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Der Kampf beginnt in Vicenza!

30. September 2007

Zu der Mobiliserung 14-16. Dezember 2007 gegen die US-Militärbasis in Vicenza, von Aug und Ohr

Eine Möglichkeit, unmittelbar in die US-Mordmaschinerie einzugreifen und Sand ins Getriebe zu streuen, bietet das nunmehr für den 14., 15. und 16. Dezember festgelegte internationale strategische Treffen europäischer Bewegungen in Vicenza, sowie eine in dessen Rahmen stattfindende internationale Kundgebung gegen den geplanten Stützpunkt Dal Molin, die am 15. Dezember stattfindet.

Die dort bereits bestehende Riesenkaserne der Amerikaner („Caserma Ederle“) hat, neben Aviano, der derzeit größten US-Basis Italiens und dem toskanischen Camp Derby, eine zentrale Funktion bei den Kriegen gegen den Irak und Afghanistan; mit der Errichtung des neuen Stützpunktes Dal Molin (Betonung auf dem i !) wird, wie es die GegnerInnen des Projekts formulieren, de facto ganz Vicenza zu einer einzigen US-Basis. Am Stadtrand und wahrscheinlich auch noch in einer angrenzenden Gemeinde wird außerdem eine riesige Barackenstadt für die neu zuziehenden Mannschaften gebaut, und zahlreiche, in den Bergen versteckte, zum Teil unterirdische Stützpunkte werden derzeit ausgebaut.

Zum bekämpften Stützpunkt Dal Molin, der künftig größten US-Basis Europas und Schaltzentrale für die kommenden Kriege, die sich gegen die Bevölkerung Irans und Syriens richten werden, kommt also eine Reihe von weiteren Strukturen hinzu, deren Bedeutung noch gar nicht abzuschätzen ist.

Wer diese Kriege aufhalten will, der sollte den Anlaß der internationalen Aktionstage in Vicenza nicht vorbeigehen lassen.

Bei der Bewegung in Vicenza geht es aber nicht nur um Ederle oder den künftigen Stützpunkt Dal Molin, die bestehende Basis und die kommende Basis, es geht auch nicht bloß um den Kampf gegen alle US-Basen in Italien (etwa die in Cà meri bei Novara, die für die Endmontage der F 35 vorgesehen ist; die Einrichtung wird in Zukunft auch für die Wartung der Eurofighter dienen!), es geht um einen europaweiten Kampf gegen die US-Basen in Europa. Damit darf aber auch nicht der mindeste Ansatz verbunden sein eines wenn auch noch so soften europäischen Neo-Nationalismus, und nicht im entferntesten eine Stärkung des Konzepts EU-Imperialismus versus Vereinigte Staaten.

Die BasisgegnerInnen lehnen unterschiedslos alle Basen ab, eigene und „fremde“, aber die Fokussierung auf US-Basen ist durchaus legitim und wird natürlich auch von vielen Seiten mit der massiven Einschränkung der nationalen Souveränität untermauert, die eine konkrete Konsequenz der US-Kriegsführung in den europäischen Ländern darstellt.

Vicenza als europäischer Mobilisierungsort ist aus zwei Gründen wichtig: Erstens weil diese Bewegung, von Forza Italia, Lega, Alleanza Nazionale und noch weitereren, ganz extremen faschistischen Organisationen bedroht und angegriffen und noch dazu von der „linken“ Regierung verraten, ja bekämpft, unsere Solidarität dringend braucht; zweitens , weil eine virtuelle gesamteuropäische Bewegung gegen (US-)Militärbasen derzeit in Vicenza zu ihrer größten Entfaltung gelangt ist, und das, weil sie sich sowohl auf die erfahrensten Gruppen der radikalen, außerinstitutionellen Linken (wobei die dabei wichtigen disobbedienti mit ihrer Verbindung zu den Grünen eine Hybridform darstellen), als auch auf eine regelrechte Massenbewegung stützen kann. Daher ist die Mobilisierung in Vicenza die ureigenste Angelegenheit aller anderen antiimperialistischen Bewegungen: Vicenza setzt sich für die europäische Bewegung ein, die europäische Bewegung für Vicenza.

