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Interview mit Mai Akl, Führungsmitglied der Partei von Aoun

31. Januar 2007

aus il manifesto, 26.1.2007

Beim Generalstreik der politischen Opposition und des Gewerkschaftsbundes CGTL am Dienstag, den 23.Januar 2007, sowie den Straßenkämpfen auf dem Campus der Amerikanischen Universität Beirut zwischen Oppositionellen und Regierungsanhängern zwei Tage darauf wurden laut der FAZ vom 25.1. und der „Süddeutschen Zeitung“ vom 27.1.2007 insgesamt mindestens 9 Menschen getötet und ca. 330 verletzt. Verantwortlich für diese Opfer waren zum überwiegenden Teil die bewaffneten Schlägertrupps der rechtsradikalen (christlich-maronitischen) Falangepartei „Forces Libanes“ (FL) des Massenmörders und Regierungspolitikers Samir Geagea sowie die Security-Guards der Partei des (sunnitischen) Großkonzerns Hariri Incorporation (das libanesische Gegenstück zu Berlusconis Forza Italia und allesamt würdige Partner der Antideutschen!), die das Ziel hatten die Streikenden und Demonstranten einzuschüchtern bzw. die Hisbollah zu einem Gegenschlag zu provozieren. Dadurch sollten die libanesische Armee und die unter dem Etikett UNIFIL 2 im Libanon stationierten Truppen Frankreichs, Italiens, Spaniens, der BRD etc. zum direkten militärischen Eingreifen bewegt werden. Das gelang ihnen (von Warnschüssen in die Luft der ebenfalls innerlich gespaltenen libanesischen Armee und einer kurzen nächtlichen Ausgangssperre einmal abgesehen) bisher nicht, auch wenn sich gerade die Falangisten alle Mühe geben.

Zur Lage im Libanon brachte die unabhängige linke italienische Tageszeitung „il manifesto“ am 26.1.2007 ein Interview mit dem Führungsmitglied der oppositionellen christlich-laizistischen Partei des Ex-Generals Aoun, Mai Akl.


„Mit diesem Ministerpräsidenten gibt es nur Schulden. Die Hilfen sollten an eine neue Regierung gehen.“

Interview mit Mai Akl, dem Berater des Generals Aoun: „Die Gewalt kommt von den Schlägern der Regierung, nicht von uns. Wir werden weiter protestieren, um zu einer Exekutive der nationalen Einheit zu gelangen.“ Fürchterlicher, blutiger Tag in der libanesischen Hauptstadt, wo die Heckenschützen auf die Dächer zurückkehren, wie während des Bürgerkrieges. Bei den von militanten Regierungsanhängern begonnenen Auseinandersetzungen auf dem Campus fünf Studenten getötet und Dutzende Verletzte. Fatwa der Hisbollah: „Geht nach Hause!“

Michele Giorgio – Jerusalem

Die Spannung im Libanon ist immer noch hoch. Zu den gewaltsamen Zusammenstößen am Dienstag zwischen sunnitischen und schiitischen Moslems und zwischen rivalisierenden christlichen Parteien (5 Tote und über 100 Verletzte) kamen gestern blutige Zwischenfälle zwischen Studenten entgegen gesetzter Fraktionen hinzu. Zur selben Zeit illustrierte Siniora in Paris seinen Plan für Wirtschaftsreformen (die in der Heimat höchst umstritten sind) und erhielt umfangreiche Hilfen von den Geberländern. Über das Klima dieser Tage, über die Konferenz in Paris, die Protestaktionen der Opposition und die Spannungen zwischen christlichen Parteien interviewten wir Mai Akl, den Sprecher und Berater von Michel Aoun, der Führer der christlichen Partei „Freie patriotische Strömung“ (FPC), dem wichtigsten Verbündeten der schiitischen Bewegung Hisbollah.

Es fließt wieder Blut. Befürchtet Ihr nicht, dass die Situation außer Kontrolle geraten kann und das sowohl für die Mehrheit wie für die Opposition?

„Diese Gefahr ist konkret, aber wir wissen, dass unsere Aktivisten und ganz allgemein die Anhänger der Opposition diszipliniert sind und alles tun, um gewalttätige Zwischenfälle zu verhindern. Leider gilt das nicht für die Anhänger des anderen Lagers.“

Am Dienstag habt Ihr den Streik ausgesetzt, aber bekräftigt, dass die Proteste weitergehen. Die Regierung beschuldigt Euch die Unruhen zu schüren.

