Fährt man durch das Westjordanland und den Gazastreifen, so sind die zahlreichen Projekttafeln der amerikanischen Entwicklungshilfeorganisation USAID (US Agency for International Development) unübersehbar. Da werden Straßen repariert, Kindergärten und Schulen gebaut, die Wasserversorgung in Gang gebracht und vieles mehr. Nun ist auch nur mäßig politisch Interessierten die (beinahe) bedingungslose Unterstützung Israels durch die USA bekannt, sodass das Engagement dieser US-Organisation auf dem Gebiet des künftigen Palästinenserstaates doch etwas verwundern muss. Handelt es sich um einen Fall von gelebter christlicher Nächstenliebe, die weder Freund noch Feind kennt, sondern nur Bedürftige und Notleidende?
Wohl kaum. Ein Blick auf die Homepage von USAID kann diese Illusion rasch zerstören. Dort erfährt man, dass die Entwicklungshilfe als ein Teil des „Krieges gegen den Terrors“ betrachtet wird. Durch die Sicherung der menschlichen Grundbedürfnisse (sauberes Trinkwasser, Lebensmittelversorgung, Gesundheit, Ausbildung) soll dem „Terror“ die Brutstätte entzogen werden. Es überrascht daher nicht, dass USAID seit dem Ausbruch der Zweiten Intifada im September 2000 ihr Engagement in Palästina beträchtlich verstärkt hat. Derzeit ist sie dort mit fünf großen Projekten vor Ort vertreten. Sie betreffen die Revitalisierung des Wirtschaftssektors ebenso wie den Aufbau der Infrastruktur und der Wasserversorgung, die demokratische Reform (!), Gesundheits- und Ausbildungsfragen. Stolz wird auch darüber berichtet, dass USAID seit 1993 mehr als 1,7 Mrd. US-Dollar in das Westjordanland und den Gazastreifen investiert hat, mehr als jedes andere Land.
Tatsächlich dürfte die Anwesenheit der Organisation in dieser Gegend noch eine andere, viel wichtigere Aufgabe erfüllen. Durch das verstärkte, zivilgesellschaftliche Agieren soll die EU aus dem Feld geschlagen werden, welche sich schon seit Jahren durch die Finanzierung von palästinensischen, staatlichen Strukturen um politischen Einfluss bemüht. So werden etwa die Kosten der Parlamentsadministration zu einem Gutteil von den EU-Staaten bestritten. Ebenso wurde der internationale Flughafen in Gaza mit EU-Geldern errichtet bzw. nach mehrmaliger Beschädigung repariert. Die Ausbootung der EU hätte zur Folge, dass die palästinensische Führung alternativlos dem amerikanischen Zuckerbrot (Entwicklungshilfe) und der Peitsche (Umsetzung der Roadmap) ausgeliefert wäre.
Andererseits dient dieses Engagement von USAID zweifellos auch dazu, die „Hirne und Herzen“ der palästinensischen Bevölkerung zu gewinnen und so das vorherrschende, negative US-Image in der Region zu korrigieren. Zur Erinnerung sei auf die Umpolung des Amerikabildes in unseren Breiten nach dem Zweiten Weltkrieg durch Marshallplanhilfe und CARE-Pakete erinnert, was bis heute nachwirkt. In diesem Zusammenhang sei auch noch auf das intensive Wirken der Entwicklungshilfeorganisation im palästinensischen Schul- und Erziehungswesen hingewiesen, wo eine Beeinflussung im Sinne der „amerikanischen Werte“ nicht ausgeschlossen werden kann.
aldi