Eine Replik auf die Aussendung des Verlags Neue Einheit
Werte Freundinnen und Freunde der „Neuen Einheit“
Mit Verwunderung haben wir Euren etwas einfältigen Kommentar zum geplanten Irak-Kongress in Berlin gelesen – Überschrift: „Sollen ultrarechte und Nazi-Thesen im Raum stehen bleiben?!“ Wir finden es tragisch, wenn Leute, die sich als Revolutionäre bezeichnen, den Blödsinn des politisch-korrekten Liberalismus übernehmen, auch wenn er mit alten Dogmen unterfüttert wird.
Die im Raum stehenden Nazi-Thesen kommen angeblich von der IPA (Irakische Patriotische Allianz). Wir sehen in Eurem Text:
„In [einem] Papier [der IPA] fällt auf, daß von einer „zionistisch-imperialistischen Okkupation“ oder auch direkt von einer „zionistischen Okkupation“ des Irak gesprochen wird. Dies muß entschieden zu Bedenken führen. Im Irak existiert eine Okkupation seitens der USA und ihrer Verbündeten. Der Zionismus hat eine besondere Vorhutfunktion im Mittleren Osten, aber er ist nicht identisch mit dem US-Imperialismus. Zu behaupten, daß der Zionismus die Okkupation im Irak betreibe, heißt nichts anderes als zu unterstellen, daß der Zionismus die USA in der Hand hat. Wessen These das ist, brauchen wir eigentlich kaum zu erläutern – das ist eine ganz rechte These!“
Dieser Absatz – und das brauchen wir eigentlich kaum zu erläutern – ist ein ganz dummer Absatz. Ihr entkleidet Eure Kategorien jedes historisch-konkreten Inhalts. Das gilt sowohl für die Kategorie „rechts“, als auch für den „Nazi“ und den unausgesprochenen aber klar implizierten „Antisemitismus“. Wir wollen das an Eurer statt versuchen: Der europäische Antisemitismus bedeutete den Ausschluss der Juden, um damit eine imperialistische klassenübergreifende „Volksgemeinschaft“ herzustellen. Wenn man vom Liberalismus absieht, dann ist der Antisemitismus die wesentliche Gegenthese zum Klassenkampf. Der Nationalsozialismus ist nicht denkbar ohne das Bündnis mit dem imperialistischen Kapital. Und die Kategorie „rechts“ kann, wenn sie einigermaßen Sinn geben soll, im Irak nur das Bündnis mit den USA bedeuten.
Wir wollen nun die IPA in diesen Kategorien deklinieren. Nicht Zusammenarbeit, sondern Widerstand gegen die Besatzung. Nicht Bündnis, sondern Widerstand gegen das imperialistische Kapital. Nicht Aussöhnung mit dem herrschenden Weltsystem, sondern Klassenkampf, denn der Kampf der unterdrückten Völker gegen die imperiale Aggression ist ohne Zweifel Klassenkampf. Man mag viele Dinge an der IPA kritisieren, aber sie ist, um in Eurer Diktion zu bleiben, eine „ganz“ linke Organisation (wenn sie auch nicht kommunistisch ist). Das schematische Übertragen von europäischen Kategorien der 30er Jahre ist völlig unzulässig. Im Übrigen ist die „zionistische Besatzung“ kein Hauptelement der Analyse der IPA und, wenn es auch richtig ist, dass Israel den Irak nicht besetzt hält, ist es ebenso unzweifelhaft richtig, dass Israel als Staat entscheidendes Interesse an der Schwächung aller möglichen Herausforderer in der Region hat.
Als zweites scheint ihr Euch an der Forderung der IPA für freie Wahlen nach dem Ende der Besatzung zu stoßen – auch wenn das diesmal scheinbar keine „ganz rechte“ Nazi-Forderung ist. Weil: „Wie können im Irak freie Wahlen stattfinden, ohne daß es eine klare Plattform einer demokratischen Front gibt, die dann diese demokratischen Wahlen auch durchsetzt?“ Wir glauben Euch kein Unrecht zu tun, wenn wir die „demokratische Front“ als eine für Euch notwendigerweise von Kommunisten geführte Organisation verstehen. Wer also die Forderung nach freien Wahlen aufstellt, ohne im vorhinein die Kontrolle der Kommunisten darüber gewährleisten zu können, der: „bereitet den konfessionalistische[n] Irak durch die Hintertür vor“. Die islamischen Kräfte sind zu bekämpfen. Die „Saddam Gruppe“ sowieso. Die IPA vertritt Nazi-Thesen. Kein Wunder, dass ihr feststellen müsst: „Die Lage im Irak ist kompliziert.“ Weil der irakische Widerstand nicht kommunistisch ist, darf man ihn nicht unterstützen. Merke: Der größte Opportunismus kann sich hinter sterilen revolutionären Phrasen verstecken.
Wir teilen Euch jetzt unsere These mit, die könnt ihr für „ganz rechts“ halten, oder auch nicht: Der irakische Widerstand ist legitim, weil der Irak ein Recht auf nationale Selbstbestimmung hat. Der irakische Widerstand ist ein Teil des internationalen Klassenkampfes, weil er in Frontstellung mit der imperialistischen Bourgeoisie steht – auch wenn er nicht kommunistisch ist. Die Situation im Irak ist schwierig (weil der Feind extrem stark ist). Aber sie ist ganz und gar nicht „kompliziert“. In der unmittelbaren Konfrontation zwischen der imperialistischen Bourgeoisie und den Ausgebeuteten und Unterdrückten muss jeder wissen, auf welcher Seite er steht.
Antiimperialistische Koordination
Initiativ e.V.
8. Februar 2005
Aussendungstext des Verlags neue Einheit:
www.neue-einheit.com