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Kleine Geschichte des nepalesischen Befreiungskampfes

7. April 2006

von Kurt Kann
Seit 1996 führen die Maoisten im Land eine Volkskriegskampagne, womit sie die Unterstützung der ärmsten und am meisten ausgeschlossenen Schichten der Gesellschaft gewonnen hat. Große Teile der westlichen Bergregionen mit der am meisten diskriminierten Bevölkerung ist unter militärischer Kontrolle der maoistischen Guerilla.

Als der Konflikt immer gewalttätiger wurde und die Forderung nach Frieden breit geäußert wurde, boten die Maoisten der Regierung Friedensgespräche an. Während sie weiterhin für die Volksmacht arbeiten, ist ihr Vorschlag für die Friedensgespräche, eine Verfassungsgebende Versammlung einzurichten, durch welche das Volk gemäß seines Willens das politische System wählen kann, das es will. Inzwischen hat der Kampf für eine Verfassungsgebene Versammlung Unterstützung durch die große Mehrheit der Bevölkerung, selbst der städtischen Mittelschicht, gewonnen. Das zeigt sich auch in der Tatsache, dass selbst einige Parlamentsparteien diese elementare demokratische Forderung unterstützen.

Die Monarchie, die sich durch die Unzufriedenheit im Volk bedroht sieht, lehnt aber eine Verfassungsgebene Versammlung kategorisch ab. Sie läßt jeglichen Widerstand von der Armee mit Massakern, außergerichtlichen Hinrichtungen, Vergewaltigungen, Artilleriebeschuß und – seit die USA und Großbritannien Nepals Bürgerkrieg als Teil ihres „Krieges gegen den Terror“ ausgemacht haben – auch mit Bombardements beantworten. Gefangene werden in diesem Konflikt am Fuße der höchsten Berge dieser Erde längst nicht mehr gemacht.

König GYANENDRA herrscht mit despotischen Methoden, darunter Ausgangssperren, Versammlungsverbote, Medienzensur, Inhaftierungen von Politikern, Journalisten, Gewerkschafts- und Studentenführern, Verschleppen und Foltern von Menschenrechtsaktivisten, Hausarreste sowie Bevormundung der Gerichtsbarkeit. Und er ließ zuletzt die viermonatige, einseitige Waffenruhe der Guerilla ohne konstruktive Reaktion verstreichen.

60% des Landes wird von der Guerilla kontrolliert. Wo sie regiert, läßt sie Brücken und Straßen bauen, sorgt so weit als möglich, für sporadischen Schulunterricht, zieht Steuern ein und bezahlt den Angestellten ihres öffentlichen Dienstes sogar Gehälter. Dabei ist aber unklar, ob die Bauern in den abgelegenen, oft schwer zugänglichen Bergen die maoistische Erweckung tatsächlich zu schätzen wissen oder nur den Weg des geringsten Widerstands suchen, indem sie sich der Herrschaft der jeweils präsenten Macht beugen. Die Regierung in Kathmandu schert sich traditionell wenig um die Bewohner der entlegenen, rauen Bergwelt oder der Tiefebene des Tarai im Westen. Zwar machen die Chetri und Bahun (Brahmanen) aus dem Tal von Kathmandu nur 29 Prozent der 23 Millionen Einwohner Nepals aus, die sich aus einem Puzzle von nicht weniger als 60 Ethnien und Kasten mit Leibeigenen und Dalit (Unberührbaren) rekrutieren, doch Regierung und Administration sind bis heute in ihren Händen konzentriert. Dass die Verfassung von 1962 Nepal als ein Hindu-Königreich definiert und Nepali – eine Sanskrit-Sprache, die niemandes Muttersprache in diesem Lande ist – zur Landessprache bestimmt, haben die Nicht-Hindus der herrschenden Oberkaste nie verziehen. „Eine Minderheit regiert bei uns einen Vielvölkerstaat“, moniert der Politologe DEEPAK THAPA in seiner Untersuchung „A Kingdom under Siege“: „Anti-Sanskritismus ist eine der Sammlungsparolen der Maoisten“. Sogar die gemäßigte parlamentarische Linke ruft gelegentlich nach einem „wirklichen Volkskrieg“.

Die Opposition denkt seit Monaten laut über eine All-Parteien-Regierung unter dem Vorsitz eines von den Parteien gewählten (und nicht vom König bestimmten) Chefministers nach, der versuchen soll, die maoistische Guerilla zu einer Rückkehr in den politischen Prozess zu bewegen. Inzwischen halten Studenten landesweit „Referenden“ ab, die der Monarchie wie dem politischen Establishment bedeuten, abgewirtschaftet zu haben.

