Brief von Sandra Bakutz aus dem Gefängnis
Ich bin am 10. Februar im Rahmen einer internationalen Delegation nach Istanbul gereist. Das Thema, das mich insbesondere beschäftigte ist ein Massenprozess, der am 1. April 2004 mit einer Operation gegen sämtliche demokratische, legale Vereine und deren Mitglieder begann. Diese Operation ist von Italien ausgegangen, hatte jedoch vor allem repressive Massnahmen und Rechtsverletzungen gegen demokratische AktivistInnen in der Türkei zur Folge. Mehr als 100 Menschen wurden anhand von gefälschten Dokumenten und Disketten festgenommen. 82 davon verhaftet. Obwohl das Gericht entschied, dass die Disketten nicht als Beweismittel eingesetzt werden können, befinden sich immer noch dutzende Menschen in Haft und die Repressionswelle dauert an.
Da ich mich seit vielen Jahren für die Menschenrechte – unter anderem in der Türkei – einsetzte, sind mir die Methoden, die gegen die demokratische Opposition in diesem Land angewandt werden, bestens bekannt. Ich habe mich oftmals an Beobachtungsdelegationen beteiligt und mit eigenen Augen gesehen, wie die Menschenrechte hier mit Füßen getreten werden. Folter steht immer noch an der Tagesordnung. Das wird durch sämtliche Menschenrechtsorganisationen und NGO´s fast täglich bestätigt.
Eines der besten Beispiele für die „Scheindemokratie“ sind die Gefängnisse, die nach wie vor eine offene Wunde sind. Menschen werden verhaftet und sind selbst dort ihres Lebens nicht sicher.
Im Jahr 2000 wurde ein massives Isolationsregime eingeführt, welches die Repression gegen Gefangene weiter verschärfen sollte. Gegen die Politik, die für die gesamte demokratische Opposition eine Bedrohung darstellt, gibt es seit 4 Jahren einen ausgedehnten Widerstand, bei dem bereits 118 Menschen ihr Leben verloren haben. Dennoch wird mit erbitterter Zensur versucht, diese Tatsachen zu verheimlichen. Ich betrachte es als eine Aufgabe, diese Umstände ans Tageslicht zu bringen und einen geringen Beitrag für demokratische Veränderungen zu leisten.
Nun bin ich selbst zur Zielscheibe geworden. Aber das wird meine Einstellung zu alldem nicht ändern. Ich bin als Mitglied der illegalen Organisation DHKP/C angeklagt, weil ich mich mit demokratischen Mitteln gegen dieses Unrechtssystem stelle. Ich möchte hier nun aufrufen, dass sich die Augen der internationalen Öffentlichkeit weiter auf die Türkei und auf die Umstände hier richten, damit das Schweigen endlich ein Ende nimmt.
18.Februar 2005
Sandra Bakutz
durch den Anwalt übermittelt.