Site-Logo
Site Navigation

Buchbesprechung: Friendly Fire – Als Geisel zwischen den Fronten

30. Januar 2007

Ein Buch von Giuliana Sgrena, Ullstein Verlag

Giuliana Sgrena, italienische Journalistin des „il manifesto“, gerät im Irak 2005 für vier Wochen als Geisel in die Hände der Mudschaheddin. Bei ihrer Freilassung wird der italienische Geheimdienstagent Nicola Calipari von amerikanischen Militärs getötet und Giuliana Sgrena schwer verletzt.
Wer erinnert sich nicht an die durch die Medien gehenden Bilder von Giuliana Sgrena und den Demonstrationen in vielen italienischen Städten mit den skandierten „Liberatela“-Rufen.
Eine engagierte Journalistin ist Sgrena, mit dem politischen Wissen einer „Linken“, jahrzehntelanger Erfahrung in der Kriegsberichterstattung (Somalia, Palästina, Afghanistan, Algerien) und dem unerschrockenen Einsatz für die Menschen in diesen Gebieten negiert sie Gefahr für Leib und Leben! Eine starke und mutige Frau! Dieser Eindruck wäre geblieben, hätte sie dieses Buch nicht geschrieben.
Es ist ein gefälliger Bericht, in dem niemand zu kurz kommt: Weder die Salonlinken noch die Grünen, weder die Intellektuellen noch die Frauen, auch nicht die Antiislamisten. Selbst „Die Zeit“, für die sie auch schreibt, wird nicht wirklich Worte über die „vereinigten“ kriegstreibenden Länder, wie die an vorderster Front agierenden USA, Großbritannien und eben Italien, abmahnen müssen.
Der Titel „……zwischen den Fronten“ scheint ihr Programm zu sein, denn sie kann sich für keine Seite richtig entscheiden. Wer die strikte Verurteilung des Angriffes auf den Irak und dessen Zerstörung sucht, wird vergeblich suchen. Es fehlt die bedingungslose humane Ausrichtung. Viel Zeit jedoch räumt Sgrena den Ausführungen ihrer eigenen Befindlichkeiten während ihrer Gefangenschaft ein: „Die Mahlzeiten sind weniger regelmäßig. Nach meiner wiederholten Weigerung zu essen (…..) verlangen die Entführer manchmal, dass ich sie um etwas zu essen bitte“ (S.31,32). An selber Stelle vermutet Sgrena, dass sie deshalb zu dem Tee, der ihr gebracht wird, kein zusätzliches heißes Wasser bekommt, dass diese „Beschränkungen (entweder) mit dem Mangel oder mit dem Bedürfnis der Entführer, meinen Gefangenenstatus zu unterstreichen“, zusammenhängt. Es darf geraten werden. An gleicher Stelle wird die Maniküre von Finger- und Zehnnägel zu einem wichtig gemachten Problem. Sie bekommt keine Schere, sondern „irgendwann endlich einen Nagelknipser, aber nur für die unbedingt notwendige Zeit“!
Unter dem Kapitel „Frauen“ S.122 schreibt Sgrena.: „Ich musste keinerlei körperliche Gewalt über mich ergehen lassen: Ich war nicht einmal gefesselt, noch hatte man mir die Augen verbunden“. Auf selber Seite „….obgleich ich eine Gefangene und folglich meinen Entführern vollkommen ausgeliefert war, fürchtet ich nie, vergewaltigt zu werden“. Dennoch versucht Giuliana Sgrena immer wieder den arabischen Männern insgesamt – und speziell ihren Gefängniswärtern – Frauenfeindlichkeiten zu unterstellen. Wenn ihr das nicht gelingt, entrüstet sie sich in eurozentrierter Überheblichkeit über arabische Rückständigkeiten in Frauenfragen, so als hätte Europa die Frauenunterdrückungsmechanismen schon beseitigt. Eine perfide Variante ihrer Herabsetzung ist das Lächerlichmachen. So schreibt Sgrena (S.110): „….am liebsten hätte ich ein paar hohe Schuhe getragen, um sie zu provozieren“. Sie vermutet, dass das Geräusch von Pfennigabsätzen „eine unwiderstehliche Verlockung für Männer“ sei. Eine mediale Aufarbeitung von besonderem Reiz ist das Verhalten von arabischen Männern gegenüber Frauen bei der Regelblutung. Meine Wärter „erschraken, als ich meine Menstruation bekam, und verboten mir zu duschen, so lange sie nicht sicher waren, dass das “rote Blut zu Ende war'“.

Das Buch von Giuliana Sgrena ist eine Ansammlung von Vermutungen, Unterstellungen und Überheblichkeiten. Ihr Hang zur journalistischen Verwertbarkeit ihres Erleben hat ihren Blick getrübt.
Soll das Buch gekauft werden? Ich bin der Meinung, ja. Es ist ein Lehrstück dafür, wie Journalismus in unserer Zeit betrieben wird.

Karin Oberkofler

Karin Oberkofler lebt in Innsbruck.

Thema
Archiv