August 2006, vom Arabischen Palästina Club
Im Vergleich mit den anderen europäischen Staaten zeichnet sich Wien durch die Schwäche der Solidaritätsbewegung (insbesondere mit den arabischen Themen), das niedrige politische Niveau dieser Bewegung und die Spaltung, die fast chronisch ist, aus. Diese Spaltung hält seit dem Beginn der palästinensischen Intifada im Jahr 2000 an und kennzeichnete auch die Aktionen der Antikriegsbewegung (Irak) und schließlich die Proteste gegen den Bush-Besuch.
Die selbe Spaltung sehen wir heute bei den Protesten und Solidaritätsaktionen anlässlich des Libanon-Kriegs. Der normale Bürger, der auf die Ankündigung einer Aktion wartet, in welcher er/sie seine Position ausdrücken kann, wird mit zwei Aktionen überrascht, bedauert die Spaltung und kommentiert dies mit dem klassischen Satz: „Die Araber haben sich darauf geeinigt, nicht einig zu sein“. Man wünscht die Einheit, weiß aber nichts über die Hintergründe der Spaltung, die vielmehr auf ein Problem hinweist, das organisch mit den in Österreich operierenden Organisationen, ihrer Natur und ihrem politischen Charakter zusammenhängt.
Daher sehen wir heute, wo alle gemeinsam in Solidarität mit dem libanesischen Widerstand stehen, die Notwendigkeit, alle darüber aufzuklären, was bei den Vorbereitungen der Demonstrationen gegen den Krieg im Libanon hinter den Kulissen gelaufen ist.
Wir im Arabischen Palästina-Club (APC) möchten zuerst auf die folgenden Punkte hinweisen:
- Wir im APC haben immer Wert darauf gelegt, die ganze Wahrheit unter den Massen publik zu machen und alle Zeichen der Korruption und der politischen Abhängigkeit aufzuzeigen. Wir verurteilten immer alles, was den arabischen nationalen Konstanten widerspricht. Dies gilt vor allem für die Palästina-Frage und das Recht der arabischen und islamischen Völker auf alle Mittel des Widerstands. Die Palästina-Frage und der gesamte palästinensische Boden und das Recht auf Widerstand gegen Besatzung, Tyrannei, Konfessionalismus und Unterdrückung waren und sind immer eine rote Linie, und wir erlauben weder uns noch den anderen diese rote Linie zu überschreiten, ungeachtet der eventuell damit verbundenen temporären Vorteile.
- Wir haben immer davor gewarnt, dass die arabischen Schicksalsfragen in eine Verhandlungskarte in den Händen bestimmter Führungen umgewandelt werden bzw. dass diese zum Stimmenfänger der einen oder der anderen österreichischen Partei werden. Wir lehnen es auch ab, dass die erkämpften Rechte und Errungenschaften der moslemischen Gemeinde zu einer Trumpf in der Hand der österreichischen Regierung werden, die uns zwingt, die arabischen Nationalrechte und die Unterstützung des Widerstands in unseren Ländern aufzugeben und vor den zionistischen Terror-Diffamierungen des Widerstands klein beizugeben.
- Es ist bedauerlich, dass die vermeintlichen Vertreter der Moslems hierzulande nicht begreifen, dass die qualitativen politische Einbußen, die sie mit der Verbreiterung der Solidaritätsbasis rechtfertigen, nach dem Ende der Demonstrationen als Konsens bleiben. Nachdem der Vertreter der einen oder der anderen Partei mit seiner Rede fertig ist und jeder nach Hause geht, bleiben die politisch verkürzten Positionen als selbstverständlich und geben der österreichischen Regierung und ihrer Institutionen die Legitimität, die US-amerikanische und zionistische Politik zu befolgen. Der Widerstand und seine Befürworter werden dadurch kriminalisiert, der Antizionismus wird zu Antisemitismus und die politische Repression zu Terrorbekämpfung.
- Diese feigen und opportunistischen Positionen machen der österreichischen Regierung und ihren Institutionen die Mission leichter, solange kein vermeintlicher Vertreter der Moslems in diesem Land den Mut hat, ein Wort zugunsten des Widerstands und gegen den Zionistenstaat von sich zu geben. Sogar die islamischen Parolen und die Widerstandssymbole werden bei den Großaktionen von diesen angeblichen Vertretern verboten. Wie kann einer den Mut dazu haben, der selbst nicht einmal den Mut hatte, die Einladung des amerikanischen Botschafters zu einem Ramadan-Abendessen abzulehnen, das in der selben Nacht der Erstürmung der irakischen Stadt Fallouja stattgefunden hat? Wie kann jemand die Solidaritätsbewegung mit dem Libanon führen, wenn derselbe sich bei den Irak-Aktionen von der irakischen Fahne gestört fühlte? Wie können sie das, wenn sie das politische Niveau der Aktionen so tief herabsetzen, dass sie sich bei der österreichischen Regierung fast für die Aktionen entschuldigen?