Wenn dort Dal Molin abgeschafft wird und in der Folge – damit haben die Amerikaner gegenüber der lokalen Wirtschaft schon gedroht – auch Ederle zugesperrt wird (uns sollte es nicht leid tun), dann wäre dies ein unerhörter Erfolg für die italienische Bewegung und damit auch – wenn sie sich mit der italienischen zu verbünden weiß! – für die europäische.

Insofern sind die Mobilisierungstage in Vicenza nur ein Ausdruck eines dislozierten Dauerkampfes, zu dessen Dezembertermin die egalitär ausgerichtete Dauerversammlung, das presidio permanente, in der die Bewegung ihrer organisatorische Form, ihre plenarische Führung gefunden hat, alle KriegsgegnerInnen Europas aufruft.

Man kann sicher sein, daß dieses europäische Treffen genau so gut organisiert sein wird wie das der Mobilisierungswoche im September, die noch nicht als internationale konzipiert war und bei der die compagni des centro sociale Capannone sociale aus Vicenza, die des centro sociale Pedro aus Padua und andere das Camp und die Bühne aufbauten, das presidio und die Bevölkerung für die Verpflegung sorgten, die Öffentlichkeitsarbeit vom presidio und die Mobilisierung von allen getragen wurde. Insgesamt 200 freiwillige Helfer waren im Dauereinsatz. Zu zwei Terminen waren außerdem Dutzende Gruppen aus ganz Italien anwesend, die dem großen Mobilisierungsnetzwerk Patto del mutuo soccorso angehören und in dem gleichermaßen AktivistInnen gegen militärische Stützpunkte wie umweltschädliche Großprojekte (grandi à²pere, Betonung auf dem o!) miteinander vernetzt sind. Die Bewegung ist so groß, daß ihre Kapazität leicht für die Camp-Bewohner des September-Camps, die Massen, die jeden Abend aus der Stadt und aus der Umgebung das Camp bevölkerten sowie für die aus anderen Teilen Italiens herangereisten AktivistInnen reichte. Und dabei erfuhr man eine unmittelbare, unbedingte Freundschaft, Freundschaftlichkeit, Gastfreundschaft, Herzlichkeit – Herz lebendiger Politik. Diesen subjektiven Faktor hat übrigens auch Luca Casarini von den disobbedienti auf einer Abendveranstaltung zum Thema eines sehr lebhaften Beitrags gemacht.

Im Dezember wird es also eine erste internationale Ergänzung dieses Projekts geben. Bei diesem Termin wird auch eine Reihe von internationalen Diskutanten wie Noam Chomsky sprechen. Die lokalen Zeitungen sind schon voll davon.

Kurz vor dieser Veranstaltung wird mit Sicherheit, routinemäßig und mechanisch das Gespenst des „black bloc“, wie man es in Italien schreibt und wohl auch der dahinstürmenden Roten Brigaden, die Vicenza in Schutt und Asche legen wollen, heraufbeschworen werden. Man wird nicht zögern, das Gespenst eines gesamteuropäischen ad-hoc-Terrorismus zu konstruieren. Die Bewegung in Vicenza ist aber – auf die Mentalität der Bewohner Rücksicht nehmend, eine absolut gewaltfreie, bisher mit nur einem kleinen versuchten Brandanschlag am Rande. Das Durchschneiden von Kabeln wird vom presidio akzeptiert

Die Stärke der Bewegung ist ihre Öffentlichkeitsarbeit, ihre Breite und die Fähigkeit, permanent im öffentlichen Raum zu intervenieren, zu stören und diesen Raum umzufunktionieren.

Wir müssen uns auf ein gewisses Ausmaß einer Drohkampagne einstellen, aber das ist Polizeiroutine.

Der Terror sitzt in Rom und im Pentagon.

Es wäre schön, wenn aus jedem europäischen Land fünf Autobusse nach Vicenza kämen.

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In der Folge eine Übersetzung des offiziellen Aufrufs.

Ganz Europa in Vicenza!

