Offener Brief
an die Bundesministerin für Auswärtige
Angelegenheiten
Frau Dr. Ursula Plassnik
Ballhausplatz 2
1010 Wien
Wien, am 29. Juli 2006
Sehr geehrte Frau Bundesministerin!
Vor
wenigen Tagen am 25. Juli hat die israelische Luftwaffe einen UN
Beobachterposten mit spezieller bunkerbrechender Munition zerstört und dabei 4
unbewaffnete UN Beobachter getötet; wenn derzeit auch noch nicht mit absoluter
Sicherheit festgestellt ist dass einer davon ein Österreicher ist so ist doch
davon auszugehen, wobei es in Wirklichkeit zweitrangig ist welcher Nationalität
die Getöteten angehören und ob es sich um UN Beobachter oder um libanesische
Zivilisten handelt, die hier vor aller Weltöffentlichkeit von der israelischen
Armee getötet werden, alle sind Opfer.
Zumindest
in dieser Situation hätte man von der österreichischen Bundesregierung bzw. von
Ihnen als die diese Bundesregierung nach Außen Vertretende annehmen können,
dass Sie ihre bisherige Israel einseitig begünstigende Haltung ändern würden, eine
sehr verhängnisvolle Haltung, durch die sowohl die Österreichische
Bundesregierung ebenso wie die gesamte EU zumindest indirekt Mitschuld an dem
tragischen Ereignis tragen.
Bereits
in Ihrem am 17. Juli 2006 im Mittagjournal des ORF ausgestrahlten Interview mit
Roland Adrowitzer manifestierten Sie Ihre einseitige Parteinahme für Israel, indem Sie einerseits „die Attacken, die es gibt, gegenüber den
Israelis verurteilten“, andererseits aber an
die Israelis nur die Bitte richteten, „Zurückhaltung zu üben“, nach dem
Motto, bringt’s halt ein bisserl weniger Menschen um, schaut besser aus! Dass auch
dieser israelische Bombenterror auf den Libanon zu verurteilen gewesen
wäre kam Ihnen leider gar nicht in den Sinn, und Sie waren leider mit dieser
Haltung auch nicht alleine, denn brav marschierten nicht nur die österreichische
Bundesregierung, sondern die ganze EU im Fahrwasser der USA, der Schutzmacht
Israels in seinem Krieg gegen den Libanon. Deshalb konnte auch der ORF
Mitarbeiter in Tel Aviv, Ben Segenreich, noch am gleichen Abend auf die Frage
der ZIB 2 Moderatorin, wie lange denn diese Bombardements noch dauern würden,
sagen: „Nachdem die Reaktionen aus dem Westen sehr verhalten sind wir er sicher
noch sehr lange dauern!“
Und
so war es dann auch! Rücksichtslos wurde alles niedergebombt, auf nichts und
niemand wurde Rücksicht genommen, flüchtende Zivilisten, Krankentransporte,
alles wurde ins Visier genommen und schließlich auch der UN Beobachterposten!
Dass es sich hier um kein „Versehen“ sondern um Absicht handelt ist inzwischen
klar erwiesen. Dieser UN Beobachterposten war dem israelischen Militär seit
Jahrzehnten bekannt und, wie zahlreiche Fotos beweisen, als UN Posten auch weit und breit deutlich
erkennbar. Dazu wissen wir durch das Mail eines kanadischen UN Beobachters an
das kanadische Fernsehen CTW, dass bereits in der Woche, die diesem Mord an den
4 unbewaffneten UN Beobachtern vorausgegangen war, dieser UN Beobachtungsposten
mehrmals täglich direkt oder indirekt angegriffen wurde, sowohl durch Artilleriebeschuss
als auch von Bomben aus Kampfjets. Laut einer Erklärung des Sprechers der
UNIFIL Truppen wurde dieser Stützpunkt auch am 25. Juli den ganzen Tag über
mehrmals beschossen, mindestens 10 Mal sind Raketen dort im Abstand von 100 bis
400 Metern zu diesem Stützpunkt eingeschlagen und jedes Mal hat sich die UNIFIL
dann mit der israelisch Armee in Verbindung gesetzt, die ihrerseits versprochen
haben das Ganze zu korrigieren; statt dessen kam dann abends um ungefähr 20 Uhr
der endgültige Treffer auf den UN Stützpunkt mit spezieller bunkerbrechender
Munition.