Diese Führungen setzen auf die Gedächtnisschwäche der Massen und auf eine unendliche Fähigkeit der Regierung und ihrer Institutionen, die Moslems zu erpressen.
- Um die Stimmen der Araber und der Moslems nicht zu verlieren und um ihre Integrationspolitik gegenüber dem islamischen Quantum hierzulande fortzusetzen, versuchen die österreichischen Parteien (vor allem die SPÖ), ihre pro-zionistischen Haltungen möglichst zu vertuschen, indem einige ihrer Vertreter Positionen abgeben, die scheinbar mit der arabischen Sache solidarisch sind. Jedoch geschieht dies in einem Maß, das die Partei in keine verbindliche Position bringt, die die Zionisten und die Amerikaner ärgern könnte. Dafür nehmen sie einige islamische Institutionen zu Hilfe und präsentieren moslemische Persönlichkeiten, welche die Partei innerhalb der Gemeinde vertreten. Zugleich arbeiten diese Persönlichkeiten daran, die Maximalforderungen der Gemeinde herabzusetzen, damit die eventuellen Versprechungen in keinem Widerspruch mit dem Parteiprogramm stehen. Somit wird jede Kleinigkeit, die an sich selbstverständlich und ein Teil der Grundrechte ist, als eine Errungenschaft der Partei und deren moslemischen Makler verkauft, die auch damit zu ungekrönten Führungspersonen der Gemeinde werden. Die Partei präsentiert sich dann über diese Makler als die Interessenvertretung der Gemeinde und der Beschützer des Pluralismus und der Toleranz (Beispiel: Während sogar der ORF die schäbige Aktion der Regierung kritisierte, die nach einem bitteren Reiseweg in Rom gelandeten Bürger, die vor dem Krieg im Libanon geflohen sind, mit Autobussen statt mit Passagierflugzeuge abzuholen, bedankte sich der „moslemisch Parlamentarier“ Omar Rawi bei der Regierung für diese „Großzügigkeit“.)
- Seit den ersten Demonstrationen in Solidarität mit der palästinensischen Intifada, forderten die Vertreter der österreichischen Sozialdemokraten und Grünen sowie einiger pro-zionistischen Organisationen der Friedensbewegung den Ausschluss der radikalen und „antisemitischen“ Organisationen. Gemeint waren die Organisationen, die den zionistischen Staat gänzlich ablehnen und ihre Sympathie mit dem bewaffneten Widerstand und seinen Fraktionen nicht verheimlichen. Viele arabische und islamische Organisationen akzeptierten damals diese Forderung, um angeblich der Solidarität „Breite“ zu verleihen. Dies war eigentlich der erste Bruch in der Solidaritätsbewegung, nachdem dieser Ausschluss in den folgenden Aktionen zum politischen Konsens wurde. Die Bewegung spaltete sich in „Friedens- bzw. Anti-Kriegsbewegung“ und in Solidaritäts- und antiimperialistische Bewegung.
- Wir haben uns immer um einen Dialog mit allen Strömungen bemüht, um eine Aktionseinheit zu schaffen, in der jede Gruppe das Recht behält, sich politisch auszudrücken. Unsere Bemühungen stoßen aber auf taube Ohren bei den Gruppierungen, die dem österreichischen Establishment nahe stehen. Diese entschieden sich immer für ihre engen eigenen Interessen, die organisch an das Establishment gebunden sind. Dies geschah sowohl auf kosten der Einheit als auch der politischen Position. Als diese aber zu weit mit den politischen Abstrichen gegangen sind, fanden wir uns immer dazu gezwungen, uns an die Massen zu richten, damit die Menschen diese Positionen und Handlungen selbst beurteilen können. Dies wird um so nötiger mit der medialen Hegemonie dieser politischen Linie, die sich von den staatlichen Medien erstreckt bishin zu einigen Moscheen, die heute nunmehr zum Sprachrohr des Establishments geworden sind.
Nach diesem Vorwort und um unsere Position erklären zu können, zählen wir eine Reihe von Aktionen auf, die seit dem Beginn der israelischen Aggression auf den Libanon stattgefunden haben:
Sonntag 9. Juli 2006: APC und andere arabische und österreichische Organisationen veranstalten gemeinsam am Stephansplatz eine Solidaritätskundgebung mit dem palästinensischen und libanesischen Widerstand.
