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Protestbrief an das österreichische Außenministerium

21. Februar 2005

Verhalten des Außenministeriums im Fall Sandra Bakutz

An das
Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten
z. H. Frau Bundesministerin Dr. Ursula Plassnik
Ballhausplatz 2
1010 Wien

Wien, am 18. Feber 2005

Betrifft: Ihr Verhalten im Falle der Verhaftung der österreichischen Menschenrechtsaktivistin Sandra Bakutz in der Türkei.

Sehr geehrte Frau Außenministerin,

bezug nehmend sowohl auf die Stellungnahme Ihres Sprechers gegenüber der Delegation, die am 17. Feber in Ihrem Ministerium eine Petition überreicht hat als auch auf den ORF Beitrag vom 18. Feber im ORF Abendjournal protestiere ich auf das Schärfste gegen Ihr mangelndes Engagement in dieser Angelegenheit.

Frau Bakutz ist österreichische Staatsbürgerin und als Redakteurin und Menschenrechtsaktivistin in Österreich tätig. Sie hat angeblich vor Jahren in der Hauptstadt der EU, in Brüssel, an einer Demonstration gegen die unmenschlichen Zustände in den türkischen Gefängnissen teilgenommen, wobei überhaupt nicht klar ist auf welche Demonstration genau sich die Verhaftung von Frau Bakutz bezieht. Alle diese Demonstrationen waren jeweils von den Behörden genehmigt worden, die angebliche Teilnahme von Frau Bakutz daran war also in völliger Übereinstimmung mit den bestehenden Gesetzen! Frau Bakutz hat nie gegen geltendes Recht verstoßen und ihre Verhaftung in der Türkei, in die sie als Teilnehmerin einer Beobachterdelegation an einem politischen Prozess eingereist ist, ist somit als reiner Willkürakt der türkischen Polizei zu sehen. Ihre Pflicht als Außenministerin der Republik Österreich wäre es daher unverzüglich alle Mittel zu ergreifen, um dieses von den türkischen Behörden begangene Unrecht sofort zu beenden, noch dazu, wo Frau Bakutz inzwischen in ein Sondergefängnis für politische Gefangene überstellt wurde, wo nach Aussagen ehemaliger Häftlinge katastrophale Zustände herrschen sollen, gefoltert wird und Frauen auch vergewaltigt wurden. Soweit nochmals die Fakten, Wissensstand des Inhaltes dieses Briefes ist der 18. Feber 2005.

Leider gehen seit Bestehen dieser rechtskonservativen Regierung in Österreich die Uhren anders! Zur Erinnerung:

1) Als vor Jahren während der Demonstrationen in Genua ebenso wie andere Demonstranten auch eine österreichische Gruppe – die Rede ist von der Volxtheaterkarawane – zu Unrecht verhaftet wurde, hat Ihre Amtsvorgängerin, im Gegensatz beispielsweise zur schwedischen Regierung, die sich sofort massiv für die Freilassung ihrer Landsleute eingesetzt und diese auch durchgesetzt hat, nicht nur nichts zur Freilassung dieser Gruppe getan, sondern ganz im Gegenteil deren Lage noch durch erwiesenermaßen unwahre und für die Gruppe negative „Informationen“ zusätzlich verschlimmert, nach dem Motto, sind ja sowieso nur Linke, geschieht ihnen schon recht, vorerst einmal in den Knast mit ihnen! Erst massive Proteste der Öffentlichkeit haben damals Ihre Vorgängerin dazu bewogen ihre Haltung zu ändern. Dann war alles auf einmal nur ein großes Missverständnis!

2) Eine völlig gegenteilige Reaktion gab es dann etliche Zeit später. Als auf dem Balkan Dienst tuende österreichische Sicherheitskräfte in den Verdacht kamen, selbst Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben und eine entsprechende Untersuchung durch eine internationale Behörde zu erwarten war, wurde das sofort dadurch vereitelt dass die inkriminierten Beamten nach Österreich zurückgeholt wurden. Man hat dann von einer Untersuchung der Vorwürfe nichts mehr gehört. Das Argument Ihrer Amtsvorgängerin damals war, man könne doch die armen Sicherheitskräfte nicht den psychischen Belastungen der Untersuchung aussetzen. Einer Untersuchung, die sich sicherlich streng an mitteleuropäisches Recht gehalten hätte. In Genua – wo Unschuldige im Gefängnis saßen – hatte man derartige Bedenken natürlich nicht, ganz im Gegenteil, waren ja nur Linke, geschieht ihnen schon recht, warum wollen sie auch eine bessere und gerechtere Welt!!

