Wir gehen nicht hin. Kommentar zur
Österreichischen Nationalratswahl.
Der Wahlkampf der letzten Wochen und Monaten
war das übliche Spektakel, einige Höhepunkte haben ihn nicht ganz so langweilig
wie sonst gemacht: Absoluter Star dabei Altbundeskanzler Vranitzky, der eine
Million alte Schilling aus BAWAG Geldern für „Beratungen zur Euro-Umstellung“
bekommen hat. Auch in der Hit-Liste: Kärntner Plakate des BZÖ, die etwas
beleibte Bauarbeiter beim Kartenspielen und Biertrinken unter der Aufschrift
„Wir sind Wir“ zeigt. Eine geniale Synthese aus (antislowenischem) Rassismus
und Gemütlichkeit.
Dazu gibt es die übliche Begleitmusik der
„Qualitätspresse“, die sich, wie bei jedem Wahlkampf, über fehlende Inhalte
echauffiert. Das ist natürlich richtig, Tatsache ist aber auch, dass sich die
wahlwerbenden Parteien inhaltlich ziemlich ähnlich sind. Bei mangelnden
wirklichen Unterschieden wird das Bekenntnis zur einer oder der anderen Partei
eher eine Lifestile-Frage. Naturgemäß muss auch im Wahlkampf der Inhalt
gegenüber dem Image zurücktreten. Die Grünen soll man wählen, denn sie sind
modern und urban, die SPÖ zeigt ein paternalisitsches Verständnis für den
kleinen Mann, wer ÖVP wählt gehört zu den Siegern und darf sich im Ruhm des
Jet-Set sonnen. Aber die inhaltlichen Unterschiede zwischen den drei
Zentrumsparteien, die letztlich in der ein oder anderen Kombination die
Regierung stellen werden, sind mit der Lupe zu suchen. Steuerreform jetzt (SP),
in zwei Jahren (ÖVP), oder gar nicht (Grüne) ist kein wirklicher Unterschied,
wenn die versprochenen Beträge sehr gering ausfallen. Alle wollen Sie eine
Energiewende, weniger Arbeitslose und mehr Geld für die Bildung. Dabei ist
jedem klar: Das Geld für die Bildung wird letztlich nicht zu finden sein, ob
die „Energiewende“ kommt oder nicht hängt viel vom Ölpreis und wenig von der
Regierung ab. Und es ist ohnehin ein Rätsel warum man statt „Arbeitslosigkeit
halbieren“ nicht „Arbeitslosigkeit vierteln“ plakatiert: weder das Eine, noch
das Andere, werden passieren. Und letztlich ist es egal ob Grasser oder
Matznetter Finanzminister wird. Freilich, Matznetter versteht mehr davon und
ist weniger penetrant-fesch, aber im Wesentlichen geht es um die Verwaltung der
gleichen Sachzwänge der globalisierten Wirtschaft, ohne wirklichen Bruch mit
den Wünschen der Oligarchie ist der Gestaltungsspielraum minimal. Und Grasser
würde wohl auch ohne Ministeramt noch einen Weg finden die Öffentlichkeit mit
Anekdoten aus seinem Privatleben zu terrorisieren.
Gerade die Vorgänge rund um den BAWAG Skandal
zeigen mit welcher Gründlichkeit die politische Klasse mit der Oligarchie
verwachsen ist. Gewerkschaftschefs die Penthäuser bewohnen, Altbundeskanzler
die „Beratungshonorare“ kassieren, Finanzminister die auf den Jachten der Investmentbanker
urlauben, Bundeskanzler die Flüge in Anspruch nehmen… Anderes Beispiel: Die
Geschichte der Auflösung der FPÖ, deren Führungsriegen (angetreten als
populistische Aufräumer) blitzartig vom Establishment aufgesogen wurden. Das
BZÖ, das als Endprodukt dieses Vorgangs entstanden ist, hat den Filz zum
Zentrum der politischen Identität erklärt: Neben einigen obskuren (Tempo 160)
oder widerlichen Ansagen (300.000 Ausländer deportieren) – die allerdings
sowieso niemand glaubt – bleibt „gebt uns Geld, gebt uns Posten, wir machen
alles“ als programmatisches Kernstück.
