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„Antizionismus ist nicht Antisemitismus“

11. August 2006

Rede von Rabbi Cohen in Wien

Wir veröffentlichen im Folgenden die Rede von Rabbi Ahron Cohen auf der
Internationalen Friedenskonferenz religiöser Führer, die am 19. Juni auf
Initiative der Orthodoxen Antizionistischen Jüdischen Gemeinde in Wien
stattgefunden hat.

Die Rede geht umfassend auf die
Unterschiede zwischen Antisemitismus und Antizionismus ein und stellt
überzeugend die Gründe für die notwendige Solidarität mit der palästinensischen
Sache dar. Sie geht darüber hinaus auf die religiösen Glaubensgrundsätze des
orthodoxen Judentums ein. Wir möchten an dieser Stelle vorausschicken, dass die
Mitglieder des Redaktionskollektivs mehrheitliche aus einer antifaschistischen
und marxistischen Tradition kommen und daher notwendigerweise einige unten
dargelegte Ansichten nicht teilen, insbesondere die sich aus den dargestellten
religiösen Grundsätzen ableitenden Verhaltensnormen für Juden. Allerdings
verfügen wir über keinerlei Kompetenz in religiösen Fragen und maßen uns nicht
an, Religionsvertreter darin zu belehren, im Gegenteil zollen wir gläubigen
Menschen den ihnen gebührenden Respekt. Was die angesprochenen Fragen betrifft,
sei dennoch betont, dass wir uns eher in der Tradition der säkularen jüdischen
Arbeiterbewegung verstehen, welche die Aufhebung der Unterdrückung der Juden
nur durch die Errichtung einer sozialistischen und demokratischen Gesellschaft
ortete. Dieser ideologischen Unterschiede eingedenk halten wir die
Veröffentlichung der Rede von Rabbi Cohen dennoch für wichtig, da sie anschaulich
zeigt, dass aus der jüdischen Religion keinerlei Rechtfertigung für den Aufbau
und Erhalt eines zionistischen Staates abgeleitet werden kann. Vielmehr fordert
Rabbi Cohen und seine Organisation Neturei Karta konkrete Solidarität mit der
palästinensischen Befreiungsbewegung.

Guten Abend, es ist ein Privileg, die Gelegenheit zu haben, heute zu
Ihnen zu sprechen. Meine Kollegen von Neturei Karta und ich schätzen derartige
Gelegenheiten als sehr wertvoll ein, da wir fühlen, sowohl eine religiöse, als
auch eine humanitäre Verpflichtungen haben, unsere Botschaft so oft als möglich
öffentlich zu machen. Ich hoffe und bete, dass mit des Schöpfers Hilfe hier und
an diesem Abend meine Worte und unsere Diskussion richtig und wahr in ihrem
Inhalt und ihren Schlussfolgerungen sein mögen.

Ich bin, was man einen orthodoxen Juden nennt. (Das ist ein Jude,
der bestrebt ist, sein Leben völlig in Übereinstimmung mit dem Judentum, der
jahrhundertealten jüdischen Religion, zu führen.) Ich bin hier unter dem Banner
der Vereinigung, die unter dem Namen Neturei Karta bekannt ist, was in etwa als
„Wächter des Glaubens“ übersetzt werden könnte. Wir sind keine
eigenständige Partei oder Organisation, sondern im Grunde Verbreiter einer
Philosophie zum Thema des Zionismus, die von einem großen Anteil der jüdischen
Orthodoxie geteilt wird.

Der Titel meiner Rede ist Antizionismus ist nicht Antisemitismus,
was selbstverständlich implizit bedeuten soll, dass Antisemitismus nicht
gutgeheißen werden kann, während Antizionismus begrüßt werden muss und ich
hoffe, erklären zu können, warum. Das Thema ist im Lichte der derzeitigen
Situation in Palästina und dem behaupteten Ansteigen des Antisemistismus
besonders bedeutsam für uns. Auch, weil in den Augen der Welt Zionisten mit Juden
gleichgesetzt werden und Zionismus mit Judentum. Es ist der Fehler dieser
Annahme, den ich heute aufdecken möchte. Diskussionen und Debatten zu diesem
Thema sind wichtig, weil die Angelegenheit tendenziell sowohl für Juden wie
Nichtjuden verwirrend ist. Allerdings wird die Diskussion und Debatte dazu
tendenziell unterdrückt, weil sie besonders für Juden sehr emotionsgeladen
sind.

