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Erfolgreiche Demokratiekur, Patient tot

19. April 2007

Demokratie ausgehungert und lebendig begraben?

Der Aufmerksamkeit politikinteressierter LeserInnen des Regierungsprogramms ist es zu verdanken, daß mit Fixierung der Großen Koalition bekannt wurde, daß SPVP eine Wahlrechtsreform verankerten, die die Legislaturperiode des Nationalrats von 4 auf 5 Jahre ausweiten wird.

Die ÖVP betrachtet es bis zum heutige Tag nicht für nötig, eine Begründung dafür zu liefern, die über Leerfloskeln von einem „schlanken Staat“ hinausgeht. Da das Thema in den Medien aufgrund von dessen parlamentarischer Umsetzung in allernächster Zukunft (Der Termin vor der Sommerpause der Plenarsitzungen dürfte halten) wieder aufgegriffen wurde, sah sich die SPÖ zu einer Erläuterung ihrer Befürwortung veranlaßt.

„Es gehe um eine überfällige Angleichung der Legislaturperioden der Landtage und des Nationalrats“ ist aus der Löwelstraße zu hören.

Das „Argument“ stellt sich in scharfen Sarkasmus-Wettbewerb mit der VP Leerfloskel „schlanker Staat“. Die Landtage sind vom Nationalrat völlig getrennte und unabhängige Körperschaften, deren Legislaturperiode daher mitnichten mit selbiger des Nationalrats korrespondieren muß.

Die allernächstliegende Zeitgeschichte lehrt, daß NR-Wahlen in zeitlich kurzem Abstand nicht nur problemlos bewältigbar sind, sondern die Politikinteresse fördern. Die Wahlbeiteiligung an der NR-Wahl 1995 nach vorzeitiger Auflösung des Parlaments, lediglich ein knappes Jahr nach der NR-Wahl 1994, hatte als Resultat eine um 5 % höhere Wahlbeiteiligung.

Doch wir sind lernfähig: Wenn die Wahlbeteiligung, wie während der letzten 10 Jahre geschehen, immer weiter absinkt und eine Mehrheit der StaatsbürgerInnen ausdrückt, keiner der wahlwerbenden Parteien ihre Stimme geben zu wollen (Die mit Abstand größte Gruppe der Wahlberechtigten waren bei der NR-Wahl 2006 die Nicht- und UngültigwählerInnen), dann…
… ja dann schließen Gusenbauer, Cap, Molterer und Schüssel folgerichtig, daß derartige Wahlen, denen der Massenzuspruch ermangelt, gar nicht mehr angeboten werden müssen.

„Der Kaiser muß sich nur noch alle 5 Jahre ein neues Volk suchen!“

Größerer Widerstand seitens der Opposition bleibt, wie abzusehen war, aus. Bedeutet es doch, sich als ParlamentarierIn erst ein Jahr später der Wiederwahl stellen zu müssen, um sichere Listenplätze bangen zu müssen.

Eine klare Beschneidung der parlamentarischen Demokratie um ein sattes Viertel! Die Herabsetzung des Wahlberechtigtenmindestalters auf 16 ist zwar ein richtiger Schritt, kann aber den Demokratieabbau durch die Verlängerung der Legislaturperiode nicht wettmachen.

Die Verfassungsexperten Öhlinger und Rotter weisen darauf hin, daß die SP-VP Wahlrechtsreform zusätzlich einen stückweisen Radikalumbau der Verfassung darstellt. Während eine neue Verfassung in einem Stück einer Volksabstimmung unterzogen werden müßte, „mogelt“ sich ein Radikalumbau in Portionen per in der Verfassungsrang gehobenen Gesetzen daran vorbei. Die SP-VP 2/3 Mehrheit im Parlament macht’s möglich!

Reinhard Loidl

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