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Die SPÖ bietet allen etwas!

5. Februar 2005

Counter-Veranstaltung der SPÖ zu Wahlen im Irak

DIE SPÖ BIETET ALLEN ETWAS!

Auf einer ihrer Counter-Veranstaltungen verschaffte sich Edlinger Gehör und bezeichnete die jetzigen Wahlen im Irak als Erpressung.

Mit einem skandalösen Eklat und Schreiorgien, in erster Linie seitens des Organisators, ist am 19. 1. eine Veranstaltung der „Sozialdemokratischen“ Partei Österreichs – wenn man das denn eine Veranstaltung nennen darf – im Chaos geendet.

Auf eine Podiumsdiskussion zum Thema Irak waren ausschließlich reaktionäre Kräfte geladen: der sozialdemokratische Bezirksrat Omar al-Rawi, von einem Elternteil her Iraker – er hat während der ganzen Embargozeit geschwiegen, bei seiner ersten Wahlkampagne forderte er die strikte Trennung von Jungen und Mädchen in öffentlichen Bädern, hat sich also als Adept der Khomeini´schen Sexuellen Apartheid geoutet, er ließ sich kürzlich mit anderen regierungs- und staatskompatiblen „Vertretern“ der Moslems Österreichs von der US-Botschaft in ein Wiener Luxushotel zum Essen laden; der neurechte Schmidinger, der, im Rahmen des Instituts für Politikwissenschaft im vergangenen Semester an der Universität Wien einen Lehrauftrag über „Politischen Islam“ abhielt; ein an sich unbekannter Lehrer an einer HTL in St. Pölten namens Diyar Bajalan, der auch Obmann eines Vereins für Menschenrechte in Kurdistan ist; und, zu ihnen in einigem Kontrast muß man doch sagen, der Obmann Edlinger, der die radikale außerparlamentarische Linke im allgemeinen verschmäht und geringschätzt, aber gelegentlich in der Tradition der Kreisky´schen Außenpolitik ganz brauchbare Analysen liefert, wie auch an diesem denkwürdigen Abend, wo er verdienstvoller Weise die Legitimität der gerade ablaufenden irakischen Wahlen in Frage gestellt und sie als „Erpressung“ bezeichnet hat.

Die unabhängige Linke, die antiimperialistischen Kräfte waren zur Diskussionsrunde nicht geladen – sonst macht man „Diskussionsrunden“ doch jetzt gerne mit sehr „kontroversiellen“, gegensätzlichen Kräften, also etwa einer Hure und einem Zuhälter, alle sollen berücksichtigt werden. … Aber hier war man unter sich. Das definierte der Moderator, der an sich unbekannte Bezirksrat Ernst Woller, er ist auch Bildungssekretär der SPÖ Wien, etwas näher: „Alle sind hier österreichische Staatsbürger, alle Mitglieder oder in einem gewissen Nahverhältnis zur SPÖ“ und wies auf die Podiumsrunde. Huis clos sozusagen.

Den Veranstaltungsort kennt ja an sich kein Schwein, Zeichen für die nicht vorhandene kulturpolitische Präsenz der „S“PÖ in der Wiener Linken. Im Publikum waren zum großen Teil Amerika- und kriegsfreundliche Kräfte, die zu mehreren Malen lautstark und primitiv auf sich aufmerksam machten und auch darin brillierten, daß sie häufig Beiträge von Frauen unterbrachen. Damit sind ganz konkret Angehörige eines immigrierten Mittelstandes aus der Region, deren Vertreter vollkommen ungebrochen chauvinistische Verhaltensweisen an den Tag legten und sich angepaßter gerieren als nur irgendein „Österreicher“. Einige antinationale und ex-anarchistische Aussonderungen des EKH waren außerdem noch anwesend und machten zum Teil dadurch auf sich aufmerksam, daß sie während der Veranstaltung vor dem Saal, in dem die Diskussion stattfand, lärmten, lachten und störten. Sie versuchten, die Unkultur des EKH in eine Veranstaltung hineinzubringen, die doch, wenigstens zeitweilig, einigen formalen Ansprüchen genüge tat.