Um die Aussage: „Antizionismus ist nicht Antisemitismus“
zu verstehen, müssen wir zurück zu den Grundlagen gehen und die verwendeten
Ausdrücke verstehen. Was verstehen wir unter „Semitismus“ (Oder
„Judentum“, „Semitismus“ ist ein Fehlbenennung davon. Was
wirklich gemeint ist, ist Anti-Judaismus.). Was verstehen wir unter
„Antisemitismus“? Was ist „Zionismus“ und was „Antizionismus“?

Zuerst müssen wir verstehen, dass Antisemistismus im Grunde eine
Ablehnung oder Hass gegen Menschen ist, gegen einen bestimmten Teil einer
Gesellschaft. Dieser Hass ist gegen jüdische Menschen gerichtet und nicht gegen
das Judentum.

Wo wir eine Gegnerschaft zur bzw. einen Hass auf die jüdische
Religion vorfinden, ist es meistens ein Ausdruck dieses Hasses. Obwohl wir auch
einen spezifischen Hass auf die jüdische Religion vorfinden, der die Form
religiöser Eifersucht annimmt, bei dem Gläubige einer Religion den Glauben an
eine andere nicht tolerieren. In diesem speziellen Fall ist die Intoleranz
meist gegen alle anderen Religionen gerichtet und nicht im Speziellen gegen die
jüdische.

Antizionismus ist eine Gegnerschaft gegen eine Philosophie, gegen
eine Idee. Die Gegnerschaft ist, zumindest der Absicht nach, gegen diese Idee
gerichtet und nicht gegen Menschen.

Antisemitismus, obwohl er solange existierte wie Juden existierten,
ist eine irreale Bigotterie. Antizionismus dagegen ist eine auf guten Gründen
basierende absolut logische Gegnerschaft gegen eine bestimmte Idee, ein
bestimmtes Ziel.

Aber sehen wir uns die Sache im Detail an. Das Judentum ist eine
weitreichende Religion, eine Lebensart. Zionismus dagegen ist ein vergleichsweise
enges und restriktives Konzept, wie ich hoffen, erklären zu können. Ich kann
Ihnen hier und heute nur einen Überblick geben und einige Aspekte des Judentums
beleuchten, die bezüglich des Zionismus relevant sind.

Lassen Sie mich zuerst kategorisch feststellen, dass Judentum und
Zionismus inkompatibel sind und sich wechselseitig ausschließen, aber lassen
Sie uns das Judentum und den Zionismus im Allgemeinen und Speziellen
vergleichen.

Lasst uns zuerst das Judentum generell betrachten. Das Judentum ist
für uns eine umfassende Art der Lebensführung. Es zeigt uns, wie wir ein
morales, ethisches, religiöses Leben im Dienste des Allmächtigen zu leben
haben. Er bestimmt jeden Aspekt unseres Lebens von der Wiege bis zum Grab. Uns
wird gelehrt und wir glauben, dass uns dieses Wissen durch göttliche
Offenbarung, wie in der Bibel beschrieben, vor etwa 3500 Jahren gegeben wurde
und das der Zeitpunkt war, der den Beginn der Judenheit markiert. Alle unsere
religiösen Bedürfnisse, praktisch wie philosophisch, sind in unseren religiösen
Lehren, der Torah, festgelegt, die die Bibel umfasst und einen umfassenden
Codex mündlich überlieferter Lehren, die auf dem beruhen, was wir als Talmud
kennen und der seit Generationen weitergegeben wird.

Zionismus ist andererseits eine säkulare areligiöse Philosophie,
die vor etwa hundert Jahren von einigen säkularen Juden hervorgebracht wurde,
wobei unter „säkularen Juden“ Juden zu verstehen sind, die in der
Mehrheit ihre Verbindung zur jüdischen Lebensart, die ihnen über Generationen
vermittelt wurde, abgeschnitten hatten.

Hier finden wir also den ersten grundlegenden Unterschied zwischen
dem Judentum und dem Zionismus. Zionismus ist säkular, materialistisch, ohne
speziellen religiösen Glauben und ohne spezielle moralische oder ethische
Verpflichtung. Judentum bedeutet Göttlichkeit, Moral, ethische Standards,
religiösen Glauben. Es ist daher offensichtlich, dass eine Gegnerschaft zum
Zionismus keinerlei logische Verbindung zu einer Gegnerschaft gegen Menschen
hat, die dem Judentum anhängen oder zu ihm in Verbindung stehen.

