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Kubaysi: Der irakische Widerstand als globaler antiimperialistischer Pol

21. Juli 2007

aus Intifada Nr. 24

Zuerst möchte ich meinen Dank an das Publikum für sein Interesse an der Situation im Irak unter der brutalen amerikanischen Besatzung aussprechen. Mein besonderer Dank und meine besondere Zuneigung gehen an die Freunde, die unermüdlich gearbeitet und diese Konferenz zur Unterstützung des arabischen Widerstands im Irak, im Libanon und in Palästina organisiert haben.

Sehr geehrte Zuhörer, wir erinnern uns alle an die Stimmen gegen Aggression und Krieg, die Stimmen der Menschen dieser Erde, an die Millionen, die im Februar 2003 ihre Ablehnung des Krieges im Irak verkündet und bekräftigt haben. Diese Millionen waren sich bewusst, dass die obersten menschlichen Werte der Freiheit, der Gerechtigkeit und der Gleichheit am meisten Nachdruck erhalten, wenn sie in Übereinstimmung mit den internationalen Grundrechten und Normen und den Prinzipien der Wahrheit eingefordert werden. Ein gerechter Frieden ist die mögliche Lösung für alle internationalen Konflikte und der Beweis dafür, dass Krieg nicht immer der unumgehbare Weg ist. Ein Frieden, der auf Gerechtigkeit und Wahrheit basiert, ist ein Zeichen des äußersten Mutes, denn er stellt ein Urteil dar, das auf Vernunft und fairem Verhalten begründet ist.

Aber der Imperialismus und die neokonservative Bande in Washington haben sich geweigert, auf die Stimme der Menschen zu hören. Sie beteiligen sich stattdessen am Schüren von Hass und folgen zionistischen Mythen.

(…)

Das Projekt des amerikanischen Imperiums hat mit der Besatzung des Irak angefangen und ist ein grausames, zügelloses imperialistisches Unterfangen, das die ganze Menschheit bedroht. Dieses Projekt ist heute mit der bewaffneten irakischen nationalen Widerstandsbewegung konfrontiert, die seine Grundpfeiler erschüttert. In den Straßen Bagdads und anderer Städte werden die imperialistischen Waffen und Technologien bloß gestellt, der amerikanische Hochmut frisst Dreck.

Niemand kann die Effektivität der irakischen Widerstandsbewegung leugnen. Dieser Widerstand bekämpft nicht nur die angelsächsische Besatzung und deren Verbündete und Werkzeuge, sondern hat das gesamte amerikanische und zionistische imperialistische Projekt in der Region in Verwirrung gestürzt. Die Folgen dieser Verwirrung zeigen sich nun auch an anderen Orten, von Asien bis Lateinamerika.

Es gibt ein erstaunliches und eigenartiges Paradoxon, nämlich die totale Boykottierung des irakischen Widerstands durch sämtliche Staaten und offiziellen Institutionen dieser Welt. Alle halten sich – mit wenigen Ausnahmen – an die politischen Verbotslinien, die von der amerikanischen Amtsführung gezogen wurden, wo es um den Irak geht. Und das obwohl sie wissen, dass der irakische Widerstand den Kampf der gesamten Menschheit gegen einen brutalen Imperialismus führt, und dass dieser Kampf grenzenlose Möglichkeiten für alle eröffnet, deren Ziel es ist, die edelsten, glorreichsten und dauerhaftesten Errungenschaften der menschlichen Gattung umzusetzen.

Es liegt in der Natur der Dinge, dass diejenigen, die an der Aggression gegen den Irak und an dessen Besatzung teilnehmen, weiterhin – mitsamt ihrer Institutionen und Organisationen – den Widerstand bekämpfen und ihn boykottieren. Unverständlich hingegen ist, dass Länder wie Kuba und Venezuela nach vier Jahren des Widerstands weiterhin unaufmerksam und uninteressiert sind gegenüber der Situation und der Entwicklung des Kampfes gegen den Imperialismus auf dem irakischen Schauplatz, obwohl diese beiden Staaten stets das Ziel von amerikanischen imperialistischen Verschwörungen sind. Wann werden wir einsehen, dass der Widerstand gegen den Imperialismus, egal in welcher Form und unter welchem Motto er stattfindet, der gegenseitigen Solidarität und Unterstützung bedarf!