Sonntag 21. Juli 2006: Organisationen des „Koordintionsrates zur Unterstützung des Iraks, Palästinas und des Libanons“ veranstalten vor dem österreichischen Außenministeriums eine Kundgebung in Protest gegen die israelischen Angriffe auf den Libanon.
Sonntag 23. Juli 2006: APC und die Antiimperialistische Koordination (AIK) organisieren am Stephansplatz eine Solidaritätskundgebung mit dem palästinensischen und libanesischen Widerstand.
Freitag 28. Juli 2006: APC und die Antiimperialistische Koordination rufen gemeinsam mit anderen arabischen und österreichischen Organisationen zu einer Kundgebung um 17 Uhr am Stephansplatz auf, die sich in Richtung US-Botschaft bewegt. Die Gruppe von Anas Schaqfeh (Koordinationsrat) hätte zu einer Kundgebung am folgenden Tag aufgerufen. Wir waren überrascht, als sie ihre Demonstration um einen Tag vorverlegt haben. Es wurde ausgemacht, dass sich diese zweite Demonstration von der Oper in Richtung Stephansplatz bewegt und sich der ersten Aktion anschließt. Dies geschah nicht, denn die Organisatoren änderten vorort die Richtung der Demonstration und gingen zum österreichischen Regierungssitz, den Stephansplatz vermeidend. Später erwähnte der ORF nur diese zweite Aktion und betonte die Person von Anas Schaqfeh, dem Vertreter der islamische Glaubensgemeinschaft, als Hauptorganisator.
Bevor die beiden Demonstrationen vom 28. Juli stattfanden, riefen die arabischen und österreichischen Kräfte zu einem Treffen am 26. Juli im Palästina-Forum auf, um eine gemeinsame Demonstration am 5. August vorzubereiten. Anwesend bei diesem Treffen waren Vertreter von Palästina-Forum, Palästinensische Gemeinde, APC, „Koordinationsrat“, Linkswende, Kanafani-Verein, Irakische Gemeinde. Der Vertreter des „Koordinationsrates“ bestand auf den Ausschluss von den Organisationen AIK und Sedunia. Bekanntlich war dies die Forderung der pro-zionistischen Organisationen seit dem Beginn der palästinensischen Intifada im Jahre 2000. Diesmal zeigten wir im APC Bereitschaft, pragmatisch mit dieser Forderung umzugehen, um die Einheit zu bewahren und wissend, dass die antiimperialischen Freunde mit uns in einem gemeinsamen Block marschieren.
Wir erwähnen hier auch einige Details dieses Treffens:
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Der Vertreter des „Koordinationsrats“, Herr Ahmad Hamid, bestand auf den Ausschluss dieser Organisationen und lehnte jede Diskussion ab. Er betonte, dass dies die Teilnahmebedingung der Gruppe Anas Schaqfeh/Omar Rawi/Baghajati sei.
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Als Slogan schlugen wir vor: „Stoppt die israelische Aggression“, weil dieser eine klare Position zu Tätern und Opfern impliziert. Herr Ahmad Hamid bestand auf den neutraleren Slogan „Stoppt den Krieg“. Er rechtfertigte dies mit dem Wunsch des „Koordinationsrats“, die Platform zu erweitern, wurde aber von den anwesenden Organisationen überstimmt.
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Als Antwort auf unser Argument, dass der Slogan „Stoppt den Krieg“ die Forderungen der zionistischen Linke in der Demonstration von Tel Aviv nicht übersteigt, antwortete Ahmad Hamid: „Es freut mich, dass wir und die israelische Linke dieselbe Position haben“.
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Ahmad Hamid lehnte es ab, die Rednerliste für die Aktion bei diesem Treffen festzulegen. Er bestand darauf, eine „Wunschliste“ mit dem „Koordinationsrat“ zu diskutieren und die Liste erst am 31. Juli festzulegen.
Wir erwähnen diese Einzelheiten, damit das politische Niveau dieser Führungen und deren Vertreter allen bekannt wird.
Nach der Demonstration vom 28. Juli änderte der „Koordinationsrat“ einseitig den Versammlungsort des Vorbereitungstreffens vom 31. Juli und lud alle am 26. Juli anwesenden Organisationen mit Ausnahme des APCs ein. Uns wurde mitgeteil, dass die Anwesenheit des APCs nach dem Wunsch von der Gruppe Schaqfe/Rawi/Baghajati unerwünscht ist. Somit fanden am 31. Juli zwei Vorbereitungstreffen statt: Eins wie geplant im Palästina-Forum, und eins bei der Spaltergruppe.
