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Bartenstein rettet uns vor den Chinesen

1. August 2007

Oder: Die Grenzen des Liberalismus

Die Deutsche Regierung ist dafür, Frankreichs Präsident Sarkozy sowieso, Wirtschaftsminister Bartenstein fordert nämliches. Dagegen sind nur die Ultraliberalen wie das Handlesblatt und die Financial Times, sowie die britische Regierung in Vertretung der Londoner City Broker.

Worum geht’s? Europa muss errettet werden, vor der asiatischen Gefahr in Gestalt russischer und chinesischer Staatsfonds. Gesetzliche Regelungen müssen her, sogar „goldene Aktien“, die Staaten Kontrollrechte jenseits des üblichen Aktienrechts geben, um die Übernahme europäischer Unternehmen zu unterbinden. Es scheint, als ob dem europäischen Kapitalismus die Globalisierung in Teilbereichen jetzt zu weit geht. „Schlüsselindustrien“ und ebensolche „-Technologien“ sollen besonderem Schutz unterstellt werden und gegen chinesische und russische Interessen verteidigt werden. Die Doppelmoral ist ziemlich offensichtlich, weil ähnliche Aktivitäten westlicher Konzerne als zivilisatorische Mission besungen werden und die Presse jedes Mal in patriotischen Taumel verfällt, wenn eine österreichische Bank in der Ukraine zukauft.

Martin Bartenstein verliert darüber keinen Schlaf, er hat bereits eine abenteuerliche Konstruktion parat, mit der ist alles wieder gut: Der Investoren gibt es nämlich zweierlei, gute und böse. Die guten Investoren (und das dürfen dann ruhig auch Russen sein), sind jene, die sich lediglich die Taschen füllen wollen, auf der Jagd nach Rendite, quer über den Erdball. Die „bösen“ verfolgen „strategische Interessen“, in russisch-chinesischem Auftrag und wollen uns unsere „Schlüsseltechnologien“ klauen (oder – bei genauerem Hinsehen – kaufen). Die Unterscheidung ist natürlich ziemlich lächerlich. Natürlich haben sämtliche Investoren bei großen Übernahmen „strategische Interessen“, immer geht es darum Marktmacht aufzubauen, Konkurrenten auszuschalten und Technologie zu erwerben. In Wirklichkeit geht es Bartenstein und Merkel um Aufbau und Erhalt globaler Machtpositionen: Es offenbart sich, dass die Globalisierung eben kein „level playing field“ ist, jenes von den Marktliberalen beschworene Spielfeld, dass für alle gleiche Chancen bietet. Russisches und chinesisches Kapital ist willkommen, aber es muss sich an westliche Spielregeln halten und eine untergeordnete Position als Rohstofflieferant (Russland) und Ursprungsland von billigen Konsumgütern (China) akzeptieren. Der Zugang zu Schlüsseltechnologien soll versperrt bleiben.
Ganz interessant, der ideologische Ultraliberalismus scheint (sehr, sehr vorsichtig und keineswegs einheitlich) einem gewissen Pragmatismus in der europäischen Wirtschaftspolitik Platz zu machen. Bartensteins „goldene Aktie“, Sarkozys Attacken auf die Europäische Zentralbank und der Versuch des französischen Staates das Siemens Aktienpaket des Atomkonzern Areva zu übernehmen… Das ergänzt die natürlich ebenso von den Staaten gesteuerte Deregulierung der Wirtschaft. Das Verschwinden der Nationalstaaten entpuppt sich mehr und mehr als Chimäre. Vielleicht bietet sich in dieser Debatte auch eine Chance: Während sich Barteinstein jetzt vor chinesischen Staatsfonds zu fürchten beginnt – das entscheidende Ereignis waren wohl die zwei Milliarden Dollar, die die chinesische Regierung in die Finanzheuschrecke Blackstone gesteckt hat – hat die gewöhnliche Bevölkerung andere Sorgen, es bereiten nämlich auch „gute“ Investoren Schwierigkeiten. Egal ob europäische oder russische: Herr Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, will 20 Prozent Zinsen auf das eingesetzte Eigenkapital. Und da ist er nicht der einzige. Bei solchen Ansprüchen nationaler und internationaler Wohltäter müssen natürlich alle den Gürtel etwa enger schnallen, damit sich einige die Koffer füllen können.

Stefan Hirsch, Bruchlinien

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