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Kein Pakt mit dem Teufel, sondern ein Pakt der Teufel!

11. Januar 2007

Der Abschluss der Koalitionsverhandlungen hat selbst den Wohlgesonntesten unter den Beobachtern herbe Kritik entlockt. Hannes Androsch beispielsweise, selbst ehemaliger Minister, später Vizekanzler der SPÖ und heute Großkapitalist, bezeichnete die neue Regierung als „ÖVP-Regierung mit SPÖ-Kanzler“. Das Verhandlungsteam der SPÖ habe vor der ÖVP kapituliert, so der allgemeine Tenor. Und tatsächlich sind zentrale Wahlversprechen der SPÖ bei den Verhandlungen auf der Strecke geblieben: Abschaffung der Studiengebühren, Ausstieg aus dem Eurofighter-Vertrag und ein gerechteres Gesundheitswesen waren jene Parolen, mit denen die SPÖ im Wahlkampf zu punkten versuchte. Strache und Westenthaler spöttelten über die Unverfrorenheit der SPÖ, mit der diese ihre Versprechen an die Wählerschaft in den Wind schlug.

Koalitionsverhandlungen

Betrachtet man die Koalitionsverhandlungen für sich, dann kann man leicht zu der Schlussfolgerung verführt werden, dass die SPÖ übervorteilt wurde. Die wichtigsten Ressorts, wie etwa Inneres, Äußeres und Finanzen, gingen an die ÖVP, wohingegen die SPÖ sich mit ihren „Kernanliegen“ Soziales, Infrastruktur und Unterricht begnügte. De facto hat die SP indes keinerlei Ressort von Bedeutung. Das Sozialministerium früherer Zeiten hatte seine Bedeutung nicht zuletzt aufgrund der Arbeitsagenden, die jetzt bei Bartenstein verbleiben, einer Unterordnung, wie sie schon der Ständestaat pflegte. Und das bisherige Bildungsministerium wurde, nachdem die Agenden für Wissenschaft und Forschung in ein eigenes Wissenschaftsministerium unter einem ÖVP Minister ausgelagert wurden, zum reinen Unterrichtsministerium, bloß vermehrt um die Agenden des ehemaligen zahnlosen Kunststaatssekretariates; es hat null Gestaltungsspielraum aufgrund der 2/3-Hürde. Reine Potemkinsche Dörfer also. Dies wirft ein Schlaglicht auf die bestehenden Kräfteverhältnisse zwischen ÖVP und SPÖ. Obwohl die ÖVP noch als großer Wahlverlierer gehandelt wurde, konnte sie sich nun trotzdem gekonnt in den Koalitionsverhandlungen profilieren. Nachträglich scheint sich die Einschätzung über die Nationalratswahlen zu bestätigen, dass die SPÖ nicht der Wahlgewinner war, sondern dass die ÖVP lediglich veritabler verloren hatte. Außerdem erwies sich Schüssel wieder einmal als harter und routinierter Verhandler, der mit allen möglichen Taschenspielertricks vertraut ist.

Der SPÖ blieben auch kaum andere Optionen der Regierungsbildung offen, da sie eine Minderheitenregierung nie ernsthaft in Erwägung zog. Die österreichische Sozialdemokratie hoffte schon kurz nach den Nationalratswahlen auf eine große Koalition. Sie hatte von Anfang an auf diese Form des Regierens gesetzt. Das, was man Schüssel immer vorgeworfen hatte, dass er nämlich alles in Kauf nehmen würde, nur damit er Kanzler bleibe, gilt nun in erstaunlicher Weise auch für Gusenbauer. Die drei zentralen Themenbereiche, welche die SPÖ im Vorfeld immer wieder lanciert hatte, Studiengebühren, Eurofighter und Gesundheitswesen, sind irgendwo zwischen Fischers Privatwohnung und Finanzministerium auf der Strecke geblieben.