Etwas schleppend begann Ernst Woller: „Einen schönen guten Abend. Ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen bei unserer heutigen Diskussionsveranstaltung zur politischen Situation im Irak. Ich danke sehr herzlich für Ihr zahlreiches Kommen, offensichtlich hört man das Mikrofon hinten doch nicht. Hört man´s jetzt?“ Jemand ruft familiär dazwischen: „Du muasst laut reden, bist a Politiker, a Politiker muass laut reden kennan!“

Ein neuer Anlauf: „Also: ich möchte Sie noch einmal sehr, sehr herzlich begrüßen bei uns hier im Wiener Bildungszentrum der SPÖ bei einer Veranstaltung über die politische Situation im Irak. Ich danke sehr herzlich für Ihr zahlreiches Kommen. … Es freut mich, daß sehr viele Besucher und Besucherinnen gekommen sind, die sonst nicht bei unseren Veranstaltungen sind (Woher kamen die Leute? AuO). Damit möchte ich zuerst mich vorstellen: Mein Name ist Ernst Woller. Ich bin Vorsitzender der Wiener Bildungsorganisation der SPÖ und Mitglied des Wiener Gemeinderats (Das ist keine Empfehlung!). … Das Bildungszentrum ist ein Ort der politischen Bildung, der kulturellen Arbeit, der politischen Auseinandersetzung seit vielen, vielen Jahrzehnten, hat große Tradition, und wir freuen uns, daß wir Sie heute das erste Mal in der Praterstraße begrüßen können (Es ist wahrlich eine Aufbruchsstimmung! AuO).

Der eigentliche Anlaß sind natürlich die Wahlen am dreißigsten Jänner … und daher haben wir gemeint, es ist auch die Aufgabe einer großen sozialistischen Bildungsorganisation, das mit Menschen zu diskutieren, die der Sozialdemokratie verbunden sind (ist im Falle von Aug und Ohr nicht der Fall), die mit dem Thema konfrontiert sind, und das ist der Grund, warum wir zur heutigen Veranstaltung auch gerade dieses Podium hier eingeladen haben.

Es sind die ersten freien Wahlen am 30. Jänner im Gesamtirak. Es hat bereits in kurdischen … (zögert) Regionen freie Wahlen gegeben im Jahr 1992. Ich war damals einer der Wahlbeobachter der Stadt Wien und habe damals schon erleben können, in welch anderer Form Wahlen in … (zögert wieder etwas) Kurdistan oder im Nordirak stattfinden, als man vielleicht hier gewohnt ist. … Es gibt jetzt die ersten freien Wahlen im Gesamtirak, und das ist wie gesagt der Grund, warum wir über die Situation davor … und was das vielleicht auch nachher für Auswirkungen haben kann, hier diskutieren wollen.“ (Stellt in der Folge die Referenten vor).

Salbungsvoll und tragisch, langsam hebt Schmidinger zu sprechen an. Er spricht aber nicht von dem Grauen und dem Schrecken, das die Amerikaner und ihre miesen Verbündeten tagtäglich unter der Zivilbevölkerung anrichten, sondern sein klares Auge ist ganz auf die Vergangenheit gerichtet: Saddams Untaten scheinen ihm das einzige Thema zu sein, aus dem heraus sich alles Weitere erkennen lässt. Es ist eine besondere Art von Geschichtsschreibung.

Widerstand existiert für ihn nicht. Die Kräfte, die de facto Widerstand gegen die Diktatur der Besatzer leisten, werden von ihm warlords genannt, als sei das Phänomen politischer Widerstand auf die Kategorie von kriegsführenden regionalen Söldnerfürsten zu reduzieren. Mit unglaublicher Empörung richtet er sich noch heute gegen die baathistisch(-westliche) Diktatur der Vergangenheit, Aufstand wird von ihm reduziert auf den antagonismusfreien und beliebigen Schaltbegriff „Bürgerkrieg“, ja darüber hinaus und noch verwischender, auf „bürgerkriegsähnliche Zustände“. Wenn Jugendliche rebellieren, dann wird das bekanntlich in der Presse zu „Krawallen“, wenn ganze Völker rebellieren, dann sind das nichts als bürgerkriegsähnliche Zustände, mit einem Wort Chaos. Ein demagogischer Reduktionismus.

