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Brief an die Jugoslawisch-Österreichische Solidaritätsbewegung

28. März 2005

von Elisabeth Gschaider

Ihre Veranstaltung vom 15.März u.a. mit dem Journalisten Jürgen Elsässer und Prof. Miroljub Jeftic lässt viele Fragen und Unverständnis meinerseits aufkommen.
Die Thesen von Jürgen Elsässer zu einer ominösen Al-Quaida – Zelle in BiH und dem Bosnienkrieg von 1992 – 1995 als angeblichen Jihad gegen das europäische Christentum tragen in keiner Weise dazu bei, Verständnis für die serbische Volksgruppe (in und auch außerhalb Bosniens) in der internationalen Gemeinschaft zu erhalten. Dass es auf keinen Fall zur Verständigung zwischen Serben, Kroaten und Bosniaken in BiH beiträgt, schien von vornherein nicht Elsässers Anliegen, auch wenn er auf meine Frage antwortete, er wolle damit keinenfalls eine neue Volksgruppe dämonisieren, so muss ihm doch klar gewesen sein, dass er genau das mit seinem Vortrag und seinem Buch in anderen Köpfen erreichen könnte.

Die Ausführungen von Prof. Jeftic zum Jihad waren von Grund auf fragwürdig. Natürlich gibt es in islamistischen Kreisen Wortführer, die die Auslegung des Jihads genau so darstellen wie er und sich über Herrn Jeftics Ausführungen freuen würden. Die Auslegungen der Koranstelle (zum Jihad) – und nicht nur dieser – sind aber Kontext und geschichtlich gebunden und werden von allen Interpreten jeweils anders ausgelegt. Kurzum: es gibt zigtausend Auslegungen zu Koranstellen und zigtausend Gegendarstellungen zu jeder Auslegung. Warum der JÖSB so an der Auslegung von Herrn Jefitc, die rein gar nichts zur komplexen Situation in BiH beiträgt, gelegen ist, ist mir bis heute unverständlich. Die JÖSB könnte noch zig anderer solcher Demagogen finden, etwa den gebürtigen Ägypter Mark A. Gabriel, der zum Christentum konvertierte, und in seinem bei der Leipziger Buchmesse präsentierten Buch „Islam und Terrorismus – Was der Koran wirklich über Christentum, Gewalt und die Ziele des Djihad lehrt“ ebensolche Thesen verbreitet.

Nach meinem Besuch der Leipziger Buchmesse (17. – 20.März) und der dort gelaufenen Veranstaltungsreihe „10 Jahre nach Dayton“ empfinde ich die JÖSB-Veranstaltung vom 15.03.05 nochmals bedenklicher. Deutsche Journalisten und Intellektuelle, etwa der Feuilletonist der Süddeutschen Zeitung, Lothar Müller, meinten, dass nachdem Ex-Jugoslawien sich selber zerstört hat, jetzt auch noch das gute Geld der EUler und überhaupt der westlichen Zivilgesellschaft von den Bosniern verschwendet wird. Zustimmung erhielten diese Aussagen vom deutschen Publikum. Dagegen sprachen so unterschiedliche ex-jugoslawische Literaten wie Dubravka Ugresic (heute Kroatin in Amsterdam), Nenad Velickovic (heute bosnischer Serbe in Sarajevo) und Dragan Velikic (heute Serbe in Deutschland) umsonst an und resignierten schließlich.

Sollte die JÖSB nicht Veranstaltungen anbieten, die einen tieferen Einblick in die Tragödien am Balkan bieten? Veranstaltungen, die nicht die üblichen Erklärungsschemata für die geschehenen Kriege erörtern? Mit Sprechern und Referaten, die über die Aussagen der deutschsprachigen Medienlandschaft hinausreichen?
Mit der Veranstaltung am 15.März hat die JÖSB nur das zementiert, was die internationale Gemeinschaft so gern hört: zuerst sind „die“ Serben schuld, dass es Kriege gab, jetzt sind „die“ Bosniaken schuld, dass sich die Volksgruppen nicht mehr verstehen. Dass die internationale Gemeinschaft in Form ihrer unzähligen Organisationen langsam aus BiH abziehen wird, liegt nahe und wird schon vorbereitet. Über die Milliarden von verprassten und verschleuderten Geldern für die internationale Bürokratie spricht keiner.
Die Probleme, dass die Milliarden in BiH nicht ankamen, liegt sicherlich nicht an Bosniern, die gerade die Moschee hinter ihrem Haus, die schon Jahrhunderte-lang dort stand, entdeckten, auch nicht an den paar Lokalen in der Altstadt Sarajevos, die keinen Alkohol ausschenken. Um die wirklichen Ursachen zu erörtern und aufzuzeigen, wäre es gut, wenn die JÖSB in Zukunft sinnvolle Veranstaltungen bietet.

Ich würde mich also freuen, wenn es in Zukunft Veranstaltungen gäbe, die die heutigen Gesellschaftszustände in BiH und das Zusammenspiel mit der internationalen Gemeinschaft und deren Interessen ausleuchten, und nicht Veranstaltungen, die neue Dämonisierungen hervorrufen und weder zur Solidarität mit der serbischen noch mit der bosniakischen Volksgruppe beitragen. Wozu außer zu neuen Klischees und Vorurteilen sollte das führen?
Als Anregung zu neuen Veranstaltungen möchte ich auch auf einen Artikel von NGOs und mir in der nächsten Ausgabe des Magazins „Bruchlinien“ hinweisen, das meiner Meinung nach ein aktuelles Diskussionsthema bietet.

Mit solidarischen Grüßen,

Elisabeth Gschaider

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