Nun ein Blick auf die Aspekte des Judentums, die besondere Relevanz
in Bezug auf den Zionismus haben. Der erste dieser Aspekte ist die Frage des
Landes. Wie erwähnt ist unsere Religion eine umfassende Art der Lebensführung,
die jeden Aspekts unseres Lebens umfasst. Darin inbegriffen ist auch die
Landfrage. Von Anbeginn an lehrte uns die Torah, dass uns unter bestimmten
Bedingungen Land gegeben werden würde, das Heilige Land, jetzt als Palästina
bekannt, in dem wir unser Leben im Dienste des Allmächtigen leben würden.

Was waren diese Bedingungen? Sie waren im Grunde, dass wir die
höchsten moralischen, ethischen und religiösen Standards aufrechterhalten
sollten. Uns wurde gelehrt und es war vorausgesagt, daß die Juden ins Exil
gesandt werden würden, wenn diese Bedingungen nicht erfüllt würden. Wir hatten
dieses Land ungefähr die ersten tausendfünfhundert Jahre unserer Existenz.
Bedauerlicherweise wurden diese Bedingungen nicht im erforderlichen Ausmaß
erfüllt und die Juden wurden von ihrem Land vertrieben. Für in etwa die letzten
zweitausend Jahre lebten die Juden im Status des Exils, das ihnen vom
Allmächtigen bestimmt wurde, da sie die von ihnen erwarteten Standards nicht
aufrechterhalten hatten. Dieser Status des Exils existiert bis zum heutigen
Tag. Es ist ein grundlegender Teil unseres Glaubens, dieses göttliche Dekret
des Exils bereitwillig zu akzeptieren, nicht zu versuchen, dagegen anzukämpfen
oder es durch unsere eigene Hand zu beenden. Das Judentum lehrt, dass es uns
unter Eid verboten ist, zu versuchen, aus eigenen Anstrengungen dieses Exil zu
beenden und einen eigenen Staat in Palästina zu errichten und erst recht nicht
gewaltsam. Uns wird gelehrt, dass das Exil bedeutet, die Autorität der Völker,
die die Länder in Besitz haben, in denen wir leben, einschließlich Palästina,
zu akzeptieren, nicht gegen diese Autorität zu rebellieren, sondern ihr
Wohlergehen zu unterstützen. Letztlich wird uns gelehrt, dass ein Nichterfüllen
dieser Einschränkungen eine Rebellion gegen die Wünsche des Allmächtigen
darstellt und grimmige Konsequenzen nach sich ziehen würde.

Wie sieht es mit dem Zionismus aus? Er wurde ungefähr vor hundert
Jahren etabliert, hauptsächlich durch säkulare Menschen, die, wie ich vorher
erwähnte, ihre Religion abgestreift hatten, aber die das, was sie als Stigma
der Juden im Exil betrachteten, behielten. Ihre Annahme war, dass unser Status
des Exils Ergebnis einer Haltung der Unterwerfung war, der „Golus
Mentalität“, und kein göttliches Dekret. Ihr Ziel war die Verbreitung
einer neuen Idee unter Juden, die daraus bestand, einen jüdischen Staat in
einer jüdischen Heimat zu schaffen. Das Land, das sie zur Verwirklichung ihres
Ziels erwählten, war Palästina. Der Grund war keinerlei religiöser, rufen Sie
sich in Erinnerung, dass sie eine total säkulare Gruppe waren, sondern
wahrscheinlich aufgrund der historischen und kulturellen Verbindungen, die
Juden zu Palästina hegten und daher hofften die Zionisten, ihre neue Idee für
die jüdischen Massen attraktiver zu machen. Prinzipiell waren sie darauf
eingestellt, jegliches Land in Betracht zu ziehen. Tatsächlich wurde zu einem
bestimmten Zeitpunkt Uganda vorgeschlagen. Die dahinterstehende Philosophie
ihres Ziels war, den Weg aus dem Exil durch ihre eigenen Bemühungen
voranzutreiben.