Trotz dieser überraschenden und unverständlichen Entwicklung sendete der APC einen Vertreter auch zum anderen Treffen in einem Versuch, diese Spaltung zu verhinden. Dort wurde uns die Position von Anas Schaqfeh mitgeteilt, dass der APC wegen früherer Publikationen unerwünscht ist, welche ihn angegriffen hatten (gemeint waren unsere Verurteilungen einer Reihe von beschämenden Positionen und Handlungen der Gruppe Schaqfeh/Rawi/Baghajati bezüglich des Empfangs der Botschafterin des Kollaborateurregimes im besetzten Irak, die feige Position in der Affäre Theodor Herzl Platz, die Teilnahme am Ramadan-Abendmahl beim US-Botschafters usw.).
Dies bedeutete zwei parallelen Demonstrationen am 5. August: eine vom Stephansplatz zur US-Botschaft und eine andere von der Oper auch zur US-Botschaft (eine Änderung der Route wäre ein Knieschuss der Spalter gewesen).
Nach mehreren Vermittlungen, akzeptierte Herr Ahmad Hamid die Vereinigung beider Demonstrationen auf dem Weg zur US-Botschaft, jedoch mit der Bedingung, dass der APC keine Rede vor der US-Botschaft halten dürfe (!). Als Kompromiss schlug er vor, dass KEINE Reden vor der US-Botschaft gehalten werden. Wir lehnten dieses großzügige Angebot ab mit der Frage nach dem Sinn einer Demo vor der US-Botschaft ab, wenn wir uns dort nicht zu sprechen getrauen? Es sei denn, Herr Anas Schqfeh möchte einen leisen Protestbrief an den US-Botschafter abgeben und möchte dabei von keinen „radikalen“ Reden gestört werden?
Unsere Antwort erhielt der Herr Ahmad Hamid und wir wiederholen diese hier: Der einzige Brief, den wir an den US-Botschafter abgeben würden, ist die Verbrennung der US-Fahnen vor seinen Augen, als Zeichen unserer Solidarität mit den Helden des weltweiten Widerstand gegen die US-Hegemonie.
Das Beharren von Anas Schaqfeh und seines Bande auf den Ausschluss der „radikalen“ Organisationen hängt mit ihrer Angst zusammen, dass die klare Position dieser Organisationen an der Seite des Widerstands und gegen den Zionistenstaat seine Gunst bei den Herren im regierenden Establishment beeinträchtigen könnte.
Dies würde ihm auch die mediale Rehabilitierung seiner Person nach seinem berühmten Abendessen beim US-Botschafter verderben.
Diese Haltung (bestätigt in einem Leserbrief seines Büro an die Presse am 8.8) und diese Handlungen von Anas Schaqfeh sind sicherlich unter den Ansprüchen der islamischen Gemeinde, welche er angeblich vertritt.
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In Anbetracht dieser Angaben, halten wir im APC folgendes fest:
- keine Kompromisse beim Recht auf Widerstand und bei der Priorität der Solidarität mit und der Unterstützung des Widerstands und aller seiner Fraktionen in Palästina, im Irak und im Libanon.
- Keine Kompromisse bei der Ablehnung des Zionistenstaates und beim Recht der arabischen und islamischen Völker auf den Kampf zur Befreiung des gesamten palästinensischen Bodens.
- Die Ablehnung aller Versuche des österreichischen Staates und seiner Institutionen, die Solidaritätsbewegung zu kanalisieren bzw. zu diffamieren und die Ablehnung der Kontrolle von Personen, die vom Staat gestellt wurden, über die Solidaritätsbewegung.
- Wir rufen alle arabischen, islamischen und solidarischen Kräfte zu einem wahren und erpressungsfreien Dialog auf, um die Solidaritätsaktionen in einer Form zu vereinen oder wenigstens zu koordinieren, die diese Bewegung ihrer politischen Bedeutung nicht berauben.
Wir rufen alle auf, sich an allen Solidaritätsaktionen und -veranstaltungen ausnahmslos zu beteiligen. Zugleich rufen wir alle auf, ohne Angst ihre Unterstützung des Widerstands und ihre Verurteilung der amerikanischen und europäischen offiziellen Haltungen zum Ausdruck zu bringen. Die arabischen Schicksalsfragen sind höher geordnet als die politische Karriere einiger Parteigänger und Establishment-Instrumente und sicherlich wichtiger als „der moslemische Parlamentarier“.
Arabischer Palästina Club
5. August 2006