aus „CounterPunch“, 16./17. Dezember 2006Stellungnahme zur Holocaust Konferenz in Teheran von Stephen Gowans, Schriftsteller und politischer Aktivist in Ottawa / Kanada.
(aus der Wochenendausgabe des „CounterPunch“ vom 16./17. Dezember 2006)
Warum wurde die zweitägige Konferenz zum Holocaust Anfang Dezember von der iranischen Regierung organisiert? „Sollte der Holocaust während des Zweiten Weltkriegs in Frage gestellt werden“ (1) oder war es die Antwort des Iran auf den Jyllands-Posten, um „den Westen in Verlegenheit zu bringen indem man ihm sagt:
Was die westlichen Journalisten über die Konferenz schrieben, ist keine Überraschung. Für sie war der Zweck der Konferenz die schlimmsten Holocaust-Leugner und Judenhasser der Welt, unter ihnen David Duke, zu versammeln, um Mahmoud Ahmadinejads Behauptung, der Holocaust sei ein Mythos zu unterstützen, als auch seinen Vorbereitungen zum Völkermord an den Juden und zur Auslöschung Israels Beifall zu zollen.
Das Problem dabei ist, dass man mit dieser vereinfachten Schwarzweißmalerei dem komplexen Sachverhalt nicht nahe kommt.
Da wäre als erstes die Behauptung, dass Ahmadinejad „vom Holocaust als Mythos spricht“ (3), eine Behauptung, die von fast allen Medien in Nordamerika verbreitet wird.
Ahmadinejad mag gesagt haben der Holocaust sei ein Mythos. Meiner Aufmerksamkeit ist das entgangen. Natürlich renne ich ihm nicht mit einem Kassettenrekorder hinterher und decodiere was er sagt und so könnte ich das überhört haben. Aber was ich vor mir habe sind die gesammelten Aussagen von Ahmadinejad von den letzten zwei Jahren, und da gibt es keine einzige Aussage, die den Konsens der Medien, dass Ahmadinejad „den Holocaust immer wieder als Mythos bezeichnete“ (4) rechtfertigen würde. So ein Zitat gibt es nicht. Das ist schon seltsam. Wenn man bedenkt, dass die westlichen Medien die Dämonisierung des Präsidenten des ölreichen Landes, das auf der Liste des Weißen Hauses das nächste Angriffsziel ist, fast schon als Sport betreiben, müsste es doch eine ganz einfache Sache sein, das „Nein, den Holocaust hat es nie gegeben“ als Zitat auszugraben und der Welt zu präsentieren, wie die Massenvernichtungswaffen des Irak. Oder doch nicht?
In den Geschichten und Artikeln zur Konferenz wurde Ahmadinejad dutzendfach zitiert. Wenn man diese Zitate genau las, las man nichts von dem, was die Überschriften vom Inhalt der Zitate behaupteten. Man konnte kein Zitat finden, wo Ahmadinejad gesagt hätte, der Holocaust sei einfach eine Erfindung.
Was stimmt ist, dass Ahmadinejad sich zum Holocaust in problematischen Aussagen äußerte, die man so zusammenfassen könnte: „Es mag ihn gegeben haben oder nicht gegeben haben, aber so oder so rechtfertigt er nicht, was den Palästinensern angetan wurde.“ Dabei geht es in diesen Aussagen aber immer um eine politische Konstruktion und nicht um eine historische Realität. Darin unterscheidet er sich von David Irving, der in Österreich wegen der Leugnung des Holocaust verurteilt wurde.
Was Überschriften betrifft, die mit dem Inhalt des Artikels nicht übereinstimmen, wäre ein Beispiel „Israel wird ausgelöscht werden“ im Toronto Star vom 12. Dezember, der nur ein Photo von Ahmadinejad zum Artikel stellt, damit man weiß, wer für diese angebliche Drohung verantwortlich ist. Der scheidende US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Bolton, verwendet solche Zitate, um gegen Ahmadinejad ein Verfahren wegen Völkermord am Internationalen Gerichtshof einzuleiten. Bolton, den die Nordkoreaner einmal als „menschlichen Abschaum“ bezeichneten, beschuldigt den iranischen Präsidenten, zur Zerstörung von Israel aufzurufen. Das griff der Guardian mit der Schlagzeile am 13. Dezember auf: „Erste Schritte um Ahmadinejad wegen Völkermord anzuklagen, da Ahmadinejad seinen Aufruf zur Zerstörung Israels wiederholt.“ Boltons Anklageerhebung beinhaltet auch „zahlreiche Drohungen gegen die USA“, die Ahmadinejad angeblich geäußert hat.