Es ist wohl klar, dass diese zionistische Ideologie ein Schlag ins
Gesicht der jüdischen Religion in Hinblick auf ihre Haltung zur Exilfrage, wie
zuvor skizziert, ist und völlig inkompatibel mit der jüdischen Lehre ist.
Tatsächlich erklärten die großen jüdischen religiösen Autoritäten den Zionismus
als blanke Häresie, als seine Ideologie zu greifen begann.

Einmal mehr: Antizionismus, also die Gegnerschaft gegen das
zionistische Ziel der Errichtung eines jüdischen Staats, ist mit Sicherheit
kein Antisemitismus, da das Judentum selbst in totaler Opposition zu diesem
Ziel steht, wie ich erläuterte.

Ein weiterer Aspekt des Judentums mit Relevanz zum Zionismus ist
die Frage der jüdischen Identität und Nationalität. Die jahrhundertealte
Lebensart des Judentums stellt die Meßlatte jüdischer Identität dar. Ich würde
sagen, dass es nachweislich wahr ist, dass die Identität eines Juden, eines
Mitglieds des jüdischen Volks, durch seine Verbundenheit mit dem Judentum
entsteht und nicht, wie bei den meisten Nationen, durch eine Verbundenheit mit
einem bestimmten Land. Das ist Ergebnis der Tatsache, dass das jüdische Volk
seit zweitausend Jahren ohne eigenen Staat ist, in alle vier Windrichtungen
zertreut wurde, sich aber seine Identität durch die Verbundenheit mit dem
Judentum bewahrte.

Natürlich werden viele den Einwand erheben, daß die Mehrheit der
Juden heute, selbst die in der Diaspora, die keinerlei Verbindung zu eine
jüdischen Staat haben, offenbar keine Verbindung zum Judentum mehr haben und
dennoch eine jüdische Identität behielten. Allerdings müssen wir nur drei oder
allerhöchstens vier Generationen zurückgehen, um zu sehen, dass ihre Vorfahren
praktizierende orthodoxe Juden waren. In anderen Worten: Sie bewahrten sich
einen bestimmten Grad jüdischer Identität durch den fortgesetzten, aber
schwächer werdenden Effekt der Verbundenheit ihrer Vorfahren mit dem Judentum.
Ich spreche von „schwächer werdend“, weil dieser Einfluss an
Bedeutung verliert. Sie werden niemanden mit dem Bewusstsein einer jüdischen
Identität finden, deren Vorfahren sich, sagen wir, vor fünfhundert Jahren vom
Judentum lossagten.

Das zionistische Konzept jüdischer Identität ist ein komplett
säkulares, typisch nationalistisches, auf einem Staat beruhendes. Das ist
allerdings keine jüdische Identität, sondern eine zionistische oder israelische
Identität, was etwas gänzlich anderes ist.

Es ist einmal mehr augenfällig, dass es etwas völlig anderes ist,
gegen eine zionistische Identität zu sein, als gegen eine jüdische Identität,
da beides völlig unterschiedliche Konzepte sind.

Bis jetzt sprach ich von Konzepten, die etwas vage und unwirklich
für das Bewusstsein des Durchschnittsbürgers sein mögen; theologische Theorie
vielleicht auch für die meisten von Ihnen hier. Allerdings existiert ein
weiterer Aspekt des Judentums mit Relevanz zum Zionismus, den die meisten
Menschen zuordnen können, denke ich. Das ist die Frage jüdischer religiöser
Werte des Humanismus.

Grundlegende humanitäre Werte in der jüdischen Lehre sind Mitgefühl
mit und Rücksicht auf den Nächsten und ein Respekt aus tiefem Gewissen für die
Rechte und das Eigentum des Anderen; umsomehr für dessen Leben. Das impliziert
ausdrücklich, dass das orthodoxe Judentum der palästinenischen Sache in
völliger Sympathie gegenübersteht. Der Zionismus ist die exakte Antithese zu
diesen Werten, ist die Entschlossenheit zum Ziel des eigenen Staates ohne
jegliche Rücksicht darauf, was es für die bedeutet, die diesem Ziel im Wege stehen,
seien es Palästinenser oder Juden.

