Überlegungen
zum Aufstieg der NPD und die Unfähigkeit des klassischen Antifaschismus sie zu
stoppen
Sie ist wieder in: die NPD. In den letzten
Tagen und Wochen war einiges über die braunen Kameraden zu lesen. Vom
Finanzskandal über den Verdacht der Kinderpornographie bis zum neuerlichen
Anlauf eines Parteiverbotsverfahrens, dazu der Rausschmiss Klaus-Jürgen Menzels
aus der Fraktion – die kleine Nazi-Partei war medial Mittendrin statt nur
dabei. Aber ernstzunehmende Berichterstattung war das zum Großteil nicht, was
einem Boulevardblätter und „seriöse“ Polithefte da lieferten. Polemisch und hämisch
trifft es eher, wenn Systemmedien über die innere Zerfleischung und Unfähigkeit
berichten bzw. deren Verbot sich in ihren Schreibstuben herbeiwünschen. Die
gutbezahlte Regime-Journaille interessiert es eher weniger worin der Erfolg der
NPD liegt, wo die Gründe für 14 Abgeordnete in zwei ostdeutschen
Landesparlamenten und zahlreichen Kommunalparlamentariern zu finden sind.
Dazu gibt es ja immerhin noch die Linke, die
den sich sozial gebenden Nazi-Wölfen im Schafspelz die Maske vom Gesicht reißt –
denkste! Denn entweder regiert die PDS Länder selber kaputt oder sie duldet den
sozialen Kahlschlag von oben. Mit Hartz IV hat sie längst ihren Frieden
geschlossen, auch wenn Lafontaine dagegen wettern mag. Dass die PDS nicht das
gesamte linke Spektrum ausmacht, ist richtig, dass der Rest von dem was
heutzutage unter „links“ firmiert noch weniger auf die Beine kriegt, aber
leider auch. Eine Linke, die sich konsequent gegen die herrschenden
Verhältnisse stemmt, die soziale Frage für sich vereinnahmt und radikal für die
Belange der Menschen einsteht, gibt es nicht – und hier kommt die NPD ins
Spiel.
Die (Neu)Geburt der NPD von der Null-komma-Clique
zur Parlamentspartei ist im Grunde schnell zu erklären. Hebamme spielt hier die
soziale Frage, die durch das immer weitere Auseinanderdriften von Arm und Reich
bzw. der stetigen Umverteilung von unten nach oben ihren krassesten Ausdruck,
vor allem in Ostdeutschland, findet.
Mit der Wahl Udo Voigts zum Parteivorsitzenden
1996 begann die neofaschistische Erfolgsstory. Voigt führte die von Günter
Deckert eingeleitete inhaltliche und strategische Neupositionierung fort
(Öffnung für offen faschistische und rechtsradikale Elemente). Und zwar weitaus
effizienter als Deckert, der ab 1995 wegen Holocaustleugnung hinter
„schwedischen Gardinen“ saß. Unter Voigt bekam die Komponente des „nationalen
Sozialismus“ – ohne ins Parteiprogramm überzugehen – eine gewichtige Position
in der inhaltlichen Ausrichtung der NPD, der Kampf um die Köpfe sollte die
einfachen Menschen und vor allem Jugendliche ansprechen.
Man schaffte Freiräume für Jugendliche, bot
Lokalitäten die ansonsten nicht vorhanden waren, veranstaltete Konzerte,
sammelte die Frustrierten einfach um sich. Man sprach lokale Themen an: hohe
Arbeitslosigkeit, Geburtenrückgang, Abwanderung in den Westen,
Arbeitsmarktperspektive gegen null, ging gegen die Schließung des örtlichen
Fußballclubs vor. Konkret ausgedrückt: man war nah am Menschen dran. Oder: Sie
hat sich einfach derer angenommen, um die sich niemand schert. Die NPD bot sich
früh als soziale Alternative an. Ihre rechte Sozialarbeit unterfütterte sie mit
politischen Programmen. „Wenn die das sagen stimmt das schon“ war vielerorts zu
hören wenn die NPD wieder mal die Forderung nach „Arbeit nur für Deutsche“ ausgab.
