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Mubarak-Regime raubt 300 Familien Lebensgrundlage

29. März 2006

Soziale Säuberungen in Port Said

Am 23. März wurden in
Port Said Wohnhäuser abgerissen, welche, wie die Regierung behauptete,
baufällig und unsicher gewesen seien. In Wirklichkeit handelte es sich hierbei
um eine soziale Säuberung, um das Bauland für höherpreisige Wohnungen zu
nutzen. Den 300 Familien, die in diesen Häusern gewohnt hatten, wurde so das
Dach über dem Kopf zerstört. Und das buchstäblich. Insgesamt hat diese
Häuserzerstörung 5 Menschen das Leben gekostet und 20 verletzt. Die
Überlebenden stehen nun vor dem Nichts, einige kamen bei Verwandten unter,
andere leben auf der Straße, so wie eine Gruppe von Familien, die bei der
Universität von Port Said in einer Bushaltestelle anzutreffen sind und dort
einen Protesthungerstreik begonnen haben.

Die Aufforderung zur
Räumung dieser Wohnhäuser war bereits im Jahr 2000 ausgestellt worden. Die
Bewohner waren jedoch außerstande sich andere Unterkünfte zu leisten oder auch nur vorübergehend woanders zu wohnen, und dann in die
neugebauten Häuser zurückziehen zu können. Finanzielle Unterstützung oder
Entschädigung wurde von der Regierung verweigert, auch wurden keine
Ersatzunterkünfte zur Verfügung gestellt.

In Solidarität mit den
Familien in Port Said traten gestern auch Aktivisten von Kifaya in Alexandria
in Hungerstreik, ähnlich wie es zuvor Aktivisten in Kairo gemacht hatten.
Außerdem fand gestern ein Protestzug in Port Said gegen diese sozialen
Säuberungen und gegen das Mubarak-Regime statt. Aktivisten von Kifaya aus Port
Said aber auch aus Kairo trafen sich bei der Bushaltestelle, welche von den
Hungerstreikenden bewohnt wird, und begannen dort mit der Auftaktkundgebung. Die
Polizei blieb im Hintergrund, auch wenn im Laufe der Aktion immer mehr Zivilpolizisten
sich dem Zug anschlossen. An den ersten Tagen nach der Zerstörung der Häuser
war die Polizei jedoch ganz und gar nicht zurückhaltend gewesen und hatte
einige Hungerstreikenden, die auch einen Durststreik begonnen hatten,
spitalsreif geprügelt.

Nach der Auftaktkundgebung
bei der Universität folgten weitere Kundgebungen vor dem Regierungsgebäude und
vor dem Wohnhaus des Bürgermeisters von Port Said, Mustafa Carmel. Anschließend
besuchte man das Krankenhaus, welches zunächst verweigerte, Aktivisten zu den Verletzten
der Häuserzerstörung und der Proteste sowie zu denen, welche vom Hungerstreik geschwächt
waren, vorzulassen. Schließlich konnte eine Abordnung von drei Aktivisten von
Kifaya sowie Teilnehmern an dem Protest aus Europa – vom Antiimperialistischen
Lager – einige Verletzte in Anwesenheit von Zivilpolizisten besuchen. Die
Familie Abd el Naby, von der zwei Töchter wegen den Folgen des Hunger- und
Durststreiks im Spital waren, klagte über die schlechte Behandlung im
Krankenhaus und die völlige Gleichgültigkeit und Kaltblütigkeit der Behörden
ihnen gegenüber. Kurz bevor die Aktivisten das Krankenhaus wieder verlassen
wollten, kam es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen einem der Hungerstreiker,
der zuvor bei der Auftaktkundgebung bei der Bushaltestelle kollabiert und ins Krankenhaus
gebracht worden war, und Zivilpolizisten, die ihn aus dem Spital vertreiben
wollten. Bei dem nachfolgenden Tumult schien die Situation außer Kontrolle zu
geraten, vor allem als plötzlich das Gerücht auftauchte, dass alle Patienten,
die mit diesen Vorfällen in Zusammenhang stünden, des Spitals verwiesen und damit auf die Straße gesetzt würden. Als nach einiger Zeit klar wurde,
dass das Spital zumindest im Moment davon wieder Abstand genommen hatte,
beruhigte sich die Lage und der Protest kam bei der Universität, wo er begonnen
hatte, zu einem Ende.

Die Zukunft der Familien
bleibt ungewiss, ebenso, ob der Protest etwas an ihrer Situation ändert. Klar
ist nur, dass der Drang nach sozialen und politischen Rechten in Ägypten
stärker wird und der Hass auf die Regierung mit jeder einzelnen solchen Aktion wächst.

 

Doris Höflmayer

Port Said, 28. März 2006

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