Dagegen muß eines gesagt werden: Es gibt keinen Bürgerkrieg im Irak, es gibt einen Krieg der Bevölkerung gegen die Amerikaner! Wenn er das als Bürgerkrieg bezeichnet, dann frage ich mich, durch welche wissenschaftsfremden Beförderungskanäle solche Leute, die sich derartiger verzerrender Impräzisionen bedienen, in Wien zu wissenschaftlichen Posten gelangen!

Hören wir ihn nur selbst. Er beginnt mit einer gekonnten dreistufigen rhetorischen Steigerung.

„Die Situation im Irak ist sehr schwierig, sie ist in einigen Teilen des Landes katastrophal, vor zwei Jahren war sie jedoch hoffnungslos. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Situation im Irak heute das Resultat einer Geschichte von 35 Jahren baathistischer Diktatur ist, einer Diktatur, die 4 Millionen Iraker ins Ausland vertrieben hat, eine Diktatur, die rund 1 …½ Millionen Irakerinnen und Irakern das Leben gekostet hat. Es gibt dabei unterschiedliche Zahlen. Da sehr viele verschwunden sind, weiß man bis heute nicht einmal, wie vielen Menschen diese Diktatur das Leben gekostet hat.

Warum stell ich das an den Anfang meines Eingangsstatements? Nicht weil´s hier um die Geschichte des Irak geht, sondern weil wir die gegenwärtige Situation nicht ohne diese Geschichte von Diktatur, Massakern, Vertreibungen verstehen können. Die Tatsache, daß heute der Irak ein Land unter Besatzung ist, die Tatsache, daß in diesem Land große Teile des Zentraliraks nicht unter Kontrolle der Regierung stehen, sondern in bürgerkriegsähnlichen Situationen unter wechselnder Herrschaft von warlords stehen, ist ein Resultat dieser Politik, ist ein Resultat dessen, daß der irakische Staat unter der Herrschaft einer korrupten, brutalen Clique um Saddam Hussein als Staat zumindest in den neunziger Jahren ausgehöhlt worden ist. Das irakische Regime hat sich bereits nach der Niederlage im 2. Golfkrieg, oder, je nach Zählung, im ersten sagen manche, also 1991, weitgehend seiner staatlichen Strukturen selbst beraubt und die staatlichen Funktionen im wesentlichen auf reine Repressionsapparate reduziert. Im Irak hat nach 1991 nichts mehr funktioniert außer dem Geheimdienst, der Bereicherung einer kleinen Clique um Saddam Hussein und Teilen der Armee. Daß auch die Armee als Gesamtes nicht mehr funktionierte, hat der relativ kurze Krieg 2003 bewiesen, in dem dieser Staat einfach kollabiert ist. Der überwiegende Teil der irakischen Bevölkerung hat den Sturz Saddam Husseins begrüßt, unabhängig davon, ob sie eine Freude damit hatten, daß die US-Armee diesen Sturz herbeigeführt hatte. Es war nun einmal gemeinsam mit der britischen Armee die einzige, die das getan hat.

Nach dem April 2003 hat´s im Irak eine deutliche Aufbruchsstimmung gegeben, insbesondere in den Gebieten im Südirak und im Norden, wo besonders viel Repression des Regimes anwesend war, also in den schiitischen und kurdischen Gebieten, aber durchaus auch in der von verschiedensten Bevölkerungsgruppen bewohnten Hauptstadt Bagdad und auch in Teilen des Zentralirak. Allerdings waren eben keine Institutionen dieses Staates mehr vorhanden, und sowohl Teile der irakischen Opposition als auch die US-Truppen haben wohl die innere Verrottung dieses Staates unterschätzt und damit auch den Aufwand, den es bedeuten wird, diesen Staat neu von Grund auf aufzubauen. Trotzdem: die Bilder, die Sie in den Medien jeden Tag aus dem Irak sehen, sind nur ein Teil der irakischen Realität. Es ist in den eineinhalb Jahren seit dem Sturz Saddams sehr, sehr vieles falsch gelaufen, es ist aber auch sehr vieles gelungen.

