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Walter Baier: Anti-FP-Pawlow zum Schutz Israels

1. August 2006

Oder: ist Michel Warschawski ein rechter Antisemit?

In einer Stellungnahme des von Michel Warschawski
geführten Alternative Information Center (AIC) in Jerusalem vom 30. Juli 2006
wird zum Abzug der Botschafter aus Israel als Protest gegen die blutige
Aggression auf den Libanon aufgerufen. Laut Walter Baier, ehemaliger
Parteischef der KPÖ, befindet sich Warschawski da in guter Gesellschaft mit der
FPÖ, dem antizionistischen Rabbiner Moishe Friedman sowie der Antiimperialisten
Koordination (AIK).

In einer demagogischen Operation versucht Baier all jenen,
die den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel als Protest gegen den
Aggressionskrieg fordern, ein Naheverhältnis zur FPÖ und über diese zur antisemitischen
historischen Rechten zu unterstellen. Auf die Idee zu fragen, warum denn das
liberalistische Zentrum von den Grünen über ÖVP und SPÖ bis hin zur KPÖ trotz
des ständigen Bekenntnisses zur Demokratie ihr Maul angesichts dieser
gigantischen Kriegsverbrechen nicht aufkriegt und an den Lippen Washingtons
klebt, ist er noch nicht gekommen. Dass allein die FPÖ die Forderung nach
Abbruch der diplomatischen Beziehungen erhebt, wird hier zur willkommenen
Ausrede für die De-facto-Deckung Israels und seiner Kriegsverbrechen.

Unter „rechts“ wird im Allgemeinen die Verteidigung der
sozialen Ungerechtigkeit, der Chauvinismus, die Herrschaft der Eliten
verstanden. So ist die israelische Apartheid gegen die Palästinenser der
Inbegriff von „rechts“, genauso wie seine imperialistischen Unterstützer in den
USA und in Europa.

Hinter all dieser links und rechts verdrehenden Demagogie
steht jedoch eine klare Position: der zionistische Kolonialismus ist
grundsätzlich legitim. Die Vertreibung der Urbevölkerung ist notwendig und
richtig, solange sie Reservate vorsieht. Apartheid ja, aber nur wenn dieser die
formale Selbstbestimmung in den Bantustans gegenüber steht. Baier nennt das
wechselseitige Anerkennung der Existenzrechte. Dass die einen Kolonisten sind
und die ganze Macht des Westens hinter sich haben während die anderen
Kolonisierte, die als letztes Machtmittel nur über den Einsatz ihres blanken
Lebens verfügen, gerät da aus der saturierten
Schreibstube der westlichen Zivilgesellschaft tunlichst nicht in Sichtweite.

Auch in Südafrika kam den weißen Herren kein separates
Selbstbestimmungsrecht zu. Die schwarze Befreiungsbewegung bot ihnen einen
gemeinsamen Staat an. Warum gilt das nicht für die jüdischen Siedler? Warum
sollen diese das Recht auf einen Separatstaat unter Ausschluss der
Urbevölkerung haben? Warum wird die zionistische Apartheid ständig als „einzige
Demokratie des Nahen Ostens“ beschönigt. Wir haben eine Vermutung: Israel ist
die Quintessenz der westlichen zivilisatorischen Werte, die auch mittels Krieg
verteidigt werden müssen.

Doch seine Parteinahme am Krieg der Kulturen versteckt Baier
in gutbürgerlicher Tradition hinter kantianischen pazifistischen Phrasen. So
beklagt er die zivilen Opfer auf beiden Seiten und seine KPÖ verurteilt in
einer Erklärung vom 27.7.2006 sogar „die Aggression Israels und fordert
einen sofortigen Waffenstillstand“. Doch gleich darauf wieder der Hammer: „Die
Anerkennung des Existenzrechts Israels ist eine zentrale Frage des
Nahost-Konflikts.“ Im Klartext: die Schwarzen in Südafrika müssen zuerst das
Existenzrecht des Apartheid-Staates anerkennen, dann ergibt sich der Rest.

Frieden ist nur durch Gerechtigkeit möglich und
Gerechtigkeit kann nur durch Kampf um das arabische Selbstbestimmungsrecht
erzielt werden. Wer von Frieden redet, den Palästinensern aber die politischen
Rechte verweigert, der meint Krieg. Da ist es in antifaschistischer Tradition
schon besser offen den Kampf zu proklamieren, um den Frieden zu erringen. „Wir,
linke und demokratische Parteien und Kräfte, deren Persönlichkeiten und
Positionen bereits die Ehre hatten, einen Teil der Verteidigung des Vaterlandes
1982 und in den Jahren danach zu bilden, erklären, dass wir wieder zur Waffe
greifen. (…) Wir rufen sie auf, in ihren Dörfern und Städten zu bleiben, dem
Feind mit Waffen in der Hand zu begegnen, unsere Erde, unsere Souveränität und
unser Volk zu verteidigen.“ Ob die libanesische KP, die diesen Aufruf am
29.7.2006 herausgab, von der KPÖ noch als Bruderpartei bezeichnet wird?

