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„Befreiungsbewegungen sind keine Terroristen“

15. Januar 2005

aus: junge Welt, 14. Jänner 2005

von Harald Neuber

Die dänische Organisation Oprør sammelt für den Widerstand in Kolumbien und Palästina. Ein Gespräch mit Christine Lundgaard

* Christine Lundgaard ist Sprecherin der dänischen Organisation Oprør (Rebellion) mit etwa 600 Mitgliedern.

F: Seit Oktober sammeln Sie Spenden für die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) und die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP). Geht es dabei nur um die finanzielle Unterstützung?

Die Spendenaktion war als Protest gegen den sogenannten Krieg gegen den Terrorismus geplant. Wir haben das Geld daher öffentlich gesammelt.

F: Wieviel kam zusammen?

Insgesamt waren es 100000 Dänische Kronen, das sind umgerechnet etwa 17000 US-Dollar, die je zur Hälfte an die FARC und an die PFLP gingen.

F: Was wollten Sie erreichen?

Sowohl FARC als auch PFLP stehen als angebliche terroristische Organisationen auf den Listen von EU und USA. Jede Art von Unterstützung oder Sympathiebekundung ist daher von strafrechtlicher Verfolgung bedroht. Nach dänischem Recht sind bis zu zehn Jahren Gefängnis möglich. Wir halten das für absurd, denn vor dem „Krieg gegen den Terror“ galten beide Organisationen in Europa als Teil legitimer Befreiungsbewegungen. Wir haben FARC und PFLP ausgewählt, um diesen Politikwechsel deutlich zu machen. Beide Organisationen blicken auf lange diplomatische Kontakte nach Europa zurück, beide Organisationen haben viel Solidarität aus Europa erfahren. Und nun werden sie plötzlich als Terroristen stigmatisiert. Wir wollten daher auch ein Zeichen gegen die Antiterrorgesetze Dänemarks setzen, die 2002 erlassen wurden und dem Muster anderer EU-Staaten folgen. Wir halten diese Gesetze für eine massive Einschränkung der politischen Freiheit und des Rechtes auf freie Meinungsäußerung.

F: Innenpolitisch galt wohl auch ein anderes Argument: Sie haben den Kampf von FARC und PFLP mit dem Widerstand in Dänemark gegen die deutsche Wehrmacht während des Zweiten Weltkrieges verglichen.

Natürlich, denn auch damals wurde dieser Widerstand als „Terrorismus“ bezeichnet. Vor kurzem aber erst hat Dänemarks Premierminister Anders Fogh Rasmussen die heldenhaften Widerstandkämpfer als „wahre Sieger“ des Krieges bezeichnet. Es gibt weitere Parallelen: Während der 80er Jahre haben viele europäische Regierungen den bewaffneten Kampf des ANC in Südafrika verurteilt. Heute wird Nelson Mandela international Hochachtung entgegengebracht. Damals wie heute wehrten und wehren sich Menschen gegen Unterdrückung, Folter und Massaker in allen Teilen der Welt. Dieser Widerstand ist weitgehend durch die UN-Resolution 42/159 aus dem Jahr 1987 gedeckt.

F: Haben Sie vor Ihrer Spendenkampagne mit Problemen gerechnet?

Wir haben uns offen gegen die Antiterrorgesetze gewandt. Sie fördern eine für die politische Kultur schädliche Selbstzensur, weil immer das Damoklesschwert der juristischen Sanktion über Solidaritätsgruppen schwebt. Entsprechend fielen die Reaktionen aus. Politiker aus dem rechten Lager forderten Haftstrafen und das Verbot von Oprør. Wir hätten ein politisches Strafverfahren aber durchaus begrüßt, weil in einer solchen Verhandlung nur die Legitimität des bewaffneten Widerstandes in Palästina wie in Kolumbien verdeutlicht worden wäre.

F: Vor wenigen Tagen sind die Ermittlungen jedoch eingestellt worden …

… was weniger mit einer fortschrittlichen politischen Haltung des dänischen Staates zu erklären ist. Das offizielle Argument lautete: Mangel an Beweisen. Und das, obwohl Fotos von der Geldübergabe und Dankschreiben beider Gruppen vorlagen. Wir gehen davon aus, daß ein langwieriges politisches Verfahren vermieden werden sollte, in dem auch die schändliche Rolle Dänemarks im US-Krieg „gegen den Terror“ thematisiert worden wäre.

F: In Deutschland tobt innerhalb der Linken eine heftige Diskussion über die Haltung zum irakischen Widerstand. Was ist Ihre Meinung?

Die andauernde Besatzung von Irak ist brutal und völkerrechtswidrig. Wir bezeichnen den bewaffneten Widerstand im Irak aus eben jenen Gründen als legitim, die uns auch zu der Unterstützung von FARC und PFLP bewogen haben.

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