Doch so schnell gibt der König seine Macht nicht preis. Immerhin deutete sich ein Einlenken an, als er vor zwei Monaten einen euen Regierungschef berief: SHAR BAHADUR DEUBA, den GYANENDRA erst zwei Jahre davor wegen „Inkompetenz“ gefeuert hatte. Der sitzt nun einem dreiköpfigen Notkabinett vor, in dem er selbst mehr als zwei Dutzend Ressorts auf sich vereint. „Der König hat SHEHR BAHADUR DEUBA gebeten, ein Kabinett zu bilden, in dem soweit wie möglich alle Parteien vertreten sein sollten“, hieß es in einer Order aus dem königlichen Palast. Er soll „Gesetz und Ordnung aufrecht erhalten und bis Mitte April 2005 Wahlen für ein Parlament ermöglichen“. Das ist aber ohne Plazet der Guerilla undenkbar, so dass DEUBA sich dazu durchringen musste, seine mächtigen Gegenspieler an den Verhandlungstisch zu bitten: „Lasst uns ohne Vorbedingungen Friedensgespräche führen“, appellierte DEUBAS Stellvertreter BHARAT MOHAN ADHIKARI vor dem „Reporter’s Club“ in Kathmandu an die Guerilla. „Da der Frieden in der Regierung höchste Priorität gemießt, ist sie bereit, dafür jeden Weg zu gehen“. Bisher jedoch vermochte es die Regierung nicht einmal, Kontakt zur Guerilla herzustellen.

Am 8.2.2006 wurde von der „KPN/M“ zum Generalstreik aufgerufen. In der Hauptstadt, in Pokhara, Nepalganj, Biratnagar und Birganj sind Läden, Märkte, Schulen, Betriebe und viele Büros geschlossen geblieben. Patrouillierende Soldaten und Polizisten dominierten die Szene. Auf Straßen und Highways verkehrten nur vereinzelt Fahrzeuge, obwohl die Regierung allein in Kathmandu über 500 Busse, Taxis und Lastwagen requiriert und die Fahrer zum Dienst verpflichtet wurden. Diesem Generalstreik ging ein am 26.1.2006 von der aus sieben Parteien bestehenden Allianz für Demokratie ein landesweiter Streik voraus.

Unbeindruckt besagten Generalstreiks hat das „Rajparishad“, Nepals königliches Beratergremium“ jeoch die Bürger des Staates aufgefordert sich am 8.2.2006 an den Gemeinde- und Stadtratswahlen zu beteiligen. Diese seien ein Beitrag zur „Konsolidierung der Demokratie“. Die „KPN/M“ lehnte diese Wahlen von Anfang an ab, weil der seit etwas mehr als einem Jahr diktatorisch regierende Herrscher damit nur beabsichtige, sich ein demokratisches Mäntelchen umzuhängen und sein Regime zu legitimieren. Daher intensivierte die Guerilla ihre Angriffe auf Polizeiposten, Armeecamps und Regierungseinrichtungen. Sieben Angehörige der Sicherheitskräfte kamen dabei ums Leben, mindestens 15 wurden schwer verletzt.

„Wir haben unsere Kader angewiesen, in allen Wahlkreisen vor den Lokalen Protestmeetings und Sitzstreiks abzuhalten sowie Broschüren und Flugblätter zu verteilen, um die Wahlen zu torpedieren. Sie sind ein Schauspiel der königlichen Regierung, um ihre autoritäre Herrschaft zu legitimieren“, erklärte KRISHNA SITAULA vom „Nepali Congress“, der stärksten Partei. K.P.SHARMA OLI, ein Führer der „KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten), begründete die Ablehnung des Votums damit, dass das Klima dafür völlig ungeeignet sei. Es existiere kein Parlament und keine dem Volk verantwortliche Regierung.

Sowohl Indien als auch die USA planen und bereiten sich darauf vor, die Volksbewegung, die verbunden ist mit dem bewaffneten Aufstand, der von den Maoisten geführt wird, niederzuschlagen. Indien verfolgt nepalesische Maoisten und demokratische Aktivisten auf seinem Terrotorium und liefert militärische und polizeiliche Unterstützung für die Monarchie. Die USA haben bereits militärische Posten in Nepal und entsenden Militärberater.

Da Nepal eingebettet ist zwischen zwei riesigen Mächten, nämlich Indien und China, die beide gegen eine antiimperialistische soziale Revolution sind, ist eine internationale Solidaritätsbewegung mehr als wichtig um das Vorankommen der dortigen revolutionären Kräfte entsprechend zu unterstützen.

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