Die
Hintergründe der Spaltung in der Wiener Solidaritätsbewegung
Im Vergleich
mit den anderen europäischen Staaten zeichnet sich Wien durch die Schwäche der
Solidaritätsbewegung (insbesondere mit den arabischen Themen), das niedrige
politische Niveau dieser Bewegung und die Spaltung, die fast chronisch ist,
aus. Diese Spaltung hält seit dem Beginn der palästinensischen Intifada im Jahr
2000 an und kennzeichnete auch die Aktionen der Antikriegsbewegung (Irak) und
schließlich die Proteste gegen den Bush-Besuch.
Die selbe
Spaltung sehen wir heute bei den Protesten und Solidaritätsaktionen anlässlich
der Libanon-Kriegs. Der normale Bürger, der auf die Ankündigung einer Aktion
wartet, in welcher er/sie seine Position ausdrücken kann, wird mit zwei
Aktionen überrascht, bedauert die Spaltung und kommentiert dies mit dem
klassischen Satz: „Die Araber haben sich darauf geeinigt, nicht einig zu
sein“. Man wünscht die Einheit, weiß aber nichts über die Hintergründe der
Spaltung, die vielmehr auf ein Problem hinweist, das organisch mit den in
Österreich operierenden Organisationen, ihrer Natur und ihrem politischen
Charakter zusammenhängt.
Daher sehen
wir heute, wo alle gemeinsam in Solidarität mit dem libanesischen Widerstand
stehen, die Notwendigkeit, alle darüber aufzuklären, was bei den Vorbereitungen
der Demonstrationen gegen den Krieg im Libanon hinter den Kulissen gelaufen
ist.
Wir im
Arabischen Palästina-Club (APC) möchten zuerst auf die folgenden Punkte
hinweisen:
- Wir im APC haben immer Wert darauf
gelegt, die ganze Wahrheit unter den Massen publik zu machen und alle
Zeichen der Korruption und der politischen Abhängigkeit aufzuzeigen. Wir
verurteilten immer alles, was den arabischen nationalen Konstanten
widerspricht. Dies gilt vor allem für die Palästina-Frage und das Recht
der arabischen und islamischen Völker auf alle Mittel des Widerstands. Die
Palästina-Frage und der gesamte palästinensische Boden und das Recht auf
Widerstand gegen Besatzung, Tyrannei, Konfessionalismus und Unterdrückung
waren und sind immer eine rote Linie, und wir erlauben weder uns noch den
anderen diese rote Linie zu überschreiten, ungeachtet der eventuell damit
verbundenen temporären Vorteile.
- Wir haben immer davor gewarnt, dass die
arabischen Schicksalsfragen in eine Verhandlungskarte in den Händen
bestimmter Führungen umgewandelt werden bzw. dass diese zum Stimmenfänger
der einen oder der anderen österreichischen Partei werden. Wir lehnen es
auch ab, dass die erkämpften Rechte und Errungenschaften der moslemischen
Gemeinde zu einer Trumpf in der Hand der österreichischen Regierung
werden, die uns zwingt, die arabischen Nationalrechte und die
Unterstützung des Widerstands in unseren Ländern aufzugeben und vor den
zionistischen Terror-Diffamierungen des Widerstands klein beizugeben.
- Es ist bedauerlich, dass die
vermeintlichen Vertreter der Moslems hierzulande nicht begreifen, dass die
qualitativen politische Einbußen, die sie mit der Verbreiterung der
Solidaritätsbasis rechtfertigen, nach dem Ende der Demonstrationen als
Konsens bleiben. Nachdem der Vertreter der einen oder der anderen Partei
mit seiner Rede fertig ist und jeder nach Hause geht, bleiben die
politisch verkürzten Positionen als selbstverständlich und geben der österreichischen
Regierung und ihrer Institutionen die Legitimität, die US-amerikanische
und zionistische Politik zu befolgen. Der Widerstand und seine Befürworter
werden dadurch kriminalisiert, der Antizionismus wird zu Antisemitismus
und die politische Repression zu Terrorbekämpfung.
- Diese feigen und opportunistischen
Positionen machen der österreichischen Regierung und ihren Institutionen
die Mission leichter, solange kein vermeintlicher Vertreter der Moslems in
diesem Land den Mut hat, ein Wort zugunsten des Widerstands und gegen den
Zionistenstaat von sich zu geben. Sogar die islamischen Parolen und die
Widerstandssymbole werden bei den Großaktionen von diesen angeblichen
Vertretern verboten. Wie kann einer den Mut dazu haben, der selbst nicht
einmal den Mut hatte, die Einladung des amerikanischen Botschafters zu
einem Ramadan-Abendessen abzulehnen, das in der selben Nacht der
Erstürmung der irakischen Stadt Fallouja stattgefunden hat? Wie kann
jemand die Solidaritätsbewegung mit dem Libanon führen, wenn derselbe sich
bei den Irak-Aktionen von der irakischen Fahne gestört fühlte? Wie können
sie das, wenn sie das politische Niveau der Aktionen so tief herabsetzen,
dass sie sich bei der österreichischen Regierung fast für die Aktionen
entschuldigen?
Diese Führungen setzen auf die Gedächtnisschwäche der Massen und auf
eine unendliche Fähigkeit der Regierung und ihrer Institutionen, die Moslems zu
erpressen.