Hat Ahmadinejad wirklich damit gedroht, Israel auszulöschen? Er hat es genauso wenig getan wie Wissenschafter, die das Schmelzen des Eises am Nord- und Südpol voraussagen damit drohen, dass sie selbst das Eis zum Schmelzen bringen werden. Was Ahmadinejad wirklich sagte, ist Folgendes: „Das zionistische Regime wird bald auf die gleiche Weise wie die Sowjetunion ausgelöscht werden.“ (5) Das ist eine Voraussage, keine Drohung. Und da die Sowjetunion weder durch Nuklearraketen noch durch Angriffe von Terroristen und auch nicht durch eine Epidemie ausgelöst von biologischen Waffen zu Fall gebracht wurde, kann man aus diesem Vergleich die Schlussfolgerung ziehen, dass Ahmadinejad erwartet, dass Israel an den Folgen der Wunden, die es sich selbst zufügt, zusammenbrechen wird – wie es in der Sowjetunion geschah – und nicht durch Nuklearraketen aus Teheran.
Der iranische Präsident vertritt die Ansicht, dass die Tage Israels als zionistischer Staat gezählt sind, weil dieser Staat auf Unrecht gegründet wurde und daher auf einem Fundament steht, das den Verfall in sich birgt. Als die Vereinten Nationen ein jüdisches Heimatland auf dem Boden des Heimatlandes eines anderen Volkes schufen ohne auch nur einen einzigen Palästinenser in diese Entscheidung einzubeziehen, schufen sie eine Schimäre, deren Existenz immer von den imperialistischen Mächten und deren ständiger massiver Hilfe abhängen würde. Anders gesagt, seit seiner Gründung wird Israel künstlich am Leben erhalten.
Laut Ahmadinejad sollten Wahlen in Palästina (womit er Israel, Gaza und das Westjordanland meint) gleichermaßen unter „Juden, Christen und Moslems“ abgehalten werden, „sodass die Bevölkerung ihre Regierung und ihre Zukunft selbst in demokratischer Weise wählen kann.“ (6) Diese Aussage ist weit entfernt davon, dass die Juden in einem Hagel von Nuklearraketen auf Tel Aviv ausgelöscht werden sollen. Wenn jedoch die öffentliche Meinung auf eine mögliche Intervention im Iran vorbereitet werden soll, ist die Geschichte mit der Drohung der Auslöschung Israels praktisch eine Notwendigkeit.
Die äußerst unangenehme Holocaust-Konferenz und davor noch der Internationale Holocaust Karikaturenwettbewerb hätten nie stattgefunden, wenn die dänische Zeitung Jyllands-Posten die offen rassistischen Karikaturen, die den Propheten Mohamed ins Lächerliche zogen, nicht veröffentlicht hätte und wenn die westlichen Regierungen die auf die Karikaturen folgende Aufregung nicht als Überreaktion von hitzköpfigen Mohammedanern abgetan hätten. Es geht um die freie Meinungsäußerung, wurde von westlichen Politikern mitgeteilt, also beruhigt euch, Muslime!
Und Ayatollah Ali Khameini, Irans oberster Führer, bezeichnete dies als Schwachsinn und konterte: „In dieser Art von Freiheit ist es nicht erlaubt, am Völkermord an den Juden zu zweifeln oder ihn zu negieren, es ist aber erlaubt, den Glauben von 1,5 Milliarden Moslems zu beleidigen.“ (7) Ins Schwarze getroffen!
Hamshari, die auflagenstärkste Zeitung des Iran, schlug ebenfalls zurück. Sie würde einen Karikaturenwettbewerb sponsern, der den Holocaust ins Lächerliche zieht. Wenn das mit dem Propheten Mohamed geschehen kann – es geht ja um das Recht auf freie Meinungsäußerung – dann sollte dasselbe für den Holocaust gelten.
Wie sich herausstellte, waren die Karikaturen weit entfernt von Verhöhnung. Sie stellten den Völkermord an den europäischen Juden weder als Mythos dar noch verhöhnten sie die Opfer. Was sie zum Thema hatten war die israelische Brutalität gegenüber den Palästinensern, den Missbrauch des Holocaust um die Verbrechen gegenüber den Palästinenser zu rechtfertigen und die Parallelen zwischen Israel und Nazideutschland.
