Site-Logo
Site Navigation

Berlusconi-Getreue beschuldigen Antiimperialistisches Lager hinter Sgrena-Entführung zu stecken

10. April 2005

Rom, 9. April 2005

Etwas ist im Busch

Man hätte vermuten können, dass nach dem von Premier Berlusconi vollmundig angekündigten Rückzug der italienischen Truppen aus dem Irak, die Verfolgung derjenigen Teile der italienischen Linken, die den irakischen Widerstand offen unterstützen, nachlassen würde. Genauso wenig wie dieses Wahlzuckerl gewirkt hat, scheint letzterem zu sein.

Nur zwei Tage nach der zerschmetternden Niederlage von Forza Italia bei den Regionalwahlen vom 2. und 3. April, staunte man nicht schlecht, als die Nachrichtenagentur AGI am 5. April meldete, dass ein gewisser Gianluca Preite bei der Römer Staatsanwaltschaft gegen Moreno Pasquinelli, Exponent des Antiimperailistischen Lagers, Anzeige wegen Verwicklung in die Entführung von Giuliana Sgrena erstattet hatte. Am darauf folgenden Tag brachten die meisten Zeitungen diese Meldung. La Repubblica hatte nachrecherchiert und fügte hinzu, dass Preite von Berlusconi-Anwalt Taormina beim Gang zu Gericht begleitet worden war. Preite will Telefonate der Entführer mit italienischen Hintermännern, namentlich mit Pasquinelli, abgehört haben. Noch nicht abenteuerlich genug, soll dieser die Freilassung von Sgrena angeordnet haben und zwar in einer Art und Weise, dass die US-Armee dazu gezwungen werden sollte, zu schießen.

Selbst der Staatsanwaltschaft war – nach der Römer Zeitung – das zu starker Tobak. Sie leitete zwar Vorerhebungen ein, räumte aber gleichzeitig Zweifel ein. Das Antiimperialistische Lager dementierte die Meldung umgehend und kündigte eine Verleumdungsklage an: „Mit Hartnäckigkeit versucht man das Antiimperialistische Lager für unsere standhafte Unterstützung des irakischen Widerstands zu kriminalisieren, der nichts mit der Entführung von befreundeten pazifistischen Journalisten zu tun hat.“

Doch Taormina erweckt nicht den Anschein lockerlassen zu wollen. Laut Il Manifesto vom 7. April habe er sich „über die vorzeitige Einschaltung der Presse“ erbost gezeigt, die „das Leben seines Mandanten gefährdet“. Von wem die Gefahr ausgehe, ließ er offen. Wer gemeint ist, liegt indes auf der Hand.

Ein möglicher Hintergrund sind Berichte darüber, dass sich die amerikanische „Untersuchungen“ im Fall Sgrena in die Länge ziehen, welches von der italienischen Presse durchwegs als Verzögerungstaktik eingeschätzt wird. Kürzlich war der amerikanischen Vizestaatssekretär Robert Zoelick bei einem Besuch im Europäischen Parlament auf die Fragen einer Kommission zum Fall Sgrena mit imperialer Arroganz mit keinem Wort eingegangen. Statt dessen ging er in die Gegenoffensive. Es würden auch mögliche Verbindungen nach Italien untersucht.

Auf die Frage, ob hier abermals ein Schlag gegen das Antiimperialistische Lager und ihn persönlich vorbereitet würde, antwortete Pasquinelli: „Eigentlich ist die Regierung Berlusconi am Ende. Es wird schon überall von vorgezogenen Neuwahlen gemunkelt. Doch in diesem Zerfall ist vieles möglich. Die internationale Konferenz für den irakischen Widerstand, die für kommenden Herbst in Rom vorbereitet wird, ist dem Regime –– Berlusconi hin oder her – sicher ein Dorn im Auge. Überdies sollte der amerikanische Druck nicht unterschätzt werden.“

Willi Langthaler
Rom, 9. April 2005

Thema
Archiv