Die Vereinigten Staaten und deren Alliierte und Anhänger, das zionistische Staatskonstrukt und auch Iran nehmen an einer umfassenden Operation teil, die sich im Krieg gegen den irakischen Widerstand verschiedener Mittel bedient, um ihn politisch, materiell und publizistisch einzukreisen. Das ist weder neu noch unerwartet: Das gemeinsame Interesse der genannten Kräfte bestand von Anfang an in der Zerstörung des Irak und in der Vernichtung seiner wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und militärischen Ressourcen. Dieses Land soll zerschlagen und seine Reichtümer sollen geplündert werden.

Der linke Schriftsteller James Petras analysiert die Existenz zweier Machtpole im Irak: Auf der einen Seite die Besatzungskräfte, auf der anderen Seite der bewaffnete Widerstand. Er ordnet die Marionnettenregierung mit ihren bewaffneten Kräften, die Milizen mit lebenswichtigen Beziehungen zum Iran, die Sicherheitsfirmen, die Söldner, die Mafiabanden und die kurdische Peshmerga allesamt der Besatzungsmacht zu. Petras fragt sich zu Recht, wo man die regulären iranischen Truppen verorten muss, die im Irak tätig sind. Dazu zählen das Al-Quds-Korps, die Garde unter dem Befehl von General Qassim Sulaimani und Brigadier Abtahi, und die große Anzahl iranischer Geheimdienstleute, die dem Befehl von Aghai Muhammadi unterstehen. Hieraus ist zu schließen, dass die politische und militärische Zusammenarbeit zwischen den angelsächsischen Besatzern und den iranischen Kräften dem politischen Projekt der amerikanischen Besatzung volle Unterstützung leistet. Es besteht eine Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Parteien mit dem Ziel, den nationalen bewaffneten Widerstand mithilfe demagogischer Lügen zu zerstören. Was Iran angeht, so hat sich dieser im Irak seine Werkzeuge sowie deren Schutz und seine Instrumente zur Verbreitung von Propaganda längst geschaffen.

Zurzeit stellt Irak das entscheidende Schlachtfeld gegen den amerikanischen Imperialismus dar, und der amerikanische Präsident Bush sagt selbst, dass die Zukunft der USA im Ausgang der Kämpfe in den Straßen von Bagdad liegt. Der Triumph des nationalen bewaffneten irakischen Widerstands wird eine schwere Niederlage für den amerikanischen Imperialismus bedeuten und weltweit neue Perspektiven eröffnen!

Trotz ihrer Propaganda gegen den „Großen Teufel“ sind Iran und dessen Anhänger mit eben diesem Teufel vereint – im Kampf gegen den nationalen bewaffneten Widerstand im Irak. Wir können die Trotzreaktionen des Iran gegen die USA und gegen das zionistische Staatskonstrukt im Falle des Libanon nur so interpretieren, dass Iran diese Anstrengungen nur deshalb unternimmt, um den iranischen Einfluss auszudehnen: Das Ziel ist eine Übereinkunft mit dem US-Imperialismus, um in der Region eine vorherrschende Rolle zu übernehmen. Manche arabische Autoren und Intellektuelle versuchen aus jeweils verschiedenen Motiven heraus – meist aber mit dem Anliegen, iranisches Gold und Dollars zu erhalten – Iran in die Reihe des arabischen Widerstandskampfes gegen den US-Imperialismus zu stellen. Sie haben das Ziel, die Leute zu irritieren und Unklarheit zu schaffen, ohne aber überzeugend belegen zu können, dass Iran eine strategische Auseinandersetzung mit dem zionistischen Staatskonstrukt führt.