Urteilen Sie nun selbst! Die Zeichnungen zeigten folgendes: Ein Vampir, der das Blut der Palästinenser trinkt, trägt den Davidstern; Ariel Sharon in einer Nazi Uniform; drei Soldatenhelme – zwei mit Hakenkreuzen, einer mit dem Davidstern; ein tollwütiger Hund mit dem Davidstern und dem Wort „Holocaust“ am Halsband; eine Taube wird am Fliegen gehindert, weil sie an einen Davidstern gekettet ist; US Präsident George Bush an einem Schreibtisch schlägt Tauben tot; ein schlafender Israeli mit drei arabischen Köpfen an der Wand über seinem Bett; ein israelischer Soldat gießt Benzin in einen Tank aus einem Behälter, auf dem „Holocaust“ steht; eine Rasierklinge, die im Boden steckt und die illegale Apartheidmauer repräsentiert, trägt die Aufschrift „Holocaust“; zwei Feuerwehrmänner mit Davidsternen auf der Brust löschen mit palästinensischem Blut die Flammen, die aus dem Wort „Holocaust“ kommen. (8)
Obwohl der Direktor der Ausstellung einem New York Times Reporter ganz richtig erklärte, die Zeichnungen seien anti-israelisch und anti-zionistisch, erschien der Artikel dazu unter der Überschrift „Iran stellt anti-jüdische Kunst aus“. (9) Die Verschmelzung von Israel und Zionismus mit Judentum und daraus resultierend die Gleichsetzung von anti-israelisch und anti-zionistisch mit anti-jüdisch ist eine brauchbare Waffe, wenn man die Kritik an Israel zum Schweigen bringen will.
Die Konferenz in Teheran wurde in gleicher Weise als anti-jüdisch beschrieben. Es stimmt, dass widerliche Judenhasser daran teilnahmen, aber es stimmt nicht für alle Teilnehmer.
Shiraz Dossa, der Dritte Welt Politik an der St. Francis Xavier Universität in Nova Scotia unterrichtet und ein Bewunderer von Noam Chomsky und Hannah Arendt ist, äußerte sich zum Missbrauch des Holocaust um den Krieg gegen den Terror zu rechtfertigen. Dossa sieht den Holocaust als eine Realität und sagt, dass „jeder, der ihn leugnet, verrückt ist.“ (10) Er akzeptierte die Einladung zur Konferenz, um Teheran in seinem Anliegen zu unterstützen, nämlich dem Westen zu zeigen, dass er es mit seiner Verteidigung der Meinungsfreiheit nur dann ernst nimmt, wenn es darum geht, das zu beleidigen, was anderen heilig ist.
Und ein letzter Punkt: Wenn es das tatsächliche Ziel der Konferenz gewesen wäre, den Holocaust in Frage zu stellen, hätte es wohl wenig Sinn gemacht, eine Versammlung von Nullen und Spinnern, deren Glaubwürdigkeit gleich Null ist, zu organisieren. Wenn es andererseits das Ziel war zu zeigen, dass die freie Meinungsäußerung nicht bedeutet, dass man sich mit dummen und widerlichen Elementen zur Schau stellt, dann war die Einladung von David Duke und seinesgleichen bestens gewählt.
Allerdings ist es so, dass Ahmadinejad nicht gewinnen kann, egal was er auch noch so demonstrativ der öffentlichen Meinung im Westen bietet. Einige werden seine Manöver als schwachsinnig bezeichnen und letztendlich sind sie es auch, nicht weil sie die öffentliche Meinung im Westen vor den Kopf stoßen, sondern weil er glaubt, er kann sie für sich gewinnen. Er kann es nicht, außer es gelingt ihm tatsächlich zu den westlichen Massenmedien durchzudringen, aber das wird eben nicht passieren. Das, was Ahmadinejad über die Toleranz der Meinungsfreiheit demonstrieren will, wird von den Amerikanern, Briten oder Kanadiern wohl kaum verstanden werden. Was immer Ahmadinejad auch tut, er wird zum neuen Hitler gestempelt werden, so wie es vielen Regierungschefs von Ländern, die auf der Abschussliste der USA stehen, schließlich widerfährt. Es ist das Bild, das geschaffen werden muss.
Übersetzung: Elisabeth Lindner-Riegler
(1) „Israel will be „wiped out“ „, AP, 12. Dezember 2006
(2) „Canadian prof attends Tehran’s gathering of Holocaust deniers,“ Globe and Mail, 13. Dezember 2006
(3) AP, 12. Dezember 2006
(4) „Even a scholar’s academic freedom has its limits,“ Globe and Mail, 14. Dezember 2006
(5) AP, 12. Dezember 2006
(6) AP, 12. Dezember 2006
(7) New York Times, 8. Februar 2006
(8) New York Times, 25. August 2006
(9) New York Times, 25. August 2006
(10) Globe and Mail, 13. Dezember 2006