Kommentar zu den Verhaftungen und zur islamfeindlichen Demonstration in Wien
Am vergangenen Donnerstag, den 13.9., fand in Wien 20 Brigittenau gegen die Vergrößerung des dort ansässigen „Islamischen Zentrums“ eine Demonstration statt. Nach den Verhaftungen von drei angeblichen Al-Qaida-Terroristen am Mittwoch in Wien stieß diese in der medial aufgeheizten Stimmung auf besondere Aufmerksamkeit.
Von den mehreren Hundert Teilnehmern zählten nur eine Minderheit zum Kader der FPÖ oder neonazistischer Gruppen. Die überwiegende Mehrheit scheinen Anrainer und Anrainerinnen aus dem „normalen“ Volk gewesen zu sein.
Sicher, man kann behaupten, dass sie von FPÖ und den Medien verhetzt worden seien. Das deckt aber nur einen Teil der Wahrheit ab. Denn für Verhetzung muss man empfänglich sein. Aus den Gesprächen vor Ort, und nicht nur dort, wird klar, dass über den gesamten gesellschaftlichen Schichtenbau hinweg der Islam als Bedrohung betrachtet, allenfalls sogar eine Islamisierung Europas halluziniert wird.
Die Tatsachen sprechen indes eine andere Sprache. In keinem westeuropäischen Land machen die Muslime mehr als ein paar wenige Prozent der Bevölkerung aus, die trotz aller Resistenzen in ihrer Mehrheit einen unleugbaren Assimilationsprozess durchmachen.
Unzweifelhaft gibt es einen politisch auftretenden Islam mit militanten Rändern. Dieser wird als die Inkarnation des irrationalen und unerklärlichen Bösen betrachtet. Der augenfällige Zusammenhang, dass es sich in der Substanz um eine Reaktion auf die westliche Aggression gegen die arabisch-islamische Welt handelt, die systematisch ausgeplündert, unterworfen und teilweise sogar besetzt wird, bleibt ausgespart.
Außerdem ist jede Religion immer auch politisch. Die Rolle des Katholizismus braucht nicht erwähnt zu werden, die evangelikalen Kriegstreiber, die hinter Bush stehen, sind sattsam bekannt. Es ist also nicht die Politisierung an sich, sondern ihr antiimperialistisches Moment, das inakzeptabel ist. Vor den christlichen und jüdischen Extremisten, die für den Kreuzzug gegen den Islam eifern und die viel zahl- und einflussreicher sind, verschließt man die Augen.
In seiner Irrationalität ist die Islamophobie das moderne Pendant zum historischen Antisemitismus. Der unter uns lebenden anderen, fremden Kultur wird die Schuld für die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Missstände angedichtet. Sie bedrohen uns, sie verschwören sich um uns zu unterwerfen, uns zu vernichten, ja gar um ihre Weltherrschaft aufzurichten. Die Opfer werden zu Tätern. Was früher Verjudung hieß heißt heute Islamisierung.
Es handelt sich um ein Ressentiment, das sich wie der alte Antisemitismus gegenüber jeder rationalen Argumentation resistent zeigt. Dahinter mag auch ein psychologisches Phänomen stecken, das sozialchauvinistische Bedürfnis nach Überlegenheit, hinunter spucken und treten zu können, um die latente Unzufriedenheit mit der eigenen Lage zu kompensieren.
Erschreckend ist, dass dieser Kulturkampf gegen den Islam die politische Linke und Rechte genauso wie Religiöse und Laizisten einigt, sich alle in der Überlegenheit der westlichen Werte treffen. Die Rechten entdecken auf einmal ihre Liebe zur Frauenemanzipation und die Linken zum Krieg gegen die islamischen Untermenschen. Jene, die vor Antisemitismus und Faschismus warnen, verwandeln sich in Apologeten der Ausrottung eines ganzen Volkes.
Ganz gezielt werden nicht nur die Islamisten angegriffen, sondern die gesamte islamische Bevölkerung unter Generalverdacht gestellt. So geschehen durch Ariel Muzicant, der die offizielle Islamische Glaubensgemeinschaft für den angeblichen sprunghaften Anstieg von Al-Qaida-Sympathisanten in Österreich verantwortlich macht. Ins gleiche Horn darf neuerdings immer wieder der sich mit humanitären Projekten tarnende extremistische Zionist Thomas Schmidinger im öffentlich-rechtlichen Fernsehen stoßen, während die muslimische Gegenseite so eingeschüchtert ist, dass sie nicht nur die Repression begrüßt, sondern par tout den Zusammenhang mit der Unterdrückung in Nahost ausgespart lassen will.
Beim Pogrom sind wir noch nicht angekommen und das ist vielleicht auch gar nicht mehr notwendig. Denn mit der antiislamischen Terrorhysterie kann man diejenigen, die den Widerstand der arabisch-islamischen Völker gegen den Imperialismus unterstützen, leicht das Maul stopfen. Guantanamo und basta. Die Werte der Aufklärung gelten nur für den weißen Mann, die Barbaren sind zu primitiv, sie verstehen nur die Sprache von Feuer und Schwert. Die Aufklärung vernichtet sich so im Namen der Aufklärung selbst.