Noch kurz vor dem Abschluss des Koalitionsvertrages insistierte Gusenbauer, dass es sich bei den Studiengebühren um einen jener „harten Punkte“ handle, der von der SPÖ niemals aufgegeben werde. Nun wird von eben dieser SPÖ ein perfider Kompromiss präsentiert, in dem Studentinnen und Studenten statt Studiengebühren zu zahlen auch einen sozialen Dienst leisten können. Es ist eine reinste und pure, zynische Demütigung der Studierenden und, in einem Aufwaschen, mit der Pflege- und Sozialdienste Leistenden. Niemand kann bestreiten, welche Assoziationen der Begriff „Sozialdienst“ in Ö auslöst. Es sind Bilder der finalen Marginalisierung, des Stehens auf der aller untersten Stufe. Und das seit kleinen Ewigkeiten. Wann immer Menschen ausgegrenzt wurden, bis hin zum Absprechen ihres Menschseins, wurde sie als asozial gebrandmarkt und ihnen Sozialarbeit angedroht. Nicht umsonst war es eine der ersten Polemiken Hitlers gegen die jüdische Bevölkerung, er werde diese Schmarotzer schon zur Arbeit am Volke zwingen. Diese Assoziationen, die auch damals nicht neu waren, sind lebendig wie eh und je. Wer zu Sozialdiensten angehalten wird, ist zu Allerunterst angekommen. Der Ablauf macht sprachlos: Eine Partei täuscht ihre Verbindung mit den Interessen der Studierenden vor und geht mit der Forderung nach der Abschaffung der Studiengebühren als einem ihrer Hauptpunkte in den Wahlkampf. Und was ist das Ergebnis? Studiengebühren bleiben auf den Cent und Studierende, die sich die Studiengebühren nicht leisten können, sollen Sozialarbeit leisten. Nicht zu vergessen: Erstmals werden die Studiengebühren für Gutverdiener auf Betreiben der VP steuerlich absetzbar! Also: Die Reichen bekommen die Studiengebühren über die Steuer ersetzt, die Ärmeren werden zynisch stigmatisiert und dürfen in die Hospize Latrinenputzen gehen. Dazu O-Ton Michael Häupl: „Ich sehe die Studiengebühren als abgeschafft“ Den freien Hochschulzugang aber, wie er durch die Studiengebühren grundsätzlich abgebaut wurde, und wie er von der SPÖ immer wieder eingefordert wurde, wird von der neuen Koalition wohl nicht wieder eingeführt werden.

Das Thema Eurofighter wurde aus dem Koalitionspakt ausgespart. Die Krankenversicherung soll jedoch um 0,15 Prozent erhöht werden, damit dem Gesundheitswesen mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Auch hier bleibt die entscheidende Fragestellung offen, wer den Löwenanteil für diese Finanzierung über die Krankenversicherung tragen soll: Die Arbeitenden oder die Kapitalbesitzer?


Große Koalitionen

Im Wahlkampf hatte die SPÖ immer wieder mit „sozialer Wärme“ zu argumentieren versucht. Die schwarz-blaue Regierung wurde als „neoliberal“ kritisiert und auch Gusenbauer persönlich versuchte sich als Globalisierungskritiker zu gebärden. Dabei ist vollkommen in Vergessenheit geraten, dass die österreichische Form des Neoliberalismus ein schwarz-rotes Projekt gewesen ist. Gerade als es zum Bruch der SPÖ-FPÖ-Regierung gekommen war, steuerte die SPÖ 1986/87 auf eine Große Koalition zu. Die SPÖ legte klar ihre Ziele vor, nämlich Budgetkonsolidierung und Stärkung der Marktkräfte. Diese Zielsetzungen mussten breit abgesichert werden und erforderten daher in gewisser Weise diese Form der Regierung. Die Wende vom Keynesianismus zum Neoliberalismus wurde im Rahmen einer Großen Koalition vollzogen.

Die SPÖ ist in keiner Form jemals zu Pakten verführt worden, die ihrer politischen Natur widersprechen würden. Die Sozialdemokratie selbst hat in Österreich das Projekt des Neoliberalismus vorangetrieben, sie selbst hat eine strenge Austeritätspolitik betrieben und den Sozialstaat demontiert. Diese Form des Koalitionspaktes, wie er uns heute vorgelegt wird, entspricht also durchaus der politischen Kontinuität der SPÖ. Sie hat sich in den jetzigen Koalitionsverhandlungen möglicherweise über den Tisch ziehen lassen, doch auch für sie gibt es keinen Weg zurück in den Sozialstaat. Auch wenn sie heute von „sozialer Wärme“ spricht, so macht sie dies unter dem erdrückenden Dogmen des Neoliberalismus. Es handelt sich bei dem jetzigen Koalitionspakt also nicht um einen Pakt mit dem Teufel, den die SPÖ hier eingegangen ist, wie von vielen, linken Sozialdemokraten behauptet. In einer historischen Dimension betrachtet hält dieser Koalitionspakt genau das, was die SPÖ schon seit Mitte der achtziger Jahre versprochen hatte.

Doch es ist nun keine marktradikale Attacke à  la Thatcher oder Reagan zu erwarten, sondern der übliche zitzerlweise Sozialabbau nun noch stärker sozialpartnerschaftlich akkordiert. Politischer Abfederer und damit Garant des Neoliberalismus zu sein, das ist die wirkliche Rolle des ÖGB. Seine Krise ist strukturell, denn er muss mit der Lüge der Vertretung der Interessen der Arbeitenden hausieren gehen. Darum ist es so wichtig, dass sich soziale Proteste endlich von SP-ÖBG politisch emanzipieren.

