Theatergruppe, deren Ziel es ist, alle unsere Ideen und Meinungen beim Schauspielen zu äußern.
Zuletzt möchte ich meine Bewunderung für die Arbeit der Mitglieder des OKAZ und des Arabischen Palästina Club ausdrücken. Ich wünsche Ihnen allen und auch der Zeitschrift „Intifada“ viel Erfolg mit ihrer Arbeit.
Intifada: Wir danken für das Gespräch.