Ich selbst war im Sommer das letzte Mal im Irak, im Norden, und ich habe auch dort in den kurdischen Gebieten immer noch die Aufbruchsstimmung gesehen, ich habe gesehen, was dort an Investitionen, an Aufbau geschieht, ich hab gesehen, daß die Leute zum ersten Mal keine Angst mehr vor einer Rückkehr der Baathisten haben, und ich hab ähnliche Nachrichten auch von Freunden aus Bagdad und aus dem Süden bekommen. Insbesondere der wirtschaftliche Wiederaufbau des Landes ist hier beeindruckend, die Löhne sind wesentlich höher heute und es stimmt auch nicht, daß nichts funktioniert. Der Irak produziert heute etwa 40 % mehr Strom als zu Saddams Zeiten. Er wird nur anders verteilt. Und es gibt 60 % mehr Verbrauch an Strom.

Früher war´s so, daß in Bagdad alles relativ gut funktioniert hat, daß in Tikrit und in den Regionen, in denen Saddam Hussein seine Machtbasis hatte, alles funktioniert hat, aber in Basra, in Nadjaf nichts funktioniert hat. Mittlerweile sind in Basra große Teile der Abwasserkanalisation wieder hergerichtet worden, und der Bevölkerung im Südirak geht es besser wie vor dem Sturz Saddam Husseins.

Es stimmt, daß vieles nicht funktioniert, in den Spitälern herrscht weiter Mangel. Allerdings arbeiten heute weit mehr Spitäler als unter Saddam Hussein. Damals hatten von 272 Spitälern nur 180 gearbeitet, heute funktionieren zumindest alle wieder. Das sind Zahlen einer irakischen Ärztevereinigung (mit einer gewissen müden, selbstzufriedenen Stimme, die vielleicht das Erbe eines taedium vitae ist, das er im EKH erfahren haben mag).

Der Irak hat ein sehr, sehr großes Problem, und dieses Problem heißt Terrorismus, dieses Problem heißt Sicherheit. (Spricht hier der Sicherheitsberater der US-Regierung?) Es ist die irakische Bevölkerung, die mittlerweilen primär unter dem Terror leidet, es sterben relativ wenige Besatzungssoldaten. Wer im Irak derzeit durch Bombenanschläge, Heckenschützen, Selbstmordattentäter stirbt, das sind Schulkinder in Schulbussen, das sind Marktbesucher, das sind Menschen, die schlicht und einfach ein normales Leben wollen. Dieser Terror zerstört auch die Infrastruktur, und es entsteht dadurch ein Wettlaufen: Strom- und Telefonleitungen werden repariert und werden wieder zerstört. Denn das Ziel dieser Gruppen ist schlicht und einfach eines: nämlich die Demokratisierung des Irak zu verhindern (er ist unmerklich schneller und schärfer geworden, AuO).

Denn ein demokratischer und föderaler Irak wäre durchaus auch ein Beispiel für die gesamte Region, und deshalb gibt es leider auch einige Nachbarstaaten des Irak, die die Terrorgruppen unterstützen und die ein Interesse daran haben, daß dies scheitert. Auch in Europa gibt es leider sehr viele politische Kräfte, die ein Interesse an diesem Scheitern haben, und zwar schlicht und einfach deshalb, weil sie in einer Rivalität mit der USA jeden Erfolg im Irak verhindern wollen (mit einer ein wenig lässigen, beinah brüchigen Stimme, die die Eigenart mancher bürgerlicher, saturierter Intellektuellen hierzulande ist).

