Erklärung von Mauro Palma, Europäisches Komitee zur Verhinderung von Folter und unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung oder Bestrafung
Eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Bekämpfung von Folter und anderen Formen der Misshandlung von Menschen, die ihrer Freiheit beraubt sind, ist zweifelsohne dieses Phänomen öffentlich zu machen. Diese traurigen und brutalen Praktiken, die nach wie vor an der Tagesordnung sind, müssen in ihrem ganz speziellen Kontext, mit ihren Zielen und ihren Auswirkungen enthüllt werden. Nur wenn über Folter ein öffentliches Bewusstsein geschaffen wird, kann eine Front dagegen aufgebaut und konsolidiert werden, und nur so kann die Überzeugung, dass sie verboten werden muss, gestärkt werden.
Wenn die Opfer eine Stimme bekommen, wenn man ihnen hilft, ihre Tortur zu rekonstruieren und wenn man ihnen zuhört, können sie wieder Kraft gewinnen, weil ihnen das Sprechen über ihre Qualen die Möglichkeit gibt, aus all dem Schlimmen, das sie erlebt haben, doch etwas Nützliches zu machen – nämlich dazu beizutragen, dass es nicht wiederholt wird.
Aus diesem Grund betonen die Organisationen und Institutionen, deren Aufgabe der Kampf gegen die Folter ist, dass zwei Maßnahmen, die nicht voneinander getrennt werden dürfen, unerlässlich sind: Die Verantwortlichen müssen bestraft werden und den Opfern muss jede Form ihrer Gesundung garantiert werden. In diesem Sinne ist die Möglichkeit sich frei bewegen zu können, damit die eigene Geschichte erzählt werden kann, entscheidend.
Auf diesem Hintergrund ist die Ablehnung eines Visums für den irakischen Bürger Haj Ali durch die italienische Regierung nicht nachvollziehbar. Haj Ali, der Mann mit der Kapuze und den an seinen Körper angeschlossenen Elektroden, der via Fernsehen bekannt wurde, verkörpert wie kein anderer die Dringlichkeit des Problems der Folter. Seine Gegenwart in Italien wäre genau die Möglichkeit gewesen, dass er seine Geschichte der Öffentlichkeit selbst erzählen hätte können.
Der offensichtlich bürokratische Vorwand, Haj Ali in Jordanien kein Visum auszustellen, weil er dort keine langfristige Aufenthaltsgenehmigung hat, ist nicht glaubwürdig, denn er impliziert, dass Haj Ali für ein Visum in den Irak zurückkehren müsste – die Konsequenzen kann man sich vorstellen. Die Verweigerung des Visums scheint vielmehr den Grund zu haben, dass seine Misshandlung in ihrer Tragweite nicht allzu ernst genommen wird und dass es am Willen zur Zusammenarbeit fehlt, wenn es darum geht Erlebnisse, wie er sie erlitten hat, radikal zu bekämpfen.
Italien hat die UN-Konventionen gegen Folter sowie die Europäische Konvention zur Verhinderung von Folter ratifiziert. Das bedeutet, dass Italien somit internationale Verpflichtungen zur Zusammenarbeit übernommen hat, wenn es darum geht, „dass niemand Folter und unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung unterworfen werden darf.“ Aus diesem Grund erwartet man von allen staatlichen Einrichtungen eine konsequente Haltung sowie die Bereitschaft, zu jeder Initiative, die den Kampf gegen Folter stärkt, beizutragen.
Die italienische Regierung als auch die Regierungen anderer europäischer Länder, wo analoge Ansuchen um Visa gestellt wurden, müssen schnell einen geeigneten Weg finden, damit das Folteropfer Haj Ali nach Europa kommen und hier seine dramatischen Erlebnisse einer breiten Öffentlichkeit darlegen kann.