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Italienische Regierung verhindert Konferenz zur Anerkennung des irakischen Widerstands

13. September 2005

Solidaritätsbewegung setzt ihren Kampf fort

Eine Koalition aus antiimperialistischen Kräften hatte über das vergangene Jahr eine internationale Konferenz zur Unterstützung des irakischen Widerstands vorbereitet, die am 1. und 2. Oktober 2005 in Italien hätte stattfinden sollen.

Selbst für die Veranstalter überraschend, erklärten sich hochrangige Vertreter aller namhaften Tendenzen des irakischen Widerstands und der Opposition gegen die Besatzung bereit, auf der Konferenz zu sprechen. Dabei handelte es sich um: Ayatollah al Baghdadi, einer der ranghöchsten schiitischen Geistlichen, der dem Widerstand nahe steht und der für Predigten bekannt ist, in denen er Gott als „Arbeiter und Bauern“ bezeichnet; Scheich Jawad al Khalesi, schiitischer Theologe und Vorsitzender des multikonfessionellen Vielparteienbündnisses „Iraqi National Foundation Congress“, das die von den USA inszenierten Wahlen boykottierte; Scheich Hassan al Zargani, internationaler Sprecher der Bewegung Muqtada al Sadrs und Herausgeber der Zeitschrift „Hawza“, deren Schließung durch die Besatzer im Frühjahr 2004 zum Aufstand Muqtadas führte; Salah al Mukhtar, ehemaliger Botschafter des Iraks in Vietnam und Indien, Intellektueller und Journalist der als inoffizieller Vertreter der baathistischen Strömung gilt; Mohamed Faris, Patriotischer Kommunist; Ahmed Karim, irakischer patriotisch-kommunistischer Kurde; Awni al Kalemji, Sprecher der Irakischen Patriotischen Allianz.

Dabei sind nicht nur die Personen selbst bemerkenswert, sondern viel mehr noch die Tatsache, dass sie bereit sind gemeinsam aufzutreten. Angesichts der bekannten politischen Spannungen unter den sich der Besatzung gegenüberstellenden Kräften kann deren Teilnahme als symbolischer Schritt zur Vereinigung in einer politischen Front gewertet werden.

Damit veränderte die Konferenz schlagartig ihren Charakter. Von einem Treffen der Solidaritätsbewegung verwandelte sie sich in ein Ereignis zur politischen Anerkennung des Widerstands und der Opposition als einzig legitimen Vertreter des irakischen Volkes. So änderte sich auch das Motto in „Lassen wir den Irak in Frieden – unterstützt den gerechten Widerstand des irakischen Volkes“. In einem gewissen Sinn fiel den Veranstaltern jene Aufgabe zu, die in den 70er Jahren von der europäischen Sozialdemokratie erfüllt wurde, als sie beispielsweise die PLO anerkannten oder auch die Verhandlungen mit dem Warschauer Pakt begannen – wenn auch mit der gegenteiligen Intention, nämlich sie auf sanfte Weise in die Knie zu zwingen und nicht ihnen zum Sieg zu verhelfen, wie das die Veranstalter der Konferenz in Italien proklamieren.

Dieses Ansinnen rief den Zorn des US-Kongresses hervor. Ihr Ziel eines US-Reiches verfolgend, kann ein solches Ereignis in Europa nicht geduldet werden. So richteten 44 Abgeordnete des Kongresses einen Brief an den italienischen Botschafter in Washington, in dem sie die italienische Regierung nicht nur zur Unterbindung der Konferenz „einluden“, sondern auch zum Verbot des „Antiimperialistischen Lagers“, das als Drehscheibe der Finanzierung des irakischen Terrorismus bezeichnet wurde.

Prompt stoppte der Außenminister und Postfaschist Fini die Erteilung der notwendigen Visen. Die Organisatoren reagierten mit einer Protestkampagne, die nicht nur die Unterstützung von Persönlichkeiten innerhalb der Institutionen und des öffentlichen Lebens erlangte wie beispielsweise des Präsidenten der Toskana, immerhin einem Landesteil mit fünf Millionen Einwohnern, sondern auch in den Medien diskutiert wurde. Neben dem hämmernden Angriffen der Berlusconi-nahen rechten Presse wie „Libero“, die die Linie des Briefes der 44 verfolgte und auf die Illegalisierung wegen Terrorismus abzielte, kamen in linksliberalen Organen wie „La Repubblica“ die Frage der Verletzung der nationalen Souveränität sowie der demokratischen Grundrechte zur Sprache.

