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300 Menschen demonstrieren anlässlich des Jahrestages der Intifada in Wien

1. Oktober 2006

Plattform: Gegen
Krieg und Besatzung im Nahen Osten

In einer Periode
der Demobilisierung und der politischen Verblödung durch einen
Nationalratswahlkampf, bei dem es keine Alternative zum proamerikanischen Kurs
gibt, kann die Demonstration als Erfolg gewertet werden. Wichtiger jedoch als
die Beteiligung ist die erstmals erreichte politische Breite.

In den letzten
Jahren hatte die Systemlinke, gruppiert um KPÖ und sozialdemokratische Kräfte,
mit allen Mitteln versucht, die Antiimperialisten aus den Mobilisierungen
auszuschließen. Immer wieder kam der notorische Antisemitismusvorwurf gegen
unsere Forderung nach einem gemeinsamen demokratischen Staat in ganz Palästina.
Gegen unsere Initiativen organisierten sie oft Konkurrenzaktivitäten und
spalteten systematisch. Dabei fanden sie zumeist die Unterstützung der offiziellen
Islamischen Glaubensgemeinschaft sowie der SP-Muslime, die den
Antiimperialismus als ein Hindernis zur Integration in das System betrachten.

Bereits bei der
großen Demonstration im vergangenen Juni gegen den Bush-Besuch war diese
Frontstellung aufgebrochen. Denn es wird immer unglaubwürdiger nur gegen Bush
aufzutreten, ohne das American Empire und seinen Kreuzzug anzuklagen. Der
Widerstand der unterdrückten Völker ist zu einer nicht mehr umgehbaren
Scheidelinie geworden, positiv oder negativ als Hauptfaktor der internationalen
Politik anerkannt, den man entweder unterstützt oder bekämpft. Gleichzeitig
verliert mit der Klärung der Fronten die Schimäre vom chauvinistischen
Antiamerikanismus seine Zugkraft. Auf der Basis der unermüdlichen Aktivitäten
eines antiimperialistischen Kernbündnisses entstand eine weitere Koalition mit
Teilen des Sozialforums und der Friedensbewegung. Die zionistische Isolationspolitik
der KPÖ führte zu deren Selbstisolation.

Die Demonstration
vom 30. September hat gegenüber der Anti-Bush-Demo an politischer Breite sogar
noch zugelegt – über die „Jüdischen Stimmen für den Frieden“ bis hin zu „Frauen
in Schwarz“: Wir erhielten sogar die Unterstützung von Franz Stephan Parteder
von den steirischen Kommunisten.

Die Regimelinke
und die offizielle Moslemvertretung entschieden sich indes für die gänzliche
Demobilisierung. Sie organisierten selbst gar nichts und boykottierten nur.
Traurig ist schließlich das Kapitel „Linkswende“, die sich verbal für den
Widerstand ausspricht und ausgesprochen pro-islamisch auftritt – daher von
ihren Positionen ein möglicher Bündnispartner wären. Doch die aus London dekretierte
Linie bekommt in Österreich sofort eine sozialdemokratische Schlagseite.
Während in England große Teile der Moslemverbände mit Labour gebrochen haben
und zu einem wesentlichen Faktor der Mobilisierung gegen Krieg und
Imperialismus geworden sind, betätigen sie sich hierzulande als willige
Vollstrecker der Integrationspolitik der Regierung und als hasserfüllte Feinde
der Antiimperialisten. Sich zu deren Trittbrettfahrern zu machen, mag einige
Zeit lang die Illusion aufrechterhalten den „Massen“ nahe zu sein. Das
funktioniert aber nur so lange, als sich die Führung gezwungen sieht zu
mobilisieren. Bisher hatte sich die Linkswende im Fall des Auslassens ihrer
Freunde dennoch an der antiimperialistischen Mobilisierung beteiligt. Haben wir
es mit einer weiteren Verhärtung des sektenhafte Organisationspatriotismus gegen
das organisierte antiimperialistische Bündnis zu tun? Unsere Türen stehen
jedenfalls immer offen.

Obwohl die
Demonstration nicht nur antiimperialistisch war, so gelang es ihr doch ein bisher
nicht gekanntes Bündnis mit den überlebenden Teilen der Anti-Kriegsbewegung zu
bilden, die den Widerstand der Unterdrückten als grundsätzlich legitim ansehen,
auch wenn es beispielsweise Differenzen über die Stellung zur Entsendung
europäischer Truppen in den Libanon gibt. So argumentiert Leo Gabriel sogar mit
dem Widerstand wenn er sagt, dass wir nicht radikaler als die Hisbollah sein
können, die die Resolution 1701 akzeptiert habe. Wir halten dem entgegen, dass
dies der bittere Preis für das Ende der offenen israelischen Aggression war. Es
mag eingedenk des Kräfteverhältnisses militärisch notwendig und politisch
richtig gewesen sein, heißt aber nicht, dass wir den imperialistischen
Charakter und den Quasi-Besatzungsstatus der europäischen Truppen nicht denunzieren
dürfen sowie politisch dafür wirken können die Kräfteverhältnisse zugunsten des
Widerstands zu verschieben, dass ein solcher Kompromiss nicht mehr notwendig wird.

Wir glauben mit
dem gemeinsamen Kampf für einen gerechten Frieden in Unterstützung des
Widerstands ein Angebot an die ausgehende Antiglobalisierungsbewegung gemacht
zu haben mit der das entstandene Vakuum zumindest teilweise gefüllt werden
kann. Entscheidend wird sein, ob sie sich von der De-facto-Führung durch die
historische Linke (wie beispielsweise der KPÖ) lösen können, die als „politisch
korrekter“ Linksliberalismus zu einem Pol des herrschenden Imperialismus
geworden ist.

Wir werden
jedenfalls den Kampf für einen gerechten Frieden auf der Seite des Widerstands
fortsetzen. Unsere nächsten Aktivitäten sind eine Diskussionsveranstaltung
gemeinsam mit der Kommunistischen Initiative (KI) und Leo Gabriel am 12.
Oktober, eine Initiative gegen die Islamophobie sowie ein Hilfsprojekt für den
Widersaufbau des Libanon durch den Volkswiderstand selbst. Darüber
unterstützen wir auf internationaler
Ebene eine Solidaritätskonferenz mit dem bolivarischen Venezuela am 28./29.
Oktober in Duisburg, sowie eine Initiative für eine Friedenskonferenz in Rom im
nächsten Frühjahr, in der der Widerstand aus den verschiedenen arabischen
Ländern endlich die Gelegenheit bekommen soll, seine Vorschläge an die
europäischen Völker zu richten. Dazu müssen aber die antidemokratischen
Barrieren, die im „Krieg gegen den Terror“ bisher aufgerichtet wurden,
niedergerissen werden.

Antiimperialistische
Koordination

Wien, 1. Oktober
2006

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