In den Schriften der Begründer des Zionismus und in ihren
öffentlichen Erklärungen ist es bestens dokumentiert, dass sie zur
Verwirklichung ihres Ziels in voller Absicht die Auswirkungen auf die
eingeborene Bevölkerung, das palästinensische Volk, hinnahmen. Leben, Eigentum
und das Recht auf Selbstbestimmung der Palästinenser waren ohne jegliche
Relevanz für sie, sollten sie der Gründung des Staates entgegenstehen. Sogar
Leben und Wohlergehen ihrer eigenen jüdischen Brüder und Schwestern, physisch
oder spiritiuell, ist für sie zweitrangig verglichen mit der Gründung und dem
Erhalt ihres Staates. Diese Grundhaltung setzt sich bis zum heutigen Tag fort
und ist in Wirklichkeit die tiefliegende Ursache für den Kampf und das
Blutvergießen in Palästina, nichts sonst. Der Zionismus hat und hatte immer das
Ideal einer Errichtung eines sektiererischen, bigotten Staates über die Köpfe
der angestammten Bevölkerung, der Palästinenser, hinweg und das resultierte in
einer fürchterlichen Konfrontation. Wie wir alle wissen, führte diese
Konfrontation zu furchtbarem Blutvergießen und fürchterlicher Brutalität ohne
dass ein Ende in Sicht wäre, sofern kein radikaler Wechsel stattfindet.

Einmal mehr ist es mehr als offensichtlich, dass die logische und
begründete Gegnerschaft zur antihumanitären Haltung des Zionismus keinerlei wie
auch immer gearteten Bezug zur alten Bigotterie des Antisemitismus hat.

Antizionismus ist daher eine logische Gegnerschaft zu einem
Gedankengut, das von manchen Mitgliedern des jüdischen Volks geteilt wird, das
rassistisch, faschistoid und völlig inakzeptabel ist. Antisemitismus dagegen
ist eine irrationale Bigotterie und eine Abneigung gegen ein ganzes Volk. Ich
denke daher, es ist offensichtlich, dass Antizionismus nicht einmal mit großer
Anstrengung der Phantasie dasselbe sein kann wie Antisemitismus.

Ich erwähnte es bereits zuvor und es wurde durch meine Ausführungen
klarer, dass das Judentum und der Zionismus völlig inkompatibel und sich gegenseitig
ausschließend sind.

Die zionistische Bewegung ist eine völlige Aufgabe unserer
religiösen Lehren und unseres Glaubens generell und, im Speziellen, eine
Aufgabe unseres Zugangs zu unserem Status des Exils und unserer Haltung zu den
Völkern, mit denen wir leben. Das praktische Ergebnis des Zionismus in der Form
des Staates, der unter dem Namen „Israel“ bekannt ist, steht in
völliger Feindschaft zum Judentum und zum jüdischen Glauben. Die Ideologie des
Zionismus ist es, nicht auf göttliche Vorsehung zu vertrauen, sondern das
Gesetz in die eigene Hand zu nehmen und das Ende der Diaspora in Form eines
Staates zu erzwingen. Das ist komplett konträr zum Zugang zur Frage des Exils,
den uns die Torah auferlegt und wie ihn uns unsere großen religiösen Führer
vermittelten. Durch seine Behandlung des palästinensischen Volkes verhöhnt der
Zionismus außerdem die jüdischen Werte des Humanismus gänzlich.

Es gab und gibt allerdings ein weiteres zionistisches Phänomen, das
Verwirrung stiftet: das der religiösen Zionisten. Das sind Menschen, die
behaupten, treue Anhänger der jüdischen Religion zu sein, die aber durch die
zionistische, säkulare, nationalistische Philosophie soweit beeinflusst wurden,
dass sie ihrem Judentum eine neue Dimension anfügten – den Zionismus, das Ziel,
einen jüdischen Staat in Palästina zu errichten und auszudehnen. Sie versuchen
das mit größter religiöser Inbrunst zu erreichen (Ich nenne es
„Über-Judentum“). Sie behaupten, ihr nationalistisches Gedankengut
ist der jüdischen Religion eigen und sie versuchten irreführenderweise, den
Zionismus im Lichte des Judentums zu rationalisieren. Das ist ein Phänomen, das
hauptsächlich während und vielleicht wegen des 2. Weltkriegs entstand und
gleichwohl eine totale Abkehr von der Jahrhunderte alten Lehre des orthodoxen
Judentums darstellt. Diese religiöse Zionisten verhöhnen ebenso durch ihre
Behandlung des palästinensischen Volkes die grundlegenden jüdischen Werte des
Humanismus.