Anfang September bekann das Komitee Freier Irak, der italienische Veranstalter der Konferenz, einen Hungerstreik mit sieben teilweise bekannten Aktivisten vor dem Außenministerium mit dem vordergründigen Ziel die Ausstellung der Visen zu erzwingen. Politisch war damit beabsichtig, das gesamte politische System zu zwingen Position zu beziehen.

Die gesamte Linke, sowohl die außerparlamentarische als auch die institutionelle, obwohl sie zuvor die Konferenz abgelehnt hatte, sah sich angesichts der Tragweite des Konflikts veranlasst Solidaritätserklärungen abzugeben.

Dass Berlusconi & Fini unterwürfige Diener der USA bleiben und sich von einem Hungerstreik der Antiimperialisten nicht in die Knie zwingen lassen würden, war zumindest nach dem Brief der 44 abzusehen – obwohl es auch in der rechten Koalition, und da wieder vor allem aus den Geheimdiensten, durchaus Stimmen gibt, die für den Rückzug der Truppen sind. Diese hätten sich ein Zeichen der Entspannung an die arabisch-islamische Welt gewunschen und hatten zuvor informell grünes Licht für die Konferenz gegeben.

So ging es auch darum die linksliberale Opposition, geführt von Prodi, zu einer Stellungnahme zu zwingen. Dieser hatte Ende Juli aufhorchen lassen als er von den italienischen Besatzungstruppen im Irak sprach. Doch die „Amerikanische Partei“, wie sie in den Kommuniquà©s des Komitees Freier Irak bezeichnet wird, überspannt die Lager. Prodi ließ wissen, dass er einen Brief von hochrangigen Vertretern der irakischen Opposition nicht entgegen nehmen würde.

Am 10. September beriefen die Veranstalter schließlich das internationale Organisationskomitee ein, um über die Abhaltung der Konferenz zu beraten. Die Konferenz mit ihrer fast historischen Tragweite kann ohne die irakischen Teilnehmer nicht stattfinden, sie bleibt aber das mittelfristige Ziel der Koalition in Unterstützung des irakischen Widerstands. Es wird versucht sie unter einer zukünftigen Regierung Prodi abzuhalten, der somit letztendlich doch gezwungen sein wird Farbe zu bekennen. Falls auch sein Kabinett sich gegenüber dem Großen Bruder in Washington servil verhält, wird man versuchen in ein anderes europäisches Land auszuweichen.

In der Zwischenzeit wird der Hungerstreik fortgesetzt, doch sein Ziel hat sich wesentlich verringert: Es geht nur mehr darum auf die Ersatzveranstaltung, ein internationales Treffen der Bewegung am 2. Oktober in Rom, Haj Ali einzuladen. Dabei handelt es sich um jenes Folteropfer von Abu Ghraib, dessen Bild mit Kapuze und Elektroden um die Welt ging und zur Ikone wurde.

Lehnt Fini auch für diesenhumanitären Fall das Visum aus „nationalen Sicherheitsinteressen“ ab, so stellt er seine Treue zu den schlimmsten Verbrechen der USA unter Beweis und die Front gegen ihn kann sich nur verbreitern. Gesteht er das Visum zu, so schwebt den Veranstaltern nicht nur vor, ihn als Hauptredner am 2. Oktober zu positionieren, sondern eine Tour durch Europa zu veranstalten.

Damit ist auch die Grundlage der Versammlung vom 2. Oktober definiert, nämlich das demokratische Recht, dem irakischen Widerstand eine Stimme in Europa zu geben, zu verteidigen. Während die Bewegung gegen Krieg und Globalisierung moribund ist, kann die antiimperialistische Koalition für die politische Anerkennung des irakischen Widerstands als legitime Vertretung des irakischen Volkes ihre Unterstützung verbreitern und gleichzeitig den verbleibenden Teilen der Bewegung eine Überlebensperspektive bieten.

12. September 2005
Willi Langthaler

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