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Befreiungskampf ist kein Terrorismus!

29. September 2005

Zu Gegenwart und Vergangenheit der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP)

In der Periode nach 1948, als der Staat Israel errichtet wurde, lebten große Teile der palästinensischen Bevölkerung als Flüchtlinge in benachbarten arabischen Ländern, besonders in Syrien, Jordanien, Libanon und Ägypten. Das ist die Erklärung dafür, weshalb die Palästinenser, anstatt eigene palästinensische Organisationen aufzubauen, sich oft den politischen Parteien ihrer „Gastländer“ anschlossen. Diese waren antikoloniale Parteien, wie die Ba´ath Partei oder die Arabisch Nationalbewegung (ANM). Die meisten Palästinenser erwarteten, dass die arabischen Länder Palästina befreien würden. Der ägyptische Präsident Gamal Nasser wurde als Symbol des Panarabismus angesehen.

Die Palästinenser selbst müssen Palästina befreien

1959 gründeten Yassir Arafat und Abu Jihad die Organisation Al Fatah. Sie betonten, dass die Befreiung Palästinas die Aufgabe der Palästinenser sei und dass den arabischen Ländern die Rolle zukäme, einen Verteidigungsgürtel um Palästina zu bilden. Die Idee, dass die Palästinenser selbst Palästina befreien sollten, war neu und stellte die Grundlage des modernen palästinensischen Nationalismus dar. 1964 wurde die PLO gegründet, zunächst von Präsident Nasser, der den Aufbau der PLO nützen wollte, um die wachsende palästinensische nationalistische Bewegung zu kontrollieren.
Die PLO wurde die Dachorganisation für eine große Zahl palästinensischer Fedayeen-Gruppen. Al Fatah, geführt von Yassir Arafat trat der PLO 1969 bei und blieb die bis heute dominierende Kraft innerhalb der PLO.

Die PFLP wurde 1967 gegründet. Die Initiative dazu geht auf Dr. George Habash zurück, der die anschließenden 33 Jahre der hoch angesehene Führer der PFLP blieb. Habash und seine Familie wurden 1948 aus Lydda nach Amman, Jordanien vertrieben. Habash erinnert sich:

„Sie töteten unsere Leute, sie vertrieben uns aus unseren Häusern, Städten und von unserem Land. Auf meinem Weg von Lydda nach Ramallah sah ich Kinder, junge und alte Menschen, die auf dem Boden lagen und starben. Wenn du das siehst, was kannst du sonst werden, außer ein Revolutionär und was kannst du sonst tun, außer für die Freiheit zu kämpfen?“

In den 1950ern gründete George Habash gemeinsam mit seinem Freund Wadi Hadad die Arabische Nationalbewegung (ANM), die eine antikoloniale und antizionistische Bewegung war. Gemäß der ANM sei die Befreiung Palästinas nur durch den Aufbau eines gemeinsamen arabischen Staates zu erreichen, der allein stark genug sein werde, den Zionismus und westlichen Imperialismus zu schlagen.

Die schockierende Niederlage der arabischen Länder gegen Israel im Junikrieg von 1967, als Israel das Westjordanland und Gaza besetzte, führte dazu, dass Habash und seine Freunde realisierten, dass der kleinbürgerliche Nationalismus von Nasser und die konventionelle militärische Strategie unzureichend im Kampf gegen den Zionismus waren.

Habash und seine palästinensischen Genossen waren beeinflusst von der „Entdeckung des Marxismus“ Ende der 1960er Jahre, vom verlängerten Volkskrieg in Vietnam, von Che Guevara, den Befreiungskämpfen in Afrika und besonders vom Befreiungskampf der Algerier gegen den französischen Kolonialismus.
Als Habash und seine Genossen die ANM 1967 verließen und die PFLP gründeten, markierte dies einen politischen Schritt hin zu einer vom Marxismus sowohl auf politischer, organisatorischer als auch militärischer Ebene inspirierten politischen Strömung.

Die Strategie der PFLP

Etwa um das Jahr 1979 arbeitete die PFLP eine politische Strategie aus, welche offiziell bis heute unverändert besteht. Das strategische Ziel der PFLP ist es, einen sekulären demokratischen Staat im historischen Palästina für alle Völker – unabhängig von der Religion, der Nationalität usw. – zu errichten. Dieser eine Staat könne – gemäß der PFLP – nur durch bewaffneten Kampf und durch die Zerstörung des zionistischen Staates Israel erreicht werden.