Sie drang schnell in die Köpfe der Menschen vor und schuf sich in einigen Orten
eine zivilgesellschaftliche Basis. Das führte zu ersten Erfolgen auf kommunaler
Ebene, was aber bei weitem nicht zum Überleben ausreichte. Auch wenn es in der
Sächsischen Schweiz schon jahrelang Ergebnisse von bis zu 23% für die NPD gibt
und anderswo sich ebenfalls die Prozentpunkte im zweistelligen Bereich
einpendelten: 1999 war sie bei den Landtagswahlen in Sachsen mit 1,4% kläglich
gescheitert.
Doch die Zeiten wurden härter: Massenentlassungen,
Massenarbeitslosigkeit, die immer
offenere Umverteilung von Unten nach Oben, Reformen à la Hartz IV,
Prekarisierung und Proletarisierung – das ist der Stoff aus dem heutzutage
Nazi-Erfolge gemacht sind. Zu den Kommunal- und Landtagswahlen 2004 in Sachsen
hat sich das deutlich gezeigt: Im Juni des selbigen Jahres zog man mit
dutzenden Mandaten in die Stadträte und Kreistage Sachsens ein, vor allem im
Muldental und der Sächsischen Schweiz zahlte sich die langjährige
Verankerungsarbeit aus. Und im September zog nach 36jähriger
Parlamentsabstinenz pünktlich zum 40. Geburtstag der NPD eine zwölfköpfige
Fraktion (mittlerweile ist diese auf acht geschrumpft) in den Dresdner Landtag
ein. Und zwar mit einem außergewöhnlichen Ergebnis: 9,2% der Sachsen wählten braun.
Besser: sie glaubten sozial zu wählen. Denn der Landtagswahlkampf war von den
Anti-Hartz-Protesten bestimmt aus denen die NPD als einzige Alternative zum
herrschenden System hervorging. Sie warf die soziale Frage auf und nutze die
aufkeimende Angst und Ungewissheit der Menschen vor dem Kommenden. Sie stand scheinbar
in radikaler Opposition zu den Herrschenden, rhetorisch als auch
programmatisch. Sicher waren es nicht die Nazis, die die Menschen auf die
Straße mobilisieren zu vermochten. Es war aber die NPD, die den sozialen
Protest für sich zu nutzen wusste, was sich an der Wahlurne niederschlug. Ihr
Sozialpopulismus und ihre Radikalität kamen an.
Mittlerweile sitzt sie mit einer sechsköpfigen
Fraktion im Landtag von Mecklenburg und Vorpommern. Auch hier hat die
langjährige Verankerung und Basisarbeit Früchte getragen, auch hier gab es aus
den Hochburgen zweistellige Prozentpunkte (in manchen kleineren Gemeinden lagen
die Werte über 30%, die besten Ergebnisse in Wahlkreisen lagen bei 15%). Nur
war im Gegensatz zum sächsischen Landtagswahlkampf nicht mehr Populismus der
bestimmende Faktor (was nicht heißt das er ganz weggelassen wurde) ihrer
Agitation und ihres Aktivismus, sondern ruhigere, sachbezogenere Politik vor
Ort. Hartz IV und damit einhergehender Sozialprotest waren nicht mehr das
bestimmende Moment und man konnte auch nicht mehr einfach so auf „Rattenfang“
gehen. Von Arbeit über Schule bis zur Mehrwertsteuererhöhung im nächsten Jahr –
die NPD thematisierte alles was den Menschen Sorgen machte, setzte auf Themen-
bzw. Inhalts– statt auf Bilderwahlkampf. Das Ergebnis waren 7,3% am Wahlabend
des 17. September, zur Bundestagswahl 2005 hatte man beachtliche 3,5% erreicht.
Auch die Ergebnisse aus anderen ostdeutschen Bundesländern zeigen das die NPD
präsent und akzeptiert ist: 3,7 Prozent wählten sie zur Bundestagswahl in
Thüringen, was ihnen Mut für die Landtagswahlen im Jahr 2008 macht. Und in
ihrem Stammland Sachsen wählten Sie 2005 4,8% – ein Ergebnis mit dem man den
Einzug in den Sächsischen Landtag nicht noch einmal schaffen würde. Man kann
aber sehen, dass zu Landtagswahlen die Wahlbeteiligung höher als zu
Bundestagswahlen ist, des weiteren hat sich nach den neusten Umfragen zufolge
das Wählerpotenzial bei 6% eingependelt. In Brandenburg sitzt ihre
Bündnispartei DVU mit sechs Abgeordneten im Parlament. 6,1% votierten 2004 für
die DVU, die damit zum zweiten Mal in Folge in den Brandenburger Landtag vertreten
ist. Auch hier wurde die soziale Frage im Wahlkampf massiv in den Mittelpunkt
gestellt. Noch ein Wort zur Bundestagswahl: Zwar schrammte man mit 1,6%
deutlich an der 5-Prozent-Hürde vorbei – jedoch gelang es das Ergebnis im
Vergleich zur Wahl von 2002 zu vervierfachen, wobei man jedoch sieht, dass die
besten Ergebnisse, wie oben aufgezeigt, im Osten erzielt wurden. In den
bevölkerungsreichsten Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen,
die eine Wahl massiv beeinflussen bzw. entscheiden, blieb sie unter der Marke
von einem Prozent.