Die Eskalation und Diversifizierung der Aktivitäten des nationalen bewaffneten Widerstands haben Verwirrung und Zerwürfnisse in den Reihen des iranisch-amerikanischen Zweckbündnisses hervorgerufen. Die Ereignisse beschleunigten sich zugunsten des Widerstands und zulasten der zwei Besatzungsprojekte – des amerikanischen und des iranischen. Das machte neue Pläne zur Erneuerung der iranisch-amerikanischen Beziehungen erforderlich: Die Hinrichtung von Präsident Saddam Hussein, das neue Gesetz über Erdöl-Investitionen, das von al-Malikis Iran-freundlicher Regierung erlassen wurde und von Präsident Bush persönlich entworfen worden war, und die vor kurzem in Bagdad abgehaltene Konferenz sind Schritte zur Abstimmung zwischen der US-Besatzung und dem Iran. Dies erklärt, warum manche Parteien und Bewegungen, die vom Iran gegründet wurden und von ihm gesteuert werden, sich daran beteiligen, den irakischen Widerstand einzukreisen und seinen Ruf in den Medien zu diffamieren – und zwar unter Verwendung derselben Ausdrücke, die auch die Besatzungsmedien benutzen, wenn sie den irakischen Widerstand und seine Operationen beschreiben.

Was die arabische Heimat betrifft, so unterstützen die breiten Massen des Volkes den Widerstand mit einem seltenen Enthusiasmus; die arabischen Regime hingegen sind in Aktivitäten verwickelt, die sich gegen den irakischen Widerstand richten – sie boykottieren den Widerstand und seine Unterstützung in den Massen, was natürlich auf die Unterwürfigkeit dieser Regime gegenüber dem US-Imperialismus zurückzuführen ist.

Heute sind die Gefängnisse der arabischen Regimes überfüllt. Tausende von jungen Arabern, die ihre Unterstützung für den Widerstand bekundeten und von denen viele in den Irak zogen, um sich dem Widerstand anzuschließen, darben in diesen Gefängnissen. (…)

Die arabischen Regimes, ihre Journalisten und Medien wiederholen mit einer gewissen Zurückhaltung die Lügen, die von der Propagandamaschine der Besatzer gegen den Widerstand verbreitet werden. Alle diese arabischen Regimes applaudierten ungeniert den unmenschlichen amerikanischen Bombardements unserer irakischen Städte. (…) Diese verdorbenen Regimes haben sowohl die Aggression gegen den Irak als auch dessen Besatzung gebilligt oder sogar daran teilgenommen.

Es ist eine traurige und schmerzliche Tatsache, dass die Mehrheit der politischen Eliten in der arabischen Region nicht imstande ist, aus dem irakischen Widerstand und den Möglichkeiten, die er bietet, Lehren zu ziehen. Versuche, den Widerstand zu unterstützen, bleiben oberflächlich, demonstrativ und nutzlos und verharren innerhalb der Grenzen, die ihnen von den regierenden Regimes gesetzt werden. Sie bleiben somit weit hinter den Bestrebungen und Zielvorstellungen der Massen zurück. (…)

Auf der internationalen Bühne, besonders aber in Europa, haben sich die linken Organisationen und die der Zivilgesellschaft rund um das World Social Forum (WSF) von Anfang an geweigert, einen klaren Standpunkt gegen die Besatzung und für den Widerstand einzunehmen. Stattdessen erhoben sie ihre Stimme mit dem falschen und verwirrenden Slogan: „Nein zu Krieg, nein zu Terrorismus!“ Ihre Rechtfertigung hierfür ist, dass der Widerstand nicht die Werte der Aufklärung und des Liberalismus vertrete. Sie wollen einen Widerstand nach ihren Vorstellungen, von ihren Werten und ihrer Kultur verfälscht, und gleichzeitig wollen sie ihren Anspruch kaschieren, eine maßgebende moralische Autorität für andere Völker und Nationen zu sein. Das ist abscheulicher Rassismus! Worin unterscheidet sich dieser von den Amerikanern, die erklärten, dass sie den Nahen Osten in den Farben des amerikanischen Lebensstils erleuchten lassen würden?

