* Awni Al Kalemji ist Sprecher der 1992
in Schweden gegründeten Irakischen Patriotischen Allianz (IPA),
der panarabische, kommunistische und religiöse Organisationen
angehören. Al Kalemji lebt im Exil in Dänemark
F: Sie wollten mit Blick auf den
dritten Jahrestag des Überfalls der USA auf den Irak in mehreren
deutschen Städten über die Lage in Ihrer Heimat sprechen.
Sind Sie ein „Haßprediger“, wie die Berliner
Polizei am Samstag das Ihnen erteilte Redeverbot begründete?
Deutschland hat sich in eine Reihe
gestellt mit den anderen Ländern im arabischen Raum und in
Europa, die mir Redeverbot erteilt haben. Ich bin aber fest davon
überzeugt, daß dieses Verbot nicht von den deutschen
Behörden ausging – sie haben mehr oder weniger auf Wunsch der
USA gehandelt. Die Bezeichnung „Haßprediger“ kann
ich mir nur so erklären, daß ich den Widerstand im Irak
gegen die US-Besatzer unterstütze. Die gegenwärtige
Regierung in Bagdad hat deswegen einen Haftbefehl gegen mich
ausgestellt und von Dänemark, wo ich im Exil lebe, die
Auslieferung verlangt.
F: Widerstand gegen die Besetzer eines
Landes wird vom Völkerrecht ausdrücklich legitimiert. Gilt
das etwa nicht für den Irak?
Wir Iraker erwarten von niemandem eine
Genehmigung dafür, ob wir Widerstand leisten dürfen. Auch
wenn das Völkerrecht auf unserer Seite ist: Unser Land ist
besetzt, und in einer solchen Situation ist Widerstand Pflicht.
F: Was wird Ihnen denn konkret
vorgeworfen? Rufen Sie etwa zu Selbstmordattentaten auf? Oder dazu,
US-Panzer in die Luft zu sprengen?
Wir haben in unseren
Widerstandsaktionen nur ein einziges Ziel: die Besatzer, sonst
nichts. Die Medien versuchen, den irakischen Widerstand auf
Selbstmordattentate zu reduzieren – wir jedenfalls haben damit
nicht das Geringste zu tun. Wir wollen weder den Tod unschuldiger
Menschen noch arbeiten wir mit Al Qaida oder dem angeblichen
Terroristen Sarkawi zusammen. Leider bin ich zu alt und zu krank –
wenn ich jünger wäre, würde ich mich sofort dem
aktiven Widerstand gegen die US-Besatzer anschließen und mit
der Waffe in der Hand gegen sie kämpfen. Immerhin kann ich
nachts gut schlafen, wenn ich erfahren habe, daß unsere
Widerstandskämpfer wieder einmal gegen die US-Truppen
erfolgreich waren.
Wichtig in dem Zusammenhang ist, daß
der irakische Widerstand nicht nur für den Irak kämpft. Er
kämpft auch für Sie als Deutscher, er kämpft für
die Unterdrückten in der ganzen Welt. Es ist der Plan der USA,
die ganze Welt zu beherrschen – wenn sie im Irak scheitern, dann
werden sie auch anderswo scheitern.
F: Im Irak gibt es auch eine
Kommunistische Partei. Beteiligt sie sich am Widerstand?
Nein, sie ist voll auf die Linie der
USA eingeschwenkt. Sie ist zu einer Partei von Kollaborateuren
geworden.
F: Sie stehen am Anfang einer
Vortragsreise durch mehrere deutsche Städte. Die Berliner
Polizei hat Ihren Auftritt am Samstag vereitelt, die Hamburger am
Sonntag. Wahrscheinlich wird auch in den anderen Städten ein
großes Polizeiaufgebot auf Sie warten. Geben Sie jetzt auf?
Den Gefallen werde ich den Behörden
nicht tun. Andererseits werde ich natürlich die Gesetze dieses
Landes respektieren. Wie ich jetzt konkret mit meinen Auftritten bei
den geplanten Veranstaltungen umgehe, weiß ich noch nicht, ich
habe mich noch nicht entschieden.
F: Die deutschen Behörden
verweigern Ihnen ganz offenkundig Rechte, die das Völkerrecht
billigt. Hatten Sie sich so die westliche Demokratie vorgestellt?
Vorfälle wie diese zeigen, daß
die westlichen Länder schlichtweg lügen, wenn sie sich als
superdemokratisch darstellen.
F: Ein Untersuchungsausschuß des
deutschen Bundestages wird sich demnächst u. a. damit befassen,
daß Agenten des Bundesnachrichtendienstes den US-Streitkräften
bei der Auswahl von Bombenzielen geholfen haben …
Daß die Geheimdienste der
westlichen Länder an einem Strang ziehen und Informationen
austauschen, ist nicht neu. Das war schon 1991 im Golfkrieg so. Eine
andere Frage ist, ob sich die BRD-Regierung entgegen ihren
Darstellungen auch in anderer Weise an dem jüngsten Krieg
beteiligt hat. Dazu kann ich nichts sagen, da fehlen mir die
Informationen.
Interview: Peter Wolter
aus: junge welt, 13.3.2006