„Das ist eine Lüge. Im Gegenteil, gerade am Dienstag haben wir großes Verantwortungsbewusstsein gezeigt. In Übereinstimmung mit den Gewerkschaften haben wir den Streik unterbrochen, um die Lage zu beruhigen. Unser Protest ist ein friedlicher Protest für das Ziel aller Oppositionskräfte: eine Regierung der nationalen Einheit, die eingesetzt wird, um die Interessen aller Libanesen zu vertreten und nicht nur die Interessen einiger weniger politischer Kräfte, die die Korruption nähren. Es stimmt, am Dienstag wurden Straßensperren und Barrikaden errichtet und einige Aktionen wurden verhindert, aber niemand hatte die Absicht den Streik gewaltsam durchzusetzen. Das Chaos brach aus als die Schlägertrupps der Regierungsparteien auf der Straße erschienen und unsere Demonstranten angriffen. Das Streikrecht wird von der Demokratie garantiert und am Dienstag haben sich – es ist gut daran zu erinnern – Hunderttausende Libanesen im ganzen Land daran beteiligt.“

Die Spannung zwischen gegensätzlichen christlichen Parteien haben ein Niveau erreicht, dass es seit den Tagen des Bürgerkrieges nicht mehr gab. Der Chef der „Libanesischen Streitkräfte“, Samir Geagea beschuldigt den CPL des „Verrats“ sowie der Beteiligung an einem Staatsstreich und rief mehrmals die Armee auf, mit Gewalt gegen die Opposition vorzugehen.

„In einer Demokratie gibt es unterschiedliche politische Positionen und im Libanon können die Christen in aller Ruhe die eine oder die andere Partei wählen. Geagea, der ein Kriegsverbrecher war und bleibt, erkennt dieses Prinzip nicht an und meint, dass alle christlichen Libanesen im Guten wie im Schlechten auf seiner Seite seien müssen. Geagea betrachtet seine Partei weiterhin als eine Miliz, die er gegen Rivalen und Oppositionelle einsetzt. Die Milizionäre benutzen auf seinen Befehl hin Pistolen und Gewehre, um ihr Gesetz durchzusetzen, aber sie werden uns nicht einschüchtern. Geagea muss begreifen, dass die Waffen, die er in seinen geheimen Arsenalen versteckt, den Willen der Libanesen, die eine neue Regierung fordern, nicht ändern werden.“

Ministerpräsident Sinora hat auf der Konferenz der Geberländer in Paris sehr großzügige Finanzhilfen erhalten. Wo und wie sollte der Ministerpräsident die Milliarden Dollar, die er bekommen hat, Eurer Ansicht nach einsetzen?

„Wir wünschen uns, dass es nicht Siniora ist, der diese Mittel verwaltet, sondern ein anderer Ministerpräsident an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit. Sonst gibt es ein Desaster. Siniora war während der Regierung von Rafiq Hariri (der vor zwei Jahren ermordet wurde; Anm.d.Red.) Finanzminister und hat diverse Wirtschaftspläne in die Tat umgesetzt, die sich als Reinfall erwiesen und damit eine enorme Staatsverschuldung angehäuft (41 Milliarden Dollar, d.h. 180% des Bruttoinlandsproduktes), die er jetzt zu reduzieren beabsichtigt, indem er die einkommensschwächsten Teile der Bevölkerung angreift.“

Es wird von Verhandlungen gesprochen, die in anderen arabischen Hauptstädten im Gange seien, um die innerlibanesische Krise zu lösen und die Indiskretionen sprechen von einer Lösung, die Saudi-Arabien und der Iran erreicht hätten. Stehen wir wirklich kurz vor einem Abkommen?

„Die libanesische Krise wird allein von den Libanesen gelöst werden, nicht im Ausland. Bis heute sind alle arabischen Initiativen gescheitert. Es gibt eine einzige Lösung: Die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit und die Beendigung der politischen Linie von Fouad Sinora.“

Vorbemerkung und Übersetzung: Rosso, (Ex-Mitglied der Ende Oktober 2006 nach 17 jährigem Bestehen aufgelösten Antifa-AG der Uni Hannover)

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