Die Führer des WSF spielen mit Begriffen, um ihren wahren Standpunkt zu verschleiern, denn dieser fügt sich den Slogans der amerikanischen Administration vom „Krieg gegen den Terror“. Und wenn sie den Widerstand als Terror bezeichnen, rechtfertigen sie damit die amerikanische imperialistische Aggression gegen mehr als nur ein Land. Sie leugnen das Recht der Völker, aggressiven Armeen, die über ihre Länder herfallen, Widerstand zu leisten und einen Befreiungskampf zu führen. Wir wissen sehr wohl, dass die Führer des WSF mit kapitalistischen Kreisen und Institutionen in ungebrochener Eintracht verbunden sind. (…)

Um den Imperialismus tatsächlich anzugreifen und die Völker, die die imperialistische Verfolgung, Hegemonie und Ausbeutung erleiden, zu unterstützen, gibt es keine andere Alternative für ernst zu nehmende antiimperialistische Organisationen, als die Reihen in einem neuen internationalen Rahmen – fernab vom WSF – zu schließen.

Verehrtes Publikum, im Zusammenhang des Gesagten sehen wir die außerordentliche Wichtigkeit dieser Konferenz, die einen gewaltigen, ernst zu nehmenden und mutigen Schritt darstellt, um den Boykott gegen den nationalen Widerstand im Irak zu zerschlagen. Wir hoffen, dass dies der Beginn eines Vereinigungsprozesses der antiimperialistischen Kräfte auf der ganzen Welt ist, auf dem Weg zum Aufbau einer internationalen Einheitsfront gegen den Imperialismus.

Zum Abschluss möchte ich noch kurz auf die Voraussetzungen für den Sieg über die Besatzer eingehen. Wichtigste Voraussetzung, um die Besatzung zu Fall zu bringen, ist die Ausdehnung des totalen, anhaltenden und organisierten Widerstands auf das gesamte irakische Territorium und die Fortführung der Bildung eines vereinten nationalen Rahmens für alle bewaffneten Widerstandsfraktionen und für alle politischen Kräfte, die gegen die Besatzung sind.

Eine weitere Voraussetzung besteht darin, die personellen wie auch die ökonomischen Ressourcen des Feindes anhaltend und schwer zu treffen, sodass die amerikanische Gesellschaft die Situation nicht länger dulden wird. Auch die Bemühungen, den Widerstand auf andere Länder in der Region auszuweiten, werden entscheidend daran mitwirken, die Besatzer und die pro-amerikanischen Regimes in Verwirrung zu stürzen. Dies wird eine existentielle Bedrohung für die amerikanischen Interessen und für die unterdrückerischen und korrupten Regimes in der ganzen Region darstellen.

Die Ausweitung der internationalen Unterstützung für den Widerstand und die größtmögliche Verbreitung der Wahrheit über die Verbrechen der Besatzer wird dazu führen, dass sie noch mehr in die Enge getrieben werden, ihre Glaubwürdigkeit weiter verfällt und ihr Kampfgeist geschwächt wird. All dies wird ihren Zusammenbruch und ihre Niederlage beschleunigen.

Abdul Jabbar al Kubaysi

Übersetzung: Farah Abu Jurji und Elisabeth Lindner

Abdul Jabbar al Kubaysi ist Generalsekretär der „Irakischen Patriotischen Allianz“ (IPA) und Sprecher der „Patriotic National Islamic Front“, die als politische Vertretung der irakischen Widerstandsbewegung gilt. Er wurde im September 2004 von der US-Armee gekidnappt und bis Dezember 2005 in Isolierhaft festgehalten.

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