Seit mehr als einem Jahr kämpfen Männer und Frauen hier in Vicenza gegen den geplanten Bau einer riesigen neuen Militäranlage der Vereinigten Staaten, die wir weder hier, in unserer Stadt, noch anderswo wollen. Dieser Kampf verbindet Menschen unterschiedlicher politischer Einstellungen und verschiedenster kultureller Geprägtheiten, Sichtweisen und Biographien. Der gemeinsame Nenner dieses Kampfes ist die Verteidigung der Umwelt und des kulturellen und sozialen Umfeldes, die unbedingte Kriegsgegnerschaft, die die Ursache für soviele Qualen und Leiden ist, sowie die Forderung nach einer konsequenten Friedenspolitik. Die offizielle Politik hat sich bei der ganzen Angelegenheit auf das allerübelste verhalten: Sie versucht, die Entscheidung der Gesellschaft aufzwingen, von der wird aber das Projekt massiv abgelehnt. Sowohl die Mitte-Rechts-Regierung als auch die Mitte-Links-Regierung ist, ohne jeden Unterschied, über die Köpfe der Menschen hinweggetrampelt.

Die Verteidigung des Öffentlichen, der Werte der Umwelt und des kulturellen wie sozialen Umfeldes, ein klares Nein zum Krieg und neue Formen von Demokratie und aktiver Beteiligung an der Entscheidungsfindung, sowie die totale Unabhängigkeit von der institutionalisierten Politik: das sind für uns vom Presidio Permanente contro il Dal Molin (Permanentes Plenum gegen den Militärstützpunkt Dal Molin) die Grundforderungen, nach denen sich unser Kampf ausrichtet. Zusammen mit vielen anderen Männern und Frauen aus ganz Italien haben wir eine beachtliche Demonstration auf die Beine gestellt, an der sich mehr als hunderttausend beteiligten. Der Kampf ging zunächst von den Stadtvierteln aus, wo wir noch schwach waren und wenig Ressourcen hatten, aber dann ist es uns gelungen, die Auseinandersetzung zu einer landesweiten zu machen.

Eben ist eine politische und kulturelle Großveranstaltung zu Ende gegangen, an der mindestens 30.000 Menschen teilgenommen haben und mit der eine neue Etappe gegen das Kriegsprojekt eingeleitet wurde.

Wir meinen aber, daß wir darüber noch hinausgehen müssen und daß der Kampf innerhalb dieser relativ engen Grenzen keineswegs ausreicht. Im Laufe der Mobilisierung haben wir Kräfte aus ganz Europa kennengelernt, die vieles mit uns gemeinsam haben. Wir sind auf unterschiedliche Formen von Widerstand gestoßen, die sich dem Kampf um die Bewahrung kollektiver und öffentlicher Werte und regionaler Specifika sowie der natürlichen Ressourcen gewidmet haben. Darunter fanden sich Aktionskomitees, Vereine, Bewegungen, die wie wir den Bau neuer militärischer Einrichtungen im Dienste des Dauerkrieges sowie die wahnwitzige Rüstungsspirale verhindern wollen, und wie diese Kräfte machen auch wir immer genau die gleiche Erfahrung, daß nämlich bei den politischen Entscheidungen sich ein absolutes Defizit an Demokratie geltend macht. Wenn wir uns alle diese Geschichten anhörten, da glich praktisch ein Bericht dem andern: Das gilt für das Projekt No Mose in Venedig, den Kampf gegen den Hochgeschwindigkeitszug im Val di Susa, gilt für Neapel und dessen Kampf gegen die Müllverbrennungsanlage, betrifft Cà meri bei Novara, wo die F-35 montiert werden, das geht über die Tschechische Republik bis nach Deutschland, von Holland nach Heathrow, Warschau, London. Überall stößt man an die Macht, die sich immer mehr von den Bedürfnissen und Interessen der Bürger entfernt und Entscheidungen diktiert, die von niemandem geteilt werden.