Es
gab also den ganzen Tag über Kontakt mit der israelischen Armee darüber, dass
es bei diesem Stützpunkt Probleme gibt und die Frage, die sich natürlich viele Menschen
stellen ist, warum dieser Stützpunkt dann trotzdem einen Volltreffer bekommen
hat, zumal dieses zweistöckige weiße Gebäude mit großer UN Aufschrift und
wehender blauweißer UN Flagge wirklich weithin sichtbar war. Die Antwort darauf
ist wohl eindeutig.
Als
Reaktion auf diesen Mord an den 4 unbewaffneten UN Beobachtern haben Sie noch
am 26. Juli ihre israelische Amtskollegin angerufen und “ … ihre Empörung über
den israelischen Angriff zum Ausdruck gebracht, der durch nichts zu
rechtfertigen sei“ und anschließend den
israelischen Botschafter ins Außenministerium zitiert, und das war es dann auch
schon! Welch nachhaltigen Eindruck diese Ihre „Maßnahmen“ auf die israelische
Seite gemacht haben geht schon allein aus der Tatsache hervor, dass auch
während der gesamten Bergeaktion die Retter vor Ort immer wieder von
israelischen Bomben beschossen wurden und es selbst am folgenden Tag wegen der
anhaltenden Bombardierung der unmittelbaren Umgebung des UN Stützpunktes durch
die israelische Armee den UN Einheiten noch nicht möglich war notwendiges
schweres Bergegerät an den zerstörten Bunker heranzubringen.
Ein
Land, dem wirklich nur ein „bedauerlicher Irrtum“ unterlaufen ist und das die
weltweiten Proteste ernst nimmt würde sich hier jedenfalls anders verhalten!
Wie
also die Realität beweist haben hier lahme und zahnlose Proteste jeglichen Wert
verloren, ja in Wirklichkeit bestärken sie Israel nur in seiner bisherigen
Haltung. Jetzt sind ausschließlich direkte Sanktionen angebracht, anscheinend
die einzige Sprache, die diese israelische Regierung auch tatsächlich versteht
und über die sie sich nicht insgeheim auch noch lustig macht.
Wir,
die Antiimperialistische Koordination, verlangen daher von der österreichischen
Bundesregierung
1)
Die Einstellung sämtlicher Begünstigungen sämtlicher Begünstigungen
(sowohl politischer als auch wirtschaftlicher Art), die Israel von Österreich
eingeräumt werden, sei es im Rahmen von bilateralen Verträgen oder im Rahmen
der EU.
2)
Das Verbot jeglicher Waffenlieferungen wie beispielsweise Präzisionsgewehre an
Israel. Weiters verlangen wir von Ihnen als Außenministerin, dass Sie sich im
Rahmen der EU für ein Waffenembargo gegen Israel einsetzen.
Es
wäre zu kurzsichtig, den gegenwärtigen Konflikt isoliert sehen zu wollen, denn
er ist in Wirklichkeit nur eine Facette des seit Jahrzehnten ungelösten
Palästinaproblems. Deshalb verlangen wir weiters
1)
Permanenten Druck auf Israel dahingehend auszuüben die 1967 gewaltsam besetzten
Gebiete zu räumen und so endlich die entsprechenden UNO Resolutionen zu
erfüllen.
2)
Den durch nichts zu begründenden Boykott der in einer auch von westlichen
Wahlbeobachtern aus einer als absolut demokratisch bezeichneten Wahl
hervorgegangenen palästinensischen Regierung aufzuheben und diese Regierung
endlich als das anzuerkennen, was sie ist: die demokratische Vertretung des
palästinensischen Volkes!
Antiimperialistische
Koordination