Dazu weama aber vielleicht später noch kommen, es gibt ja auch hier am Podium Vertreter, die bis zu einem bestimmten Grad mit dem, was sie wahrscheinlich irakischen Widerstand nennen, sympathisieren, aber dazu weama dann später in einer Antwortrunde wahrscheinlich noch kommen.

Das Problem des Irak ist, daß die irakische Übergangsregierung das Territorium, in dem die Wahlen stattfinden sollen, nicht völlig kontrolliert. Die Wahlen werden deshalb wahrscheinlich auch nicht überall stattfinden können. Dort, wo sie stattfinden werden, sind sie aber die ersten freien Wahlen im Irak seit Jahrzehnten und sind sie eine Möglichkeit, daß die irakische Bevölkerung selbst ihr Übergangsparlament wählt. Welches Resultat diese Wahlen auch immer haben mögen – daß sie stattfinden, ist ein Fortschritt und zeigt auch, was aus dem Irak in eineinhalb Jahren geworden ist, und den Willen, den Irak zu einem demokratischen Land umzugestalten, den hat die irakische Bevölkerung trotz des Terrors bewiesen.“ (Applaus)

Wir erfahren also, dass der Süden des Irak zu einer blühenden, ja beinahe schon befreiten Landschaft geworden ist.

Das Genozid-Embargo kommt in seiner amerikanischen Geschichtsschreibung nicht vor.

Und gegen Schmidingers Versorgungsjubel schreibt unter vielen anderen John O. Pastore auf der Seite der Ärzte gegen Atomkrieg am 28. Mai des vergangenen Jahres: „Die Krankenhäuser des Irak gleichen Ruinen – 80% der Patienten leiden bei ihrer Entlassung an Infektionen, die sie bei der Einlieferung nicht hatten.“ (1) Allein im Lichte dieses einzelnen Faktums kann eine Formulierung wie „heute funktionieren zumindest alle wieder“ nicht aufrechterhalten werden und entpuppt sich als grobe, täuschende Zweckbehauptung.

Zu einem interessanten Streitforum gestaltet es sich in der Folge, als Fritz Edlinger, Präsident der Österreichisch-Arabischen Gesellschaft (2,) darauf eine politische Antwort gibt, die mehrere Male von uninformierten, empörten Zwischenrufern gestört wird.

„Es ist schwierig, über ein Land zu sprechen, wo es offensichtlich mehrere Realitäten gibt. Ich bin vor wenigen Monaten aus Basra zurückgekommen, und ich hab einfach den Irak nicht gesehen, den gerade mein Vorredner gesehen hat. (Verbessert sich:) Ich war nicht in Basra, sondern in Suleymania und Erbil, aber es ist am Papier noch ein Land!

Daher möchte ich auch schon in meiner ersten Runde auf einige Dinge eingehen, damit das nicht zu lange unwidersprochen oder unkommentiert bleibt. Aber vorneweg eine Stellungnahme, damit nicht irgendwelche Verdächtigungen weiter im Raum stehen bleiben.

Ich bin sehr froh, daß die Diktatur der Baath-Partei und Saddam Husseins weg ist, das ist ein immenser Fortschritt für den Irak, für das irakische Volk und für die gesamte Region. Das ist überhaupt keine Frage, und ich würde auch für die heutige Diskussion und für spätere Diskussionen eigentlich davor warnen, daß man sich selbst irgendeinen Popanz aufbaut und dann auf diesen hinschlägt und ihn vernichtet. Das bringt weder in der Diskussion einen Fortschritt, noch dient es dem Wahrheitsgehalt der Diskussion. Also: es ist überhaupt keine Frage, daß es erfreulich war, daß diese Diktatur wegkommt.