Jetzt wollen wir über die bisherige Ebene hinausgehen! Wir sind davon überzeugt, daß es möglich ist, einen gemeinsamen Aktionsraum für alle Bewegungen zu schaffen, die, in all der jeweiligen Unterschiedlichkeit und Besonderheit, reelle Demokratie voranbringen. Wir wollen aber keine abstrakte zusammenfassende Formel und keine große Vereinfachung, wir wollen keine europäische Bewegung schaffen, in der spezifischen Charakeristika einer jeden Gruppierung untergehen. Wir wollen uns vielmehr dazu Überlegungen machen, wie ein Netzwerk aufgebaut werden kann, in dem gerade der Reichtum all dieser Initiativen zur Geltung kommen kann. Wir haben unsere Politik darauf ausgerichtet, die Mitwirkung Anderer kontinuierlich zu erweitern, wir versuchen einzubeziehen und dafür den organisatorischen Raum zu schaffen. Wir sind davon überzeugt, daß Europa heute zu einem konkreten gemeinsamen Aktionsraum, einer reellen Bezugskategorie für die Bewegungen in all ihrer jeweiligen Autonomie werden kann.

Auf dieser Ebene können konkrete Resultate erzielt und dabei die Kräfte der einzelnen Initiativen konkret eingeschätzt werden. Das Presidio Permanente contro il Dal Molin hat daher für den 14., 15. und 16. Dezember eine gesamteuropäische Veranstaltung in Vicenza anberaumt und am 15. Dezember eine große gesamteuropäische Kundgebung gegen das Projekt Dal Molin.

All diese komplexen Fragestellungen wollen wir in diesen Tagen miteinander konfrontieren, und alle Themen wie der Kampf gegen Fremdbestimmung des sozialen und politischen Umfelds und der öffentlichen Einrichtungen werden zur Sprache kommen. Wir werden uns überlegen, welche neue Formen von selbstbestimmter Beteiligung an der Entscheidungsfindung heute angesichts der Krise der repräsentativen Demokratie, die sich immer mehr auf sich selbst bezieht und den Bedürfnissen und der realen Welt der BürgerInnen entfremdet, angemessen scheinen. Wir schlagen daher für Ende Oktober eine erste Vorbereitungssitzung vor, auf der, in Zusammenarbeit mit andern europäischen Kräften, der Dezembertermin vorbreitet werden soll.

Presidio Permanente, 20. September 2007

Presidio Permanente contro la costruzione della nuova base Usa a Vicenza
Via Ponte Marchese
c.p. 303 36100 Vicenza

comunicazione@nodalmolin.it
www.nodalmolin.it

Quelle: Da Vicenza all´Europa (dies ist der wörtliche Titel, den wir hier etwas modifiziert haben: „Von Vicenza nach Europa!“)
http://www.altravicenza.org/

 
ein erster Versuch, einige wesentliche Eigenschaften der Bewegung zusammenzufassen

Aug und Ohr: Nessuna firma ci ferma!
Indymedia Deutschland, 26. 6. 2007
http://de.indymedia.org/2007/06/186192.shtml

Aug und Ohr: Grossmobilisierung gegen die Mordmaschinerie!
Indymedia Deutschland, 14.09.2007
http://de.indymedia.org/2007/09/194256.shtml


Und eine außergewöhnlich gute Zusammenfassung in Englisch, die die wichtigsten Aspekte der Mobilisierung sehr anschaulich herausarbeitet. Hervorgehoben wird darin auch der Stützpunkt Pluto in Longare bei Vicenza und die Atomwaffen, die dort gelagert waren, die die Ursache waren für eine Reihe von Erkrankungen und auch Todesfällen aufgrund von Leukämie.

Uli Schmetzer : Italy, PEOPLE’S POWER and U.S.PLUTONIUM
Indymedia Deutschland, 16. 5. 2007
http://de.indymedia.org/2007/05/177236.shtml


Siehe zur Illustrierung eines aktuellen Konflikts auch:
Gewerkschaftsforum Hannover: COBAS: Bewegung gegen Krieg + Regierung
Indymedia Deutschland , 8.03.2007
http://de.indymedia.org/2007/03/170332.shtml

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