Alltag in Nahost
Am 28. Februar hat das Gericht von Brügge sieben politische
Aktivistinnen und Aktivisten zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Sie
werden der Mitgliedschaft in einer Organisation angeklagt, der in der Türkei
aktiven DHKP-C, die von der EU als terroristische Organisation eingestuft wird.
Die Urteile fußen auf einem belgischen Antiterrorismusgesetz, das im Dezember
2003 in Kraft getreten ist. Allerdings sind die Beweise, die gegen die
Aktivisten ins Feld geführt werden, sehr dünn. Einer der Angeklagten, Bahar
Kimyongür, wurde beschuldigt, ein Flugblatt der DHKP-C übersetzt und verbreitet
zu haben. Einer anderen Aktivistin, Sükirye Akar, wird vorgeworfen eine als
klandestin eingestufte Wohnung betreten zu haben. Diese Tatsachen beweisen,
dass der Prozess nichts mit einem herkömmlichen Strafrechtsprozess zu tun hat.
Es handelt sich vielmehr um einen Akt der gerichtlichen Verfolgung einer
politischen Meinung.
Kimyongür war als belgischer Staatsbürger nach der
Urteilsverkündung auf freien Fuß gesetzt worden, da das Urteil noch nicht
rechtskräftig war. Er wurde daraufhin im April in Holland verhaftet, ohne das
gegen ihn irgendetwas vorlag. Grundlage für die Verhaftung war ein
internationaler Haftbefehl und ein türkisches Auslieferungsansuchen. Obwohl die
Türkei über keinerlei rechtliche Grundlage verfügt um die Auslieferung eines
belgischen Staatsbürgers zu verlangen, wurde Kimyongür monatelang in Holland
festgehalten, während das türkische Ansuchen überprüft wurde. Inzwischen
befindet er sich wieder in Belgien. Der Prozess gegen ihn und die anderen
angeklagten Aktivistinnen und Aktivisten wird im September fortgesetzt. Protest
gegen das beligsche Skandalurteil, Solidarität mit den Angeklagten sowie die
Verteidigung des Rechts auf politische Meinungsäußerung sind dringend
notwendig.
Weitere Informationen über den Prozess von Brügge:
Clea – Comità© pour la Libertà© d’Expression et d’Association
Einer der italienischen Politiker, die sich am meisten für die Aufklärung der
geheimen CIA-Überflüge eingesetzt haben, bekam vor kurzem einen Brief mit
Morddrohungen.
Es handelt sich um Claudio Fava, Europaabgeordneter der Linksdemokraten und
Leiter des Untersuchungsausschusses der Europäischen Union über die geheimem
CIA-Gefangenentransporte.
„Nimm dich in Acht“, heißt es in dem Schreiben, „plauder nicht,
sonst wird es dir gehen wie deinem Vater!“
Giuseppe Fava, der Vater Claudio Favas,, war einer der schärfsten und mutigsten
Anti-Mafia-Journalisten Italiens. Am 5. Jänner 1984 wurde Giuseppe Fava in
Catania von der Cosa Nostra umgebracht, ebenso wie eine Reihe anderer
progressiver Journalisten, Richter und Politiker. Er ist, nicht erst mit seinem
Tod, eines der größten Vorbilder für den einsatzbereiten und unabhängigen
Journalismus Italiens geworden.
Von wem kam die ekelerregende Anspielung auf die feige Ermordung seines Vaters?
Die Drohung nach Mafia-Art ist gleichfalls eine Schnellreaktion auf einen
offenen und mutigen Angriff auf den Sismi, den italienischen militärischen
Geheimdienst. Der Brief wurde genau am Tag nach einem Interview Favas mit dem
Corriere della Sera veröffentlicht, in dem Fava gefordert hatte, Pollari, der
Chef des Sismi solle, im Interesse des Sismi, zurücktreten.
Dass der Sismi, inklusive seine Führung,
Mitakteur der CIA-Entführungsaktion ist, das ist inzwischen in Italien
Gemeingut.
Gegeninformationsinitiative Aug und Ohr
Adamo Bove war derjenige Daten- und Kommunikationsspezialist, der mit seinen
technischen Kenntnissen wesentlich dazu beigetragen hat, dass vier Personen,
die an der Entführung Abu Omars mitwirkten, über ihre Handy-Gespräche
identifiziert werden konnten. Von Bove war ein Sonderprogramm installiert
worden, mit dem Gespräche abgehört werden konnten, ohne dass dies von den
Betroffenen bemerkt wurde. Er arbeitet dabei eng mit den Behörden zusammen.
In zentraler Position – er war Sicherheitsbeauftragter bei Telecom Italien hat
er also wesentlich beigetragen zur Aufklärung über die Kooperation des Sismi
bei der illegalen CIA-Operation und hat einen wichtigen Baustein geliefert für
die aus den Ermittlungen der Mailänder Staatsanwaltschaft resultierende klare
und logische Notwendigkeit der Delegitimierung der US-italienischen Kriegs- und
Geheimdienstpartnerschaft.
Prodi wie Pollari spielen in ihren vorsichtigen Statements immer wieder auf
diese oberste CIA-Raison an.
Bove fiel am 21. Juli in Neapel von einer Zufahrtsbrücke zu einer Autobahn auf
eine darunterliegende Fahrbahn.
Die Zeitungen titelten mit großer Schnelligkeit: „Er hat sich
umgebracht!“ So sicher ist man sich heute nicht mehr. Einige
Begleitumstände sind höchst verdächtig. Er ließ sein Auto, mit dem er zum Ort
seines Todessturzes gefahren war, mit laufendem Motor und eingeschalteter
Warnblinkanlage auf der Brücke stehen. Er war, als ehemaliger Polizist, im
legalen Besitz einer Pistole und zog doch diese Art des Freitods vor! Er hatte
sich kurz zuvor von seiner Frau ganz normal mit den Worten „Ich bin müde,
ich fahre nach Hause“ verabschiedet. Eine Diktion, typisch für einen
Selbstmörder?
Vielleicht hat man ihn beseitigen wollen, weil er gegen die Camorra, gegen die
Faschisten und auch noch gegen den Sismi, das heißt im Klartext implizit auch
gegen die CIA ermittelt hat?
Gegeninformationsinitiative Aug und Ohr