Wir haben ein grundlegendes Problem und das ist, dass die Zionisten
als Repräsentanten und Sprecher aller Juden auftreten und durch ihre Handlungen
Animositäten gegen alle Juden hervorrufen. Die, die diese Animositäten in sich
tragen, werden in der Folge des Antisemitismus beschuldigt. Obwohl es mehr als
klar ist, dass Gegnerschaft zum Zionismus und dessen Verbrechen nicht Hass
gegen Juden oder Antisemitismus impliziert, sind die Vergehen des Zionismus
doch eine Ursache für Antizionismus, der in Antisemitismus alten Gesichts
umschlägt. Paradoxerweise sind der Zionismus selbst und seine Taten die größte
Ursache modernen Antisemitismus, anstatt Abhilfe gegen Antisemitismus zu
schaffen. Zusätzlich unterstützt der Zionismus direkt den Antisemitismus als
ein Mittel, mehr Immigranten für seinen Staat zu begeistern.

Die Verwechslung von Antizionismus und Antisemitismus geht bis in
höchste Regierungskreise. Sie ist die einzige Erklärung, die ich für etwas
geben kann, was mich ständig erstaunt und zwar, wenn ich die Behauptungen von
Nationen, wie den USA und Großbritanniens beobachte, Israel wäre ein
demokratischer Staat, obwohl tatsächlich das gesamte Konzept Israels
augenscheinlich undemokratisch ist und immer war und obwohl ein kleiner Blick
zurück in die Geschichte zeigt, dass dieser Staat auf die Gewalt gegründet ist
(und Großbritannien war ein Opfer dieser Gewalt), gegen die diese Länder jetzt
protestieren. Die freie Welt begann den Zweiten Weltkrieg, um exakt die Art der
Politik auszurotten, die sie jetzt durch die Unterstützung des Staates Israel
entschuldigen.

Zusammenfassend: Nach den Lehren der Torah und dem jüdischen
Glauben ist der gegenwärtige palästinensisch-arabische Anspruch, Palästina zu
regieren, richtig und gerecht. Der zionistische Anspruch darauf ist falsch und
kriminell. Unsere Haltung gegenüber Israel ist, dass dessen ganzes Konzept ein
Irrtum und illegitim ist. Daher ist Antizionismus mit Sicherheit nicht
Antisemitismus.

Ich möchte gerne mit folgenden Worten schließen: Oftmals hört man,
Juden und Araber könnten nicht zusammen leben. Wir möchten der Welt zurufen,
unseren arabischen Nachbarn im Besonderen, dass es keinen Hass und keine
Animositäten zwischen Juden und Arabern gibt. Wir wünschen uns, als Freunde und
Nachbarn gemeinsam zu leben, wie wir es großteils über Jahrhunderte, ja sogar
Jahrtausende in allen arabischen Ländern taten. Es war ausschließlich das
Erscheinen der Zionisten und des Zionismus, das diese jahrhundertealte
Beziehung umstieß. In historischer Sicht fanden Juden häufig Zuflucht in
arabischen Ländern, wenn sie in Europa verfolgt wurden. Unsere Haltung
gegenüber Arabern soll einzig und allein eine der Freundschaft und des Respekts
sein.

Wir betrachten die Palästinenser als das Volk, das das Recht hat,
in Palästina zu regieren.

Der zionistische Staat, der unter dem Namen „Israel“
bekannt ist, hat kein Existenzrecht. Seine fortgesetzte Existenz ist die
grundlegende Ursache für den Kampf in Palästina.

Wir beten für eine friedliche Lösung, die aus der furchtbaren und
tragischen Sackgasse führt. Vielleicht auf Grundlage von Ergebnissen, die
moralischer, politischer und ökonomischer Druck der Nationen der Welt bewirken.

Wir beten für ein Ende des Blutvergießens und für ein Ende des
Leidens aller unschuldigen Menschen, Juden wie Nichtjuden gleichermaßen,
weltweit.

Wir warten auf die Auflösung des Zionismus und den friedlichen
Abbau des zionistischen Regimes, was ein Ende des Leidens des palästinensichen
Volkes bringen wird. Wir würden die Gelegenheit begrüßen, in Frieden im
Heiligen Land unter einer Herrschaft zu verweilen, die völlig mit den Wünschen
und dem Streben des palästinensischen Volkes übereinstimmt.

Es möge bald die Zeit kommen, in der alle Menschen in Frieden
miteinander leben.

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