Zum Abschluss: warum nennt Baier nicht den Namen der
Organisation, die angeblich im Einvernehmen mit dem rechts-rechten Flügel der
FPÖ steht? Vermutlich meint er die antizionistische Gemeinde des orthodoxen
Rabbiners Friedman. Dieser kümmert sich tatsächlich wenig über schal gewordene
Demarkationen zwischen links und rechts, deren Denominationen aber allesamt den
Zionismus und das American Empire anerkennen und aktiv verteidigen. Auch für
Araber im Allgemeinen ist es schwer den Sinn von links zu erkennen angesichts
solcher Linker wie Baier. Wo Völkermord als links und antifaschistisch
daherkommt, kann nichts mehr Fortschrittliches wachsen.

Es ist die Aufgabe einer wirklichen neuen Linken, deren
Ausgangspunkt der Antiimperialismus ist, die vielgestaltige Opposition, den
wirklichen Widerstand der Unterklassen gegen den realen imperialen
Kapitalismus, in ein neues globales emanzipatorischen Projekt zu formen. Wir
arbeiten an dieser kommunistischen Bewegung, die die Lehren aus den vergangenen
Niederlagen zieht. Die zum Liberalismus transformierte imperiale Linke zeigt
uns zumindest, was es zu überwinden gilt.

Willi Langthaler
1. August 2006

Walter Baiers Debattenbeitrag in der öffentlichen
Mailingliste des Austrian Social Forum am 29.7.2006:

Nicht in meinem Namen!

Meine Position zu den tragischen Vorgängen im Libanon und im
Gazastreifen setze ich als bekannt voraus. Ich verurteile die Aggression der
israelischen Militärmaschinerie, die ich als den umenschlichen Ausdruck einer
immer tiefer in Perspektivlosigkeit versinkenden Politik betrachte. Ich fühle
mich solidarisch mit den zivilen Opfern der Angriffe im Libanon ebenso aber
auch mit denen der terroristischen Angriffe auf israelisches Territorium, die
ich nicht als Befreiungsaktionen, sondern als Verbrechen betrachte. Für mich
zeigen die vergangenen Wochen eines mit aller Deutlichkeit: Entweder die Völker
des Nahen und Mitlleren Ostens finden zu einer friedlichen und respektvollen Koexistenz
oder sie werden gemeinsam untergehen. Nach Maßgabe der Dinge kann diese
Koexistenz auf nichts anderem als in einer wechselseitigen Anerkennung der
Existenzrechte und des Rechts auf
Selbstbestimmung insbesondere des palästinensischen und des israelischen
Volks basieren, also einer Lösung nach dem Prinzip: „Zwei Völker — Zwei
Staaten“ Kräfte, die dies vertreten, gibt es in beiden Lagern, und mit
ihnen möchte ich mich verbinden.

Beim Surfen stieß ich heute vormittag zufällig darauf, dass
als Unterzeichnerin des Aufrufes zur gestrigen anti-israelischen Kundgebung in
Wien auch die „Linke“ geführt wird. Mich drängt es dazu mit aller
Deutlichkeit auszusprechen: Nicht in meinem Namen!

Der Aufruf unter den der Name „Linke“ gesetzt
wurde, unterscheidet sich wesentlich von anderen Texten (etwa dem der
Innsbrucker Plattform, der auf der Linke-HP dokumentiert ist). Sein
Schlüsselsatz lautet: „Wir sind für das Selbstbestimmungsrecht der Völker
einschließlich des palästinensischen und libanesischen Volkes, was die
Verteidigung der territorialen Integrität und die vollständige Befreiung von
fremder Besatzung beinhaltet.“ Hier wird ein Selbstbestimmungsrecht der
Völker (übrigens keineswegs nur der Region, daher weltweit) unter Ausklammerung
eines Selbsbestimmungsrechts des israelischen Volks proklamiert.

Zusammen mit dem Nebensatz, der es der Interpretation der
LeserInnen überlässt, was genau unter
„v o l l s t ä n d i g e r
Befreiung von fremder Besatzung“ zu verstehen sei, wird klar, dass
die Zersörung Israels — zumindest — mitgemeint ist!

Manche mögen es für übertrieben halten, Texte wörtlich zu
nehmen. Ich nicht. Und umso weniger, als (wiederum im Unterschied zum
Inssbrucker Text) im Wiener Aufruf auf
jede Distanzierung von Judenhass und Antisemitismus verzichtet wurde. Manche
mögen auch diese Sensibilität bezüglich des Antisemitismus für übertrieben
halten. Ich nicht. Nicht nur, weil sich inzwischen die AIK die bisher
ausschließlich von der Strache-FP erhobene Forderung nach dem Abbruch der
diplomatischen Beziehungen zu Israel angeeignet hat, sondern weil auch
zumindest eine der den Wiener Aufruf unterzeichnenden Organisationen ihr
Einvernehmen mit dem rechts-rechten Flügel der FPÖ öffentlich zur Schau stellt.

Walter Baier

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