Leila Khaled, führende PFLP Aktivistin, erklärte 1973:

„Das Ziel der palästinensischen Befreiungsbewegung ist die totale Befreiung Palästinas, die Auflösung des zionistischen Staates und die Bildung einer sozialistischen Gesellschaft, in der Juden und Araber gemeinsam in Frieden und Harmonie leben können. Um unser Ziel zu erreichen, wenden wir die Volkskriegsstrategie und den bewaffneten Kampf an. Wir haben keine andere Möglichkeit um die Zionisten aus Palästina zu vertreiben. (Mon peuple vivra, Gallimard, 1973)

Jeder, der die Entwicklung der PFLP verfolgt wird, die wichtigen Veränderungen in der Politik der Befreiungsfront bemerkt haben, doch wie Ahmad Saadat, der Generalsekretär der PFLP, betont, sind diese nur auf der taktischen Ebene zu finden (siehe Interview). Die letzten zwanzig Jahre haben große Änderungen in den Bedingungen des palästinensischen Befreiungskampfes gebracht, die natürlich auch die Befreiungsbewegung beeinflusst haben. Eine große Veränderung war der Zusammenbruch der Sowjetunion, der eine Schwächung der internationalen Linken bedeutete, und auch ein schwerer Schlag für die palästinensische Linke und die PFLP war. Die Bildung der Gruppen des politischen Islam, wie Hamas und Islamischer Dschihad in Palästina während der 1980er Jahre bedeutete einen weiteren Schlag für die sozialistische Bewegung. Die Entstehung der Organisationen des politischen Islam wurde durch den CIA und den Zionismus unterstützt oder toleriert, um die starke revolutionäre Bewegung überall im Nahen Osten zu schwächen, unter dem Motto von Carter-Brezinski (Breszinski war der Sicherheitsberater von Carter): „Lieber Religion als Revolution!“ Daher unterstützte oder tolerierte der US-Imperialismus im ganzen Nahen Osten die Errichtung von Moschen und die Bildung von Gruppen des politischen Islam. Unglücklicherweise wurde der Carter-Brezinski Plan ein Erfolg für den Imperialismus: Der Nahe Osten erlebte eine ernste Schwächung der revolutionären Kräfte und eine gleichzeitige Stärkung des politischen Islam.

Die PFLP und die demokratischen Kräfte

Die PFLP – im Unterschied zu Arafat und Fatah – war historisch immer gegen Friedensverhandlungen und Kompromisse mit dem Zionismus und Imperialismus gewesen. Wie die PFLP zu sagen pflegte: „Die Rechte der Palästinenser sind nicht verhandelbar.“ Die PFLP war gegen das Abkommen von Oslo 1993, welches die Front als ein zionistisch-imperialistisches Projekt betrachtet, dessen Ziel es ist, die palästinensische Befreiungsbewegung zu liquidieren. Die PFLP boykottierte konsequent die Wahlen für die Palästinensische Nationalbehörde in den 1990ern aufgrund ihrer Ablehnung von Oslo.

Die PFLP von heute ist ein wenig pragmatischer, als sie es zu sein pflegte. Heute nimmt die Front an breiten taktischen Allianzen mit anderen Fraktionen der palästinensischen Nationalbewegung teil, mit dem gemeinsamen Ziel die Besatzung von 1967 im Westjordanland und Gaza zu beenden. Die PFLP nahm an den Kommunalwahlen dieses Jahres teil und plant auch an den kommenden Parlamentswahlen Anfang 2006 teilzunehmen. Die PFLP war immer – und ist auch heute noch – die zweitstärkste Kraft in der PLO hinter der stärksten Kraft nach der Fatah. Die PFLP steht der PNA kritisch gegenüber. Sie kritisiert diese wegen des voranschreitenden Bürokratismus und dafür, dass sie den Forderungen des Zionismus und Imperialismus mehr Gehör schenken als den Bedürfnissen des palästinensischen Volkes.