Wo wir uns wahrscheinlich dann sehr bald wieder trennen werden, ist die Art und Weise, wie dieser Sturz der Saddam´schen Diktatur zustandegekommen ist. Es ist ein Faktum, daß die US-britische Invasion illegal, völkerrechtswidrig ist, und daß sie durch nichts, was immer nachher geschehen kann, besser gemacht werden kann. Das ist eine klare Feststellung. Es gibt keinen Beschluß durch irgendein international legitimiertes Gremium für diese Militärintervention im Irak. Es gibt einen Beschluß von zwei Regierungen, die einseitig einfach einen Schurkenstaat beseitigt haben.

Damit möchte ich auch noch zu Beginn eine Stellungnahme abgeben zu Themen, die nicht unmittelbar den Irak betreffen, aber mittelbar sehr wohl. Die jüngere Geschichte des Irak wäre unvorstellbar, wenn man nicht die gesamte internationalen geopolitischen Entwicklungen seit der Wahl der Regierung Bush I in Betracht zieht. Es hat sich einfach, vor vier Jahren etwa, ganz Wesentliches in der Weltpolitik geändert. Es sind Dinge, die vorher nur in irgendwelchen Braintrusts von neokonservativen Außenseitern gedacht und geschrieben wurden und in Leserbriefen und Memoranden auch in Washington herumgeschickt wurden, plötzlich zum Maßstab der Regierungspolitik der einzigen Weltmacht geworden. Es ist schlicht und einfach vor vier Jahren in der internationalen Politik das Prinzip des Faustrechtes wieder eingeführt worden, das Prinzip „Der Stärkere hat Recht“, und nicht das Prinzip, daß Recht recht hat.

Und in diesem Zusammenhang ist einfach die Geschichte des Irak ein ganz wesentliches Exerzierfeld!

Ich habe mit dem Irak unterschiedlich und sehr lange zu tun gehabt. Wie manche von Ihnen wissen, komme ich ja aus der sozialistischen Jugendbewegung, und die sozialistische Jugendbewegung in diesem Land war vor Jahrzehnten sehr – und ich sehe einige, sogar im Saal, die ich damals gekannt habe und kennengelernt habe – wir waren sehr daran beteiligt, ,,, Tausenden aus dem Irak Vertriebenen in Österreich Asyl zu geben.

Es ist einfach falsch, wenn hier völlig verzerrte Frontstellungen aufgebaut werden. Es geht hier nicht allein um Kurden, Schiiten und Sunniten.

Ich habe manche kurdischen Freunde, mit denen ich ganz offen und ohne irgendwelche taktischen Kalküle diskutieren kann, und ich frage sie immer: Habt ihr nicht gelernt aus der Geschichte der Neunzigerjahre? Aus eurer eigenen Geschichte? Ihr wurdet schon einmal ins Feld geschickt, mit Flugzetteln, mit Waffen ausgestattet! Und wie ihr knapp vor dem Sieg wart, haben die, die euch dort hingeschickt haben, euch im Stich gelassen! Habt ihr nicht daraus gelernt? Macht ihr dasselbe jetzt nochmals?

Ich hoffe nicht. Ich hoffe, daß die amerikanische Besatzung – und es ist eine amerikanische Besatzung – im Irak nicht in Wirklichkeit wieder irakische Leute für amerikanische Großmachtinteressen missbraucht, wie es schon im Irak passiert ist und wie es im Nahen Osten jeden Tag in anderen Ländern immer wieder passiert. Und das ist etwas, was man nicht vergessen kann, wenn man über den Irak diskutiert.

Ein Wort zu den Wahlen. Ich begrüße diese Wahlen sehr. Es ist nur ein kleiner historischer Fehler, wenn man sagt, es sind die ersten freien Wahlen im Irak (Schmidinger: Seit Jahrzehnten!) … Man muß das präzise sagen! Die Saddam´sche Diktatur hat in Wirklichkeit eine damals schon für wenige Jahre bestehende bürgerliche, mehr oder minder bürgerliche Demokratie im Irak weggeputscht, und es hat jede Menge von irakischen Parteien schon gegeben, die bei Wahlen kandidiert haben und die auch heute wieder aufstehen. Die Kommunistische Partei Iraks ist eine der ältesten und traditionsreichsten Parteien, älter als die Baath-Partei, sie war auch das erste Opfer der Baath-Partei bei deren Machtübernahme.

