Editorial
Die antiislamische Hetze in Europa ist im Begriff einen historischen Höhepunkt zu erreichen. Für Politiker, Medien und liberale Feministinnen sind die Ereignisse in Holland der willkommene Anlass, um das angeblich antiemanzipatorische Wesen des Islam zu entlarven und an den Pranger zu stellen – etwa durch den hysterisch vorgebrachten Hinweis, dass unter Diaspora-Muslimen das Phänomen der Zwangsverheiratung existiert. Unabhängig davon, dass dieses Phänomen nicht repräsentativ ist: Zwangsverheiratungen gab es auch schon vor zehn, zwanzig und dreißig Jahren. Warum aber werden sie gerade jetzt „entdeckt“? Warum wird Islamfeindlichkeit gerade jetzt massiv geschürt?
Die Wertegemeinschaft der freien Welt führt drei Kriege gegen islamische Länder. Europa ordnet sich hierbei den USA völlig unter. In den Fällen, in denen dies nicht mit einem militärischen Beitrag erfolgt, steht die politische Unterstützung letztlich außer Frage, dies gilt auch für Deutschland. Bei allen Partikularinteressen, die es geben mag, sind sich in der EU linke wie rechte Liberalisten einig: „Wenn die USA im Irak verlieren, verlieren auch wir!“ Da der westliche Feldzug nichts mit Demokratie und Emanzipation zu tun hat, benötigt er einer das Gegenteil vorgebenden propagandistischen Legitimation an der Heimatfront, um die eigenen Bevölkerungen bei Stange zu halten. Die Saat geht vorerst auf: Laut einer aktuellen Umfrage des „Wall Street Journal“ nehmen beispielsweise 61% der Deutschen mittlerweile eine islamfeindliche Position ein.
In der diese Zahlen verursachenden Kampagne spielen vermeintlicher Antifaschismus und vermeintlicher Feminismus eine herausragende Rolle: Die „Welt“ nutzte am 18. Dezember 2004 eine Buchrezension, um ein Zitat der dänischen Schriftstellerin Karen Blixen an zentraler Stelle zu positionieren: „Das Wort Islam bedeutet Hingabe, es ist wohl dasselbe wie das, was das Dritte Reich mit seinem Handaufheben zum Ausdruck bringt: Dein im Leben und im Tod. Einige Dinge in Mein Kampf gleichen Kapiteln im Koran. Welche der beiden Mentalitäten die gefährlichere ist, ist schwer zu sagen.“ Wem das noch nicht genügt, kann mit der deutschen Feministin Alice Schwarzer geholfen werden; gegenüber dem Schweizer „Sonntagsblick“ vom 14. November 2004 erklärte Schwarzer: „Ich halte die Islamisten für noch gefährlicher als die Nazis, weil sie wirklich im Weltmaßstab operieren. Der deutsche Flächenbrand hatte ja noch Grenzen.“ Im „Spiegel“ vom 15. November verbreitete Schwarzer außerdem, dass in Deutschland lebende Türkinnen „völlig entrechtet“ würden – und dass bisher nichts dagegen unternommen worden sei, da jedes Anprangern dieses Missstands „sofort als Rassismus gebrandmarkt“ werde.
Wir erleben, dass unter Zuhilfenahme feministischen Renommees der Islam rechts von der NSDAP verortet wird, ganz im Interesse der Berliner und Brüsseler Eliten, die einen Schmusekurs mit der USA suchen. Abgerundet wird dieses Bild dadurch, dass zentrale deutsche Exponenten wie Josef Fischer immer und immer wieder mit moralischem Zeigefinger auf die Situation der Frauen unter dem gestürzten Taliban-Regime verweisen. Worum es wirklich geht, ist die faschistoide Geopolitik der USA zu rechtfertigen.
Es gilt, die „antifaschistischen“ und „feministischen“ Lügen zu entlarven. Die Kampagne gegen den Islam ist ein imperialistisches Projekt wider die weltweite Emanzipation. Dies zu bekämpfen, setzt voraus, die Einforderung des sofortigen Abzuges der US-geführten Besatzungstruppen aus dem Mittleren Osten und Zentralasien mit einer entschiedenen politischen Unterstützung der angegriffenen europäischen Muslime zu verbinden.
Dimitri Tsalos
Initiativ e.V., Duisburg