Felicia Langer über den Abzug israelischer
Truppen und Siedlungen aus dem Gazastreifen
Im Folgenden
veröffentlichen wir einen Auszug aus einem Vortrag, den die israelische
Aktivistin Felicia Langer im Januar 2006 in Wien gehalten hat. Felicia Langer
hat sich als Anwältin für die Rechte der palästinensischen Bevölkerung
eingesetzt und Israel verlassen, als ihr klar wurde, dass sie im israelischen
Rechtsystem ihre Arbeit nicht durchführen konnte. Sie lebt seit einigen Jahren
in Deutschland und hat sich auch dort als unermüdliche Kritikerin der
israelischen Besatzungspolitik einen Namen gemacht.
Die Besatzung ist
38 Jahre alt. Und ich glaube, das ist das Wesentliche und das Wichtigste. Es
gibt einen Mythos von Sharon: Sharon als Mann des Friedens, weil er Gaza evakuiert
hat. Gaza war unbeliebt, sogar bei Gott nicht so beliebt, denn in der
Verheißung war Gaza nicht erwähnt. Aber man hat Gaza zur Verheißung adaptiert.
Gaza war so unbeliebt und so teuer, weil man die Siedlungen beschützen musste.
Yitzhak Rabin hat schon einmal gesagt, dass er sich freut, wenn Gaza im Meer
untergeht. Das war sein Traum vor Oslo. Danach hat er das Oslo-Abkommen
unterzeichnet.
Sharon hat also einen klugen Schachzug gemacht. Ich
sage nicht, dass das nicht gut ist, wenn man ein Stückchen geraubten Landes
zurückgibt. Aber man muss hier die ganze Situation und die Zusammenhänge
verstehen. Sharon war klug genug um zu verstehen, was die radikalen Siedler
nicht verstanden haben, obwohl er sie auch geprägt hat, er hat sie gut
ausgebildet. Aber sie haben nicht verstanden, dass man nicht alles haben kann,
während Sharon genau das verstanden hat. Man muss etwas zurückgeben oder fast
zurückgeben um zu zeigen, dass sich etwas bewegt und unter dem Deckmantel des
Theaters von der Räumung von Gaza, den weinenden Frauen, den Soldaten, die sich
umarmt haben usw. kann man mehr und mehr Land im Westjordanland enteignen, mehr
Siedlungen bauen.
Jetzt ist sehr klar, was Sharon schon vorher klar
gesagt hat: Wir werden ein paar Siedlungen im Norden des Westjordanlands
räumen, aber nicht mehr. Auch die Mauer wird weitergebaut, in so einer Weise,
die das Leben zur Hölle macht: tief in die palästinensische Gebiete, eine
Mauer, die Palästinenser von Palästinensern und von Spitälern und Schulen und
dem Land und Olivenhainen abtrennt. Das alles macht man weiter, obwohl es ein
klares Gutachten vom Gerichtshof in Den Haag gibt, das ein Jahr alt ist, weil
die Welt schweigt.
Ganz im Gegenteil, alle waren fast elektrisiert und
entzückt von dem, was in Gaza passiert ist. Wie hat man Gaza überhaupt geräumt?
Gaza ist weiter unter Kontrolle, Remote Control, Fernsteuerung eben, die
Grenzen, die Küste – Israel hat aus Gaza ein Gefängnis gemacht und sie haben
den Schlüssel. Die Grenzübergänge – Rafah wird über Fernbedienung auch kontrolliert.
Es gibt jetzt auch eine Pufferzone im Norden von Gaza. Israel kann den Strom
abdrehen, Israel hat die Kontrolle über Wasser und über die Einfuhr und Ausfuhr
von Produkten. Das alles wird von Israel kontrolliert und das alles war diese
so genannte kolossale Errungenschaft für Frieden. Man hat 8500 Siedler aus Gaza
evakuiert und gleichzeitig mehr als 15000 Siedler im Westjordanland
eingesiedelt. Ich habe Zahlen über 6291 neue Wohnungen in Siedlungen auch in
Ostjerusalem.
Wir alle hier wissen es
– das Gutachten hat das auch betont – dass die Siedlungen völkerrechtswidrig
sind und ein Verstoß gegen die Genfer Konvention. Es ist notwendig, die
Wahrheit sehr laut zu sagen, Sharons Vermächtnis darf nicht als etwas Positives
wahrgenommen werden, weil das alles sehr negativ ist. Man will den
Palästinensern nur Enklaven überlassen, so wie Homelands und sogar noch
schlimmer, und das soll ein palästinensischer Staat sein. Man kann das Staat
nennen ohne Jerusalem zu erwähnen. Jerusalem wird für immer eine ewige israelische
Hauptstadt sein. Es gibt noch keinen Palästinenser (die sind noch nicht
geboren), der so etwas unterzeichnen kann.