Die Koalition repräsentiert damit die gesellschaftliche Erstarrung wie schon die alte Große Koalition in den 90er Jahren. Der ehemalige SP-Kanzler Vranitzky brachte es damals auf den Punkt: „Wer Visionen hat braucht einen Arzt.“ Die Marktradikalen werden wieder vom Reformstau schreien, während der SP-Herrschaftsapparat die schrittweisen Verschlechterungen als soziale Ausgewogenheit zu verkaufen versuchen wird.

Viele sind erleichtert, dass zumindest der inkompetente Deregulierungsfundamentalist mit seinem Nulldefizit, KHG, weg ist. Doch selbst darin gibt es Kontinuität: die Koalition strebt dauerhaft ein Nulldefizit an, unabhängig von der Konjunktur – eine Linie die selbst der CDU nicht nur für zu hart, sondern selbst für das Funktionieren des Kapitalismus als nicht zielführend erscheint.

Bei der Durchsicht der 167 Seiten des Regierungsprogramms sind uns noch folgende Projekte im Sinne der Stärkung der Eliten zuungunsten des Volkes aufgefallen:

Größter Brocken, auch an der Seitenanzahl ablesbar, ist die Verfassungs- und Verwaltungsreform mit dem Abschluss des Verfassungskonvents: die Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre ist fix vereinbart. Mit den demokratischen Elementen der Verfassung soll gründlich aufgeräumt werden. Auch hier ist ein klares Kontinuum in der SP zu erkennen, die nie zimperlich war, wenn es um den eigenen Machterhalt ging.

Wirtschaft/Arbeit: Die Arbeitszeiten werden weiter klar ausgedehnt. Fixiert ist ein Wegfall jeglicher Arbeitszeitbeschränkung für Betriebe ohne Betriebsrat, sofern „keine gravierenden gesundheitlichen Bedenken bestehen“.

Videoüberwachung wird massiv ausgeweitet. Hinkünftig wird nicht nur die Polizei das Recht dazu haben, sondern auch Private.

Ein Gruselkabinett ist das Sozialkapitel. Die Zumutbarkeitsbestimmungen werden nochmals verschärft – vor allem durch Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme in ganz Österreich, auch fern des bisherigen Wohnorts. Langzeitarbeitslose sollen generell und vollständig zur Arbeitsleistung in sozialen Einrichtungen oder sonstigen Hilfsdienstprojekten verpflichtet sein.

Gustostück im Justizbereich: Es wird als neue Strafsanktion, neben Haft- und Geldstrafen, eine „Verpflichtung zur gemeinnützigen Leistung“ eingeführt, auch und besonders in Kombination mit Haftstrafen. Auf gut Hochdeutsch: der Arbeitsdienst ist da!

Das Bundesheer, jetzt unter der Leitung eines SPÖ-Verteidigungsministers, kann ab sofort an Kriegseinsätzen im Ausland auch ohne UNO-Beschluss teilnehmen. Bravo, darauf haben die Atlantiker nur gewartet: österreichische Eurofighter auf zur Bombardierung des Iran unter US-Kommando!

Perspektiven der Linken

Zur Zeit existiert in Österreich keine wirkliche oppositionelle Kraft. Das ist der Kern des jetzigen Dilemmas der Linken. Sie kann sich nur in einer Fundamentalopposition üben, die aber ohne Wirksamkeit in der österreichischen, politischen Landschaft verhallt. Die Kommunistische Partei versucht in dieser Situation durch theoretische Debatten über den Austromarxismus die historische Spaltung mit der Sozialdemokratie zu überwinden, in dem sie sich als deren liberaler, aufgeklärter Flügel zu präsentieren versucht. Ihre theoretische Kapitulation zeigt nur ihre Politische an. Zurzeit kann einzig die Rechte wirksame Oppositionspolitik betreiben. Straches humoristische Anmerkungen über Gusenbauers Wahlversprechen spiegeln auch eine gewisse Genugtuung wider, denn es ist die Rechte, die die besseren Ausgangsbedingungen hat, um von den Enttäuschungen über die Sozialdemokratie profitieren zu können wie das schon Jörg Haider vor dem Jahre 2000 gelungen ist.

Die Hauptaufgabe der Linken besteht deshalb darin, einen neuen, ernsthaften, politischen Pol zu schaffen. Dieser Pol muss sich radikal vom jetzigen politischen Establishment absetzen und gleichzeitig eine Breitenwirksamkeit entfalten. Sie muss ein hegemoniales Prinzip anbieten, dass allmählich aus der marginalisierten Position auszubrechen vermag. Unsere Stoßrichtung ist:

Nein zum marktliberalistischen Feldzug gegen die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung.

Nein zur Machtkonzentration in den Händen einer kleinen Elite aus Wirtschaft, Politik und Medien.

Nein zur EU und zur Unterordnung unter die USA, die Triebkräfte des Krieges und der Globalisierung. Für eine neue soziale und demokratische Bewegung des einfachen Volkes gegen das zynische Regime der kapitalistischen Eliten.

Antiimperialistische Koordination
10. Jänner 2007

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