Aber warum gerade im Osten? Die Kluft zwischen
Arm und Reich, zwischen Wohlstand und Elend ist im Osten Deutschlands am
größten. Die Versprochenen blühenden Landschaften sind nie erblüht. Stattdessen
leben knapp 17% an der Schwelle zur Armut oder in tatsächlicher Armut. Dazu die
jahrzehntelange staatliche Versorgung bzw. die sozialen Errungenschaften der
DDR im krassen Gegensatz zu den Schocktherapien der kapitalistischen Marktwirtschaft.
Die Menschen hier fühlen sich verraten und verkauft. Alles was sie wollen ist
ein menschenwürdiges Leben. Die radikale Rechte, bestimmend in Gestalt der NPD,
gibt ihnen diese Hoffnung. Sie gibt sich als soziale Opposition gegenüber der
sozialen Regression aus. Dass sie das nicht ist, lässt sich schnell am
Verhalten im Parlament erkennen. Oder an den Skandalen und der Unfähigkeit die
sie auf Schritt und Tritt begleiten. Doch wer soll die Menschen darauf
aufmerksam machen? Wer soll ihnen erklären, dass die NPD ins kapitalistische
System eingebunden ist? Wer soll ihnen Hoffnung geben, wer zeigt ihnen Auswege
und wirkliche Alternativen zum Kapitalismus? Eine Systemlinke, wie es sie in
Deutschland gibt, wird das nicht sein. Die PDS kann man von vornherein
ausschließen. Sie hat sich alleine durch ihre Regierungsverantwortung als linke
Partei diskreditiert. Dort wo die PDS mitregiert ist der Sozialabbau meistens
am größten und radikalsten vorangeschritten, man denke da nur an die „Genossen“
in Berlin. Und dass deren Drang nach Machtpöstchen größer als der Wille zur
Veränderung ist zeigte, in den letzten Monaten das Procedere in Berlin, als
sich die PDS der SPD nahezu hündisch anbot und an die Leine nehmen ließ. Was
hat der Rest der Linken zu bieten? Nichts! Statt sich auf linke Werte zu
besinnen und engagierte Sozialpolitik kombiniert mit radikaler politischer Systemopposition
zu betreiben, statt auf die Verlierer
des Kapitalismus zu zugehen, wird nach jeder Wahl auf diese verbal eingeprügelt
und sie pauschal als Nazis diffamiert. Man muss nicht lange darüber streiten:
es gibt in Deutschland faschisierte Gebiete, und das zumeist in ländlichen
Gegenden. Aber jeden NPD-Wähler als überzeugten Nazi hinzustellen ist eine politische
Dummheit. In den meisten Fällen ist das Kreuz bei der NPD Ausdruck sozialen
Protestes. Die Nazis haben die soziale Frage für sich entdeckt, halten sie
besetzt. Für eine linke Alternative gilt es diese zurückzuerobern, soziales Protestpotenzial an sich zu bündeln und
in einer antagonistischen, antikapitalistischen und außerparlamentarischen
Opposition zum Ausdruck zu bringen.
Vielleicht wäre es sogar möglich, jene
Elemente aus dem Anhang der radikalen Rechten zu filtern, denen wirklicher
Sozialismus wichtiger ist als Sozialchauvinismus, die sich am Wohl aller
Menschen orientieren als in völkisch-rassistischen Kategorien zu denken? Das
setzt aber zumindest einen Kern einer gut organisierten, aktiven revolutionären
antiimperialistischen Linken voraus, die den Opfern des Kapitalismus eine
Alternative bieten kann. Diesen Kern
gilt es unverzüglich zu schaffen. Denn der Boden dafür ist zwar vorhanden, doch
er wird von anderen bestellt und könnte daher auch ausgelaugt werden. Die Zeit
ist jedenfalls knapp.