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Wo bleibt die Objektivität?

25. März 2006

Offener Brief an den EU-Vorsitzenden

Werter Herr Bundeskanzler Dr.
Schüssel,

vor einigen Tagen hat Israel
wieder einen seiner längst schon zur Gewohnheit gewordenen Gewaltakte gegen
Einrichtungen der Palästinensischen Autonomieverwaltung gesetzt, indem es das
Gefängnis in Jericho angriff und 15 dort inhaftierte Menschen entführte; 2
Menschen starben bei dieser Gewaltaktion. Bedauerlicherweise haben wir von
Ihnen weder in Ihrer Eigenschaft als österreichischer Bundeskanzler noch als EU-Vorsitzender auch nur irgend ein Wort der Verurteilung dieser barbarischen
Aktion gehört geschweige denn irgendwelche Taten des Protestes gesehen.

Sie werden nicht müde, Tag und
Nacht der aus einer ohne jeden Zweifel demokratischen Wahl hervorgegangenen künftigen
palästinensischen Regierung Bedingungen aufzuerlegen und mit dem Entzug von
Geldmittel – immerhin Steuergeld aller EU-Bürger und nicht etwa ihr Privatgeld
– zu drohen und vergessen dabei auch von der anderen Seite, der israelischen
Regierung, genau die gleichen Bedingungen zu verlangen, um weiterhin in den
Genuss der von der EU gewährten Vorteile zu gelangen. So verlangen sie beispielsweise
schon vorweg einen Gewaltverzicht der palästinensischen Seite, sehen aber
andererseits ruhig zu, wie die israelische Seite permanent Gewalt gegen das
palästinensische Volk ausübt.

Sie werden sofort aktiv, wenn
irgendein Hamas-Mitglied etwas sagt, wenn aber – wie vor etlichen Tagen
geschehen – der israelische Verteidigungsminister in aller Öffentlichkeit damit
prahlt, dass auch der designierte palästinensische Ministerpräsident von
„außergerichtlichen Tötungen“ durch die israelische Armee nicht ausgenommen
sei, bleiben sie stumm, als wenn derartige Handlungen nicht politischer Mord –
also genau der von Ihnen immer wieder ins Treffen geführte Terror – wären, ganz
abgesehen davon, dass bei diesen verbrecherischen Aktionen immer auch eine
Reihe von zufällig anwesenden Zivilisten getötet wird, was von Israel dann
immer als „eben nicht vermeidbare Kollateralschäden“ verniedlicht wird!

Sie fordern die designierte
palästinensische Regierung auf sich an alle bisher gemachten Abkommen zu
halten, sagen aber kein Wort dazu, dass sich Israel an derartige Abkommen
prinzipiell nicht hält. So hält beispielsweise Israel widerrechtlich Beträge
zurück, die der Palästinensischen Autonomiebehörde vertragsgemäß zustehen, um
die Beamten zu entlohnen, und statt dass die EU dagegen protestiert, versucht
sie noch zusätzlich die Situation zu verschärfen, indem auch sie ankündigt die zugesagten
Finanzmittel an die palästinensische Autonomiebehörde zu kürzen.

Jüngstes Beispiel des einseitigen
Bruchs von Abkommen durch Israel ist das militärische Eindringen in Jericho und
die Erstürmung des dortigen Gefängnisses durch die israelische Armee, womit

Israel wieder einmal sämtliche Abkommen gebrochen hat. Wo ist da Ihr Protest
geblieben? Bisher war nichts davon zu hören!

Wir ersuchen Sie deshalb sehr
nachdrücklich, geehrter Herr Bundeskanzler, in Zukunft wenigstens ein
Mindestmaß an Objektivität an den Tag zu legen, die einseitige Parteinahme für
Israel aufzugeben und nicht weiterhin an Israel andere Maßstäbe anzulegen als
an das Palästinensische Volk und seine aus einer demokratischen Wahl
hervorgegangene Regierung. Letztlich untergraben Sie damit nur noch mehr das
ohnehin schon stark in Mitleidenschaft geratene Bild sowohl der EU als auch
Österreichs.

Wir verlangen deshalb die
sofortige Verurteilung der israelischen Gewaltaktion in Jericho durch Sie
sowohl in ihrer Eigenschaft als österreichischer Bundeskanzler als auch als EU-Vorsitzender!

Gerhard Drexler

 

Dieser Brief wird vollinhaltlich von folgenden
Organisationen unterstützt:

Palästina Forum

Arabischer Palästina Club

Antiimperialistische Koordination

Kommunistische Initiative Wien

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