Beijing, 13. April 2005
Am Samstag fand eine große Demonstration in Beijing und am Sonntag eine weitere in Shenzhen (an der Grenze zu Hongkong) gegen Japan statt. Den Hintergrund bildet die Neuauflage eines japanischen Lehrbuchs für Geschichte, in dem die japanische Aggression in Ost- und Südostasien Anfang des 20. Jahrhunderts geleugnet bzw. beschönigt wird.
Allerdings waren es traurige Demonstrationen dummen Nationalismus`, kaum politische Slogans. Die Hauptlosung war „Boykottiert japanische Waren“, andere Transparente trugen Slogans wie „Japanerschweine“ und „Mit dem Schwert gegen die [japanischen] Teufel – Rübe ab“.
In Beijing demonstrierten lt. Associated Press sechstausend, nach japanischen Agenturmeldungen bis zu zwanzigtausend Menschen – vor allem Studenten – vom Uni-Viertel Haidian zur japanischen Botschaft, wo Fensterscheiben eingeworfen wurden; in Shenzhen demonstrierten etwa sechshundert, vor einem japanischen Supermarkt kam es zu Rangeleien mit der Polizei.
Eine weitere Forderung der Proteste und der chinesischen Regierung – ohne deren Duldung solche Proteste nicht stattfinden könnten – ist es, Japan keinen Sitz im Sicherheitsrat der UNO zu geben, wie das in den letzten Monaten von verschiedenen Seiten gefordert wurde.
Chinesische Printmedien und das Fernsehen berichteten m.W. nicht, nur die englischsprachige „China Daily“ gab eine Xinhua-Meldung wieder. Im Internet gibt es natürlich auch auf Chinesisch viele Meldungen.
Hochrangige japanische Politiker geben ununterbrochen Äußerungen ab, für die sie in Europa auf der Stelle zurücktreten müssten oder sogar im Gefängnis landen würden: Japanische Kriegsverbrechen werden geleugnet
und die japanische Expansion Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts wird grob verharmlost oder sogar positiv dargestellt. Entsprechende Positionen werden in Europa nur von echten Neonazis eingenommen, in Japan sind sie fixer Bestandteil des politischen Mainstreams. Der Zorn in China ist also berechtigt, aber die Leute wissen in Wirklichkeit viel zu wenig über Japan und es ist bei den meisten wirklich ein dummer Hass auf die gesamte apanische Bevölkerung. Da der „Sozialismus chinesischer Prägung“ keine sehr attraktive „Ideologie“ ist, hat das Regime mit dem antijapanischen Hass ein ganz praktisches Ventil.
Kommentar von Georg Kreisel, Beijing