Es ist nicht so, daß in Wirklichkeit der Irak überhaupt nur geprägt ist von 35 Jahren Baath-Diktatur, sondern der Irak ist ein altes, geschichtsträchtiges Land und hat viele, viele Traditionen, und diese Traditionen gilt es, aus dem Irak herauszuschöpfen, und nicht durch eine Implantation aus Washington und London!

Und deswegen war ich gegen diesen Krieg, gegen diese Invasion. Es hätte wahrscheinlich länger gedauert, die Diktatur zu beseitigen, aber wenn nur ein Bruchteil jener Mittel, die jetzt jeden Tag für die Bewachung der amerikanischen und britischen Soldaten im Irak ausgegeben werden – das spielt heute keine Rolle, Milliarden pro Monat werden herausgeworfen! – wenn das seinerzeit ausgegeben worden wäre, dann wäre Saddam kein Jahr länger geblieben.

Und wenn nicht noch etwas gewesen wäre, und das soll man nicht so schön … mit dem Mantel der Verschwiegenheit zudecken: Saddam war viele, viele Jahre einfach American Baby dort, und Saddam Hussein ist groß geworden, und auch seine Waffen, die er dann eingesetzt hat gegen Iraner, gegen Kurden, gegen Schiiten, gegen Kuweitis, waren amerikanische Waffen (einer brüllt wütend dazwischen: Lüge!), auch europäische Waffen, aber das soll man nicht vergessen, daß hier nicht nur eine Seite immer gut, und eine Seite immer schlecht war. Insofern begrüße ich auch diese Wahlen, aber das sind Wahlen unter Besatzung.

Ich bin vor einigen Tagen von einer anderen Wahl zurück nach Wien gekommen.

Es gibt hier durchaus Vergleiche zu ziehen. Wenn Wahlen stattfinden, wo die Wähler an bewaffneten Soldaten einer fremden Macht vorbeidefilieren müssen, ist das keine freie Wahl! Das ist eine Erpressung! (3)

Und wenn im Irak die Eintragung in die Wahllisten in Wirklichkeit mit der Eintragung in die Lebensmittelkartenlisten junktimiert wurde, ist das ein mieser Trick … wohl wissend, daß es Regionen im Irak gibt, heute noch gibt, die deswegen nicht an der Wahl teilnehmen können, weil … diese Regionen – das sind zufällig die meisten sunnitischen Städte im Sunnitischen Dreieck – zu dieser Zeit einfach von der amerikanischen Armee und von ihren irakischen Nationalgarden besetzt waren und bekriegt waren, und daher konnte man (jemand schreit wieder unartikuliert dazwischen) dort leider keine Essensmarkenlisten auflegen. Das ist keine freie Wahl!

Und es wird auch der Herr Allawi nicht mehr Legitimation nach dem 30. Jänner haben, als er jetzt hat. Er wird sich seine Legitimation durch Arbeit und durch einen nationalen Dialog erarbeiten müssen, und nicht durch amerikanische und britische Waffen.“ (4)

So weit der erste Teil des Berichts.

In einem zweiten Teil wird gezeigt werden, wie die Veranstaltung durch den Veranstalter vollkommen willkürlich abgebrochen wird, sodaß wir ein abgerundetes Bild von den Zuständen bekommen, die bei sozialdemokratischen Diskussionen herrschen.