Jenseits des politischen Zentrums ist der
Populismus der 90er Jahre in HC Strache wieder auferstanden. Etwas weniger
originell, etwas radikaler. Die FPÖ erinnert ideologisch an die alte Sozialdemokratie,
vor deren Liberalisierung ab den 80er Jahren: Sozialpopulistisch und
ausländerfeindlich. Freilich könnte man anmerken, dass der alte humanistische
Kern fehlen würde, der irgendwo in der alten Sozialdemokratie versteckt war
(ersetzt durch einen Deutsch-Nationalismus rechtsextremer Tradition), aber es
ist die Frage, ob man dabei nicht die alte Sozialdemokratie überschätzt.
Strache und seine Wähler stellen in bestimmter Weise einen Protest gegen die
Globalisierung dar, der dick aufgetragene Rassismus und die antiislamische
Kreuzzugsmentalität machen sie aber letztlich zur rechten Flanke der
abendländisch-proamerikanischen Kulturkrieger. Und außer der FPÖ? Hans Peter
Martin ist ein wenig in Vergessenheit geraten, seit die deutschen Eigentümer der
Kronenzeitung die Einstellung der Unterstützungskampagne befohlen haben. Seine
linkspopulistische EU- und Globalisierungskritik sind interessant und es wird
ihm ohne Zweifel gelingen Protestwähler anzuziehen. Letztlich bleibt er aber
ein Wirtschaftsliberaler: die EU als „Friedenswerk“, kein Einwand gegen
Privatisierungen… Seinem Projekt ist in jedem Fall kurzes Leben beschieden.
Ohne inneren Zusammenhalt, Tradition und Seriösität wird eine eventuelle
Parlamentsfraktion spätestens dann zerfallen, wenn ihre Mitglieder genug von
Martins egomanischen Allüren haben.
Bleiben noch die Reste der Linken: Das
zentrale Wahlkampfplakat der KPÖ ist eine Gießkanne, mit der die Segnungen des
Sozialstaats verteilt werden. Möglicherweise der billigste Populismus dieser
Wahl, der noch zusätzlich das Problem hat, dass das wirklich niemand für
glaubwürdig hält. Auf einen absolut moderaten Kern, der nie von einem Bruch mit
dem aktuellen System spricht, werden Forderungen wie die 30 Stunden Woche
gepfropft. Für einen revolutionären Anspruch müsste man solche Forderungen an
eine grundlegende Umwälzung der Gesellschaft knüpfen, für einen ehrlich
reformistischen bräuchte es realistische Konzepte der Umsetzung. So ist das
einfach Tagträumerei (oder eben billiger Populismus): Die Realität einer
gesellschaftlichen Krise wird einfach geleugnet, allen alles versprochen. Wir
bezweifeln, dass genug für alle da ist, wenn sich an der Logik des Konsums um
jeden Preis nichts ändert und die herrschende Oligarchie nicht gründlich
entmachtet wird. Im Übrigen sei an dieser Stelle nicht vergessen, dass
Altvorsitzender Baier den Hauptteil seiner verbliebenen politischen Energie zum
Verfassen von Kommentaren gegen die antiimperialistische Linke verwendet (wenn
er so weitermacht bekommt er noch einen Gastartikel in einer neokonservativen
Gazette in den USA), während der außenpolitische Sprecher Günther Hopfgartner
gegen den Antiamerikanismus ins Feld zieht. Die KPÖ, der Kulturkrieger linke
Flanke.
Angesichts solcher Auswahl werden wir uns bei
dieser Wahl Zu Hause bleiben. Jede abgegebene Stimme ist eine Rechtfertigung
für die Oligarchie fort zu fahren wie bisher. Egal welche Regierung an der
Macht ist.
Wir hätten es parat, das Sofortprogramm gegen
die gesellschaftliche Krise. Keine Gießkanne, aber ein Leben in Würde fordern
wir. Den Ausstieg aus der Globalisierung die nur einer Minderheit dient. Den
Ausstieg aus den Vorstellungen von Effizienz und ewigem Wachstum. Den Ausstieg
aus dem amerikanischem Imperium und seinem ewigen Krieg der Kulturen. Gleichheit
und Selbstbestimmung.
Das ist nur möglich durch einen radikalen
Bruch mit der herrschenden Oligarchie und darin liegt die Aufgabe der Zukunft.
Es geht um die Formierung deines gesellschaftlichen Pols, der zu dieser
gewaltigen Anstrengung in der Lage ist.