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„Nicht anerkannte Dörfer“ im Negev

29. September 2005


Rund 20% der Bevölkerung des Staates Israel sind nicht-jüdisch und leben in diesem so genannten demokratischen Staat, deren Staatsbürger sie 1948 zwangsweise werden mussten, rassistisch ausgegrenzt. Ein krasses Beispiel sind die „unrecognized villages“ oder „encampments“, also Dörfer oder behelfsmäßige Lager (wie zum Beispiel die Siedlungen der Beduinen in der Nähe Jerusalems), die ganz einfach vom Staat nicht anerkannt werden und folglich von jeder Grundversorgung wie Wasser oder Strom ausgeschlossen sind. So einfach geht das: Ihr seid hier nicht erwünscht, folglich seid ihr für uns nicht-existent – außer wir wollen euer Land, dann walzen wir eure Häuser oder Hütten nieder.
In der Negev-Wüste wohnen an die sechzigtausend Beduinen (ungefähr die Hälfte der Beduinen dieser Region) in Dörfern oder Siedlungen, die nicht anerkannt werden. Ihr „Verbrechen“ ist es, dass sie sich nicht in irgendwelchen Slumsiedlungen ohne das für sie so wichtige Land für die Viehzucht zusammenpferchen lassen. Sie bestehen auf ihrem Recht auf Reste ihres traditionellen Lebens – immer mit der Gefahr der Deportation in die Slums der Städte, ohne Infrastruktur, ohne Arbeitsmöglichkeiten – eben illegal in der Logik des israelischen Staates. Während seit 1948 134 jüdische landwirtschaftliche Siedlungen im Negev entstanden sind und blühen, ist dort kein einziges arabisches Dorf oder Gemeinschaft, wo die Menschen traditionell von der Landwirtschaft leben, anerkannt. Diese Dörfer scheinen auf keiner Landkarte auf. Mit Generatoren wird notdürftig Elektrizität erzeugt, die Wasserversorgung funktioniert behelfsmäßig mit einem Netzwerk von Tanks. Da Stein- oder Betonhäuser von vornherein nicht geduldet werden, werden die Unterkünfte aus Zeltplanen, Wellblech und Plastikteilen gebaut. Und die Situation ist immer prekär, sprich „unrecognized“. Zur Zeit sind sechstausend dieser Unterkünfte für die Einebnung durch Bulldozer vorgesehen.
Das Beispiel des Stammes der Azazmeh zeigt, wie es geht. 1990 wurde ein Großteil ihres Bodens für militärische Zwecke enteignet. („Militärische Zwecke“ oder „closed military zone“ sind überall die Zauberworte für Enteignungen oder Häuserzerstörungen, gehandhabt wie ein Naturgesetz.) Gleich danach wurde er umgewidmet um ein Kibbuz zu errichten. Die Azazmeh wurden in die Nähe der industriellen Zone von Ramat Hovav umgesiedelt, wo Giftmüll gelagert und aufbereitet wird. Dort besteht wohl kaum die Gefahr, dass sie wieder zwangsweise umgesiedelt werden, so wie der Stamm der Jahalin. Diese Menschen wurden aus ihrer nicht-anerkannten Siedlung im Negev vertrieben und ursprünglich auf Land in der Nähe Jerusalems angesiedelt, das den Palästinensern von al-Azaria gestohlen wurde. Als dieses Land wiederum für den Ausbau der Siedlung Ma´ale Adumim gebraucht wurde, wurden die Jahalin nochmals enteignet und leben heute in der Nähe der größten Müllhalde Jerusalems.

Elisabeth Lindner-Riegler

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