- Um die Stimmen der Araber und der
Moslems nicht zu verlieren und um ihre Integrationspolitik gegenüber dem
islamischen Quantum hierzulande fortzusetzen, versuchen die
österreichischen Parteien (vor allem die SPÖ), ihre pro-zionistischen
Haltungen möglichst zu vertuschen, indem einige ihrer Vertreter Positionen
abgeben, die scheinbar mit der arabischen Sache solidarisch sind. Jedoch
geschieht dies in einem Maß, das die Partei in keine verbindliche Position
bringt, die die Zionisten und die Amerikaner ärgern könnte. Dafür nehmen
sie einige islamische Institutionen zu Hilfe und präsentieren moslemische
Persönlichkeiten, welche die Partei innerhalb der Gemeinde vertreten.
Zugleich arbeiten diese Persönlichkeiten daran, die Maximalforderungen der
Gemeinde herabzusetzen, damit die eventuellen Versprechungen in keinem
Widerspruch mit dem Parteiprogramm stehen. Somit wird jede Kleinigkeit,
die an sich selbstverständlich und ein Teil der Grundrechte ist, als eine
Errungenschaft der Partei und deren moslemischen Makler verkauft, die auch
damit zu ungekrönten Führungspersonen der Gemeinde werden. Die Partei
präsentiert sich dann über diese Makler als die Interessenvertretung der
Gemeinde und der Beschützer des Pluralismus und der Toleranz (Beispiel:
Während sogar der ORF die schäbige Aktion der Regierung kritisierte, die
nach einem bitteren Reiseweg in Rom gelandeten Bürger, die vor dem Krieg
im Libanon geflohen sind, mit Autobussen statt mit Passagierflugzeuge
abzuholen, bedankte sich der „moslemisch Parlamentarier“ Omar
Rawi bei der Regierung für diese „Großzügigkeit“.)
- Seit den ersten Demonstrationen in
Solidarität mit der palästinensischen Intifada, forderten die Vertreter
der österreichischen Sozialdemokraten und Grünen sowie einiger
pro-zionistischen Organisationen der Friedensbewegung den Ausschluss der
radikalen und „antisemitischen“ Organisationen. Gemeint waren
die Organisationen, die den zionistischen Staat gänzlich ablehnen und ihre
Sympathie mit dem bewaffneten Widerstand und seinen Fraktionen nicht
verheimlichen. Viele arabische und islamische Organisationen akzeptierten
damals diese Forderung, um angeblich der Solidarität „Breite“ zu
verleihen. Dies war eigentlich der erste Bruch in der
Solidaritätsbewegung, nachdem dieser Ausschluss in den folgenden Aktionen
zum politischen Konsens wurde. Die Bewegung spaltete sich in
„Friedens- bzw. Anti-Kriegsbewegung“ und in Solidaritäts- und
antiimperialistische Bewegung.
- Wir haben uns immer um einen Dialog mit
allen Strömungen bemüht, um eine Aktionseinheit zu schaffen, in der jede
Gruppe das Recht behält, sich politisch auszudrücken. Unsere Bemühungen
stoßen aber auf taube Ohren bei den Gruppierungen, die dem
österreichischen Establishment nahe stehen. Diese entschieden sich immer
für ihre engen eigenen Interessen, die organisch an das Establishment
gebunden sind. Dies geschah sowohl auf kosten der Einheit als auch der
politischen Position. Als diese aber zu weit mit den politischen
Abstrichen gegangen sind, fanden wir uns immer dazu gezwungen, uns an die
Massen zu richten, damit die Menschen diese Positionen und Handlungen
selbst beurteilen können. Dies wird um so nötiger mit der medialen
Hegemonie dieser politischen Linie, die sich von den staatlichen Medien
erstreckt bishin zu einigen Moscheen, die heute nunmehr zum Sprachrohr des
Establishments geworden sind.
(…)
In
Anbetracht dieser Angaben, halten wir im APC Folgendes fest:
- keine Kompromisse beim Recht auf
Widerstand und bei der Priorität der Solidarität mit und der Unterstützung
des Widerstands und aller seiner Fraktionen in Palästina, im Irak und im
Libanon.
- Keine Kompromisse bei der Ablehnung des
Zionistenstaates und beim Recht der arabischen und islamischen Völker auf
den Kampf zur Befreiung des gesamten palästinensischen Bodens.
- Die Ablehnung aller Versuche des
österreichischen Staates und seiner Institutionen, die
Solidaritätsbewegung zu kanalisieren bzw. zu diffamieren und die Ablehnung
der Kontrolle von Personen, die vom Staat gestellt wurden, über die
Solidaritätsbewegung.
- Wir rufen alle arabischen, islamischen
und solidarischen Kräfte zu einem wahren und erpressungsfreien Dialog auf,
um die Solidaritätsaktionen in einer Form zu vereinen oder wenigstens zu
koordinieren, die diese Bewegung ihrer politischen Bedeutung nicht
berauben.
Wir rufen
alle auf, sich an allen Solidaritätsaktionen und -veranstaltungen ausnahmslos
zu beteiligen. Zugleich rufen wir alle auf, ohne Angst ihre Unterstützung des
Widerstands und ihre Verurteilung der amerikanischen und europäischen
offiziellen Haltungen zum Ausdruck zu bringen. Die arabischen Schicksalsfragen
sind höher geordnet als die politische Karriere einiger Parteigänger und Establishment-Instrumente
und sicherlich wichtiger als „der moslemische Parlamentarier“.
Arabischer
Palästina Club
5. August
2006