Die PFLP sieht sich selbst als Teil der „demokratischen Kräfte“ (PFLP, die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP), die Palestinian Peoples Party (PPP) und Unabhängige) – im Gegensatz zur bürgerlichen Fatah und im Gegensatz zu den rechten islamischen Bewegungen Hamas und Islamischer Dschihad. Während der jüngsten Wahlen (Präsidentschaftswahlen und Kommunalwahlen) 2005 vereinigten die „demokratischen Kräfte“ etwa 20-25% der Stimmen auf sich.

PFLP auf der Schwarzen Liste

Heute steht die PFLP auf den Schwarzen Listen der USA und der EU. Es ist jedoch für die PFLP nichts neues von denjenigen die an der Macht sind, als terroristisch bezeichnet zu werden. Dies ist seit den frühen 1970er Jahren der Fall, als die PFLP – wie auch andere palästinensische Befreiungsbewegungen – sich an der Entführung von Flugzeugen imperialistischer Fluglinien beteiligt hatte. Eine der Entführerinnen war Leila Khaled, die so rasch ein Symbol für die Teilnahme der palästinensischen Frauen am Befreiungskampf wurde. Das Ziel der Entführungen war es der Welt die Augen für die palästinensische Frage zu öffnen. Aber schon 1972 setzte der Generalsekretär George Habash den „internationalen Terroraktivitäten“ ein Ende und dieser Schritt führte – später – zu Spaltungen innerhalb der PFLP und der Bildung neuer Fraktionen (z.B. PFLP-special operations)

Heute ist die PFLP auf den Terrorlisten der USA und der EU zu finden – als Teil des „Krieges gegen den Terror“ von Präsident Bush. Warum? Niemand in der EU möchte diese Frage beantworten. Ein Mitglied der PFLP hat eine Erklärung: „Sharon wollte es!“ Über die Terrorlisten der EU wird in einem geschlossenen Komitee entschieden, sodass die aufgelisteten Gruppen und Individuen keine Möglichkeit haben sich zu verteidigen. Die einzige offizielle Begründung für die Illegalisierung der PFLP, die von europäischen Politikern und den Medien gegeben wurde, war die Liquidierung des ehemaligen israelischen Tourismusministers Ze´evi durch die PFLP.

Die Liquidierung Ze´evis, eines extrem rechten Zionisten, der für die ethnische Säuberung der Palästinenser seit 1948 mitverantwortlich war, war die Reaktion der PFLP auf die Ermordung ihres Generalsekretärs Abu Ali Mustafa durch das israelische Militär am 27. August 2001 in seinem Büro in Ramallah.

Abu Ali Mustafa (Mustafa Ali Zabari, geboren 1938) wurde bereits im Jahre 1968 Führer des militärischen Flügels der PFLP. Am 6. Kongress der PFLP im Jahre 2000 wurde er zum Generalsekretär gewählt und nahm so den Platz von George Habash ein, welcher die PFLP seit 1967 geführt hatte. Nach Abu Ali Mustafa wurde Ahmed Saadat zum gegenwärtigen Generalsekretär, der jetzt im Gefängnis der PNA in Jericho sitzt (siehe Interview).

Es ist paradox, dass die PFLP sich zu einem Zeitpunkt auf den Terrorlisten wiederfindet, an dem die Front viel schwächer ist als zum Beispiel in den 1980 Jahren, und heute auch die Formen des Kampfes genau auseinander hält. Während – wie oben erwähnt – die PFLP zunächst den bewaffneten Kampf als Lösung für beinahe alles sah, übt die Front heute Selbstkritik für diese Position. Die PFLP betrachtet den bewaffneten Kampf noch immer als legitimen Kampf gegen die Besatzung, aber – wie die PFLP in ihrem letzten Kongressbericht (2000) feststellte: Es gibt andere wichtige und notwendige Formen des Kampfes: politisch/ökonomisch, sozial, kulturell, im Bildungsbereich. Vielleicht ist das der Grund, weshalb Sharon die PFLP auf der Terrorliste haben wollte.

Irene Clausen

Irene Clausen lebt in Dänemark und ist Mitglied des Internationalen Forums. Sie nahm an der internationalen Solidaritätsdelegation „Risse in der Mauer“ nach Palästina teil.

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