(1) John O. Pastore, David Rush: Iraq and Smart Security, International Physicians for the Prevention of Nuclear War
http://www.ippnw.org/IraqSmartSecurityOpEd.html

(2) http://www.saar.at/

(3) Verdienstvollerweise hat die APA eben diese Stelle in einer Aussendung zitiert. Pfeifer (ehedem bei der Killergang Palmach) kritisiert gerade dies. Was aber wirklich zu kritisieren wäre, ist, daß das verdienstvolle Zitat der APA, so wie ich es sehe, der österreichüblichen Pressezensur zum Opfer gefallen ist. Vgl. Karl Pfeifer: Die Situation im Irak, http://www.hagalil.com/archiv/2005/01/irak.htm

Pfeifer ist untröstlich darüber, daß ein Podiumsteilnehmer „gänzlich“ wegzensuriert wird, nämlich Schmidinger, eine Leuchte der Wissenschaft: “ … neben den drei oben genannten Teilnehmern saß auch Thomas Schmidinger vom Wadi-Verband für Krisenhilfe und solidarische Entwicklungszusammenarbeit auf dem Podium.“ Was soll man mehr über ihn sagen? Pfeifer klagt, er werde lediglich mit diesem „halben Satz erwähnt“, und meint: “ … einen Podiumsteilnehmer gänzlich wegzuzensurieren ist vielleicht bei gewissen Parteipressediensten üblich, dürfte jedoch nicht bei einem sich „unabhängig“ nennenden Medium vorkommen.“ Ja wirklich, so was ist noch nicht vorgekommen, dass ein Teilnehmer einer politischen Diskussion in Wien von der APA nicht erwähnt wurde …

Daher müßten wir auch an diesem Beispiel merken, „wie wenig informativ, unabhängig, verlässlich und ausgewogen gelegentlich berichtet wird.“

Spricht daraus nicht eine maßlose Selbstüberschätzung seines demagogischen Lagers?

Weiß denn der Herr Pfeifer nicht, dass nur, was staatskompatibel ist, in den österreichischen Medien erwähnt wird, und das alles, was staatsinkompatible Aktivitäten, ja auch nur Gedanken betrifft, in diesem Land Österreich mehr als anderswo wegzensuriert wird? Ist ihm Zensur was Neues? Weiß er nicht, dass wir in einer Mediendiktatur leben?

Wenn er aber die Medienpräsenz Schmidingers einfordert, dann spielt er entweder naiv, oder er fordert eigentlich die einem reaktionären Element zustehende Präsenz in den Staatsmedien ein – setzt damit natürlich die Staatskompatibilität Schmidingers voraus.

Womit er nicht so unrecht hätte. Die APA und die Medien lassen sich halt nur Zeit! Weiß Pfeifer nicht, dass er in Österreich ist? Die Medien hier sind nur langsam und haben noch nicht erkannt, dass Schmidinger vielleicht schon bei der Partei ist, in ihrer Nähe oder gar Parteimitglied, er ist Universitätslektor, und ist von einem anarchoiden Bereich, dem des EKH, in einen präsentableren, bürgerlichen Bereich aufgestiegen, und er redet den Amerikanern nach dem Munde.

Fordert Pfeifer nicht Akzeptanz bürgerlicher Politik durch bürgerliche Instanzen? Damit soll er aber uns in Ruh lassen!

Wohlweislich führt Pfeifer die absolut demagogischsten, unwissenschaftlichsten und beliebigsten „Argumente“ Schmidingers nicht an: die Hochlobung der angeblichen Blüte in den Lieblingsgebieten der Imperialisten, dem „schiitischen“ Süden und dem „kurdischen“ Norden; die Anklage der „Verkommenheit“ des Saddam Hussein´sches Staates, ohne daß der Verelendungsfaktor Embargo auch nur erwähnt wird; die angeblich gut funktionierende Gesundheitsversorgung. Hätte er die Passagen zitiert, hätte er sich auch vor seinen Anhängern, die diese denkwürdige Veranstaltung nicht miterlebt haben, lächerlich gemacht.

(4) Sogar Edlingers dubioser Satz, mit dem er im Grunde die Akzeptanz Allawis festmacht und dessen Legitimität im Rahmen eines „Nationalen Dialogs“, einem den Sozialdemokraten offenbar lieben Versöhnungskonzept, herausputzt, sogar das wird von Pfeifer verärgert und mit Distanz zitiert, er ist schier und darüber verblüfft, dass Edlinger der Legitimierung „durch amerikanische und britische Waffen“ keine Priorität zuerkennt.

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