Mit Ihrem Amtsantritt hatte man zumindest gehofft, dass sich dieses Messen mit zweierlei Maß ändern wird und Sie sich für alle Österreicherinnen und Österreicher, unabhängig von ihrer jeweiligen politischen Meinung, in gleicher Weise einsetzen werden, wenn sie im Ausland zu Unrecht in Haft kommen. Diese Meinung ist anscheinend zu revidieren.

In jedem Land, jedenfalls aber in Ländern, die eine EU Mitgliedschaft anstreben, sollte die Justiz streng nach den geltenden Gesetzen ablaufen. Dazu gehört, dass jemandem, der in Haft genommen wird, sofort (!) auch der entsprechende Haftgrund bekannt gegeben werden muss, denn sonst wäre die Haft nicht auf der Basis geltender Gesetze erfolgt. Dass sich Ihr Ministerium damit abfindet, dass 8 Tage nach der Festnahme von Frau Bakutz von der Türkei noch nicht einmal ein Haftgrund genannt werden kann ist der deutlichste Beweis dafür, dass diese ganze Verhaftung ein reiner Willkürakt türkischer Behörden ist, um in Zukunft kritische Prozessbeobachter abzuschrecken. Ihr Ministerium wäre deshalb verpflichtet umgehend auch die schärfsten diplomatischen Mittel einzusetzen. Schutz von zu Unrecht verhafteten Österreicherinnen und Österreichern hat hier eindeutig Vorrang vor irgendwelchen diplomatischen oder wirtschaftlichen Rücksichtnahmen, vor allem dann, wenn das inkriminierte Land selbst jede Rücksichtnahme vermissen lässt. Man hat sogar das Gefühl nicht nur Sie nehmen die Sache nicht ernst, sondern die Türkei selbst nimmt Österreich gar nicht ernst! Wie sonst ist dieses Verhalten der Türkei Ihrem Ministerium gegenüber zu erklären?

Mir ist dabei völlig klar, dass es neben der Türkei, die hier wieder einmal ein kräftiges Lebenszeichen vor aller Welt von sich gibt, auch eine andere Türkei gibt, eine Türkei, die einen gerechten und sozialen Staat will, also eine Türkei, die von uns allen unterstützt werden sollte. Doch mit Ihrem allzu ängstlichen und zögerlichen Vorgehen – um den Ausdruck bloßer Alibihandlungen zu vermeiden – stärken Sie letztendlich nur die rechten, autoritären und auf die Methoden eines Polizeistaates bauenden Kräfte und fallen den demokratischen Kräften in der Türkei in den Rücken!

Wenn also Frau Ladinser in der ORF Sendung Abendjournal am Freitag, den 18. Feber auf die Feststellung eines Ihrer Mitarbeiter, dass man seit 8 Tagen im österreichischen Außenministerium keine offizielle Information über Sandra Bakutz aus der Türkei erhalten hat die Frage stellt, ob das nicht sehr lang sei und ob man nicht an eine Protestnote an die türkische Regierung denke, und der Sprecher Ihres Ministeriums auf diese Frage nur antwortet …‚man sei derzeit dabei weitere Schritte zu überlegen…‘ (statt schon längst entsprechend gehandelt zu haben), so zeigt das nur, dass man hier wieder in die alte Denkweise verfallen ist: Ist ja nur eine linke Menschenrechtsaktivistin, die da in einem Spezialgefängnis sitzt, wo gefoltert und Frauen vergewaltigt werden. Warum sollen wir uns da besonders anstrengen.

Dass es auch anders geht, zeigen die zahlreichen engagierten Aktionen politischer Gruppen bzw. Menschenrechtsorganisationen weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Stellvertretend dafür ein offener Brief einer deutschen Menschenrechtsorganisation an den türkischen Ministerpräsidenten, der genau die Argumente anführt, die anzuführen Sie anscheinend vermeiden, wobei Sie als Außenministerin eines EU Landes diesen Argumenten natürlich auch den entsprechenden Nachdruck hinzufügen könnten wozu private Menschenrechtsorganisationen leider nicht in der Lage sind. Bisweilen wäre auch die Androhung von Maßnahmen äußerst hilfreich, so man den Mut dazu hat. Beim Vorgehen gegen andere Länder – und vor allem im Schatten der USA – ist Österreich da ja nicht gerade zimperlich!

Hochachtungsvoll

G. D.

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