Krieg in Afrika, 2. Teil, von der Gegeninformationsinitiative Aug und Ohr
Das Beispiel der Türkei macht Schule. Kurzinvasionen und Bombardierungen auf fremdem Territorium sind nun auch zur Alltagspraxis des Tschad geworden, an die man sich offensichtlich, wie im Fall der Türkei, gewöhnen soll.
Am Freitag, den 28. Dezember hat die Luftwaffe des Tschad mit drei Kampfbombern sudanesisches Territorium bombardiert. Es handelt sich um die zwei Ortschaften Rajeh al-Harziah und Karmolah, die 65 km südöstlich von El-Geniana, der Hauptstadt des Westdarfour gelegen sind (1). Vgl. auch (2).
Diesen schwerwiegenden Vorwurf erhebt das sudanesische Außenministerium (1). „Eine Eskalation sondergleichen“, so wird der Akt in einem Kommuniquà© des Außenministeriums bezeichnet (3). Insgesamt sei laut Sudan Tribune das Militär des Tschad bereits drei Mal in sudanesisches Territorium eingedrungen. Die ersten Verletzungen des sudanesischen Luftraums fanden am 5. und am 7. November 2005 statt, das zweite Mal geschah es am 15. Dezember 2006 (1).
Bei den letzten Luftangriffen am 28. Dezember wurden in der Nähe des Ortes Habila neun Zivilpersonen verletzt, drei davon schwer. Sie mußten alle ins Krankenhaus von Genaina gebracht werden. Es sind überdies größere landwirtschaftliche Flächen verbrannt, große Teile der Ernte sind zerstört. Das berichtete der Gouverneur von West-Darfour, Abulgassim Imam, der sudanesischen Nachrichtenagentur SUNA (4).
Ein gewisser Grad von Glaubwürdigkeit der sudanesischen Behauptungen lässt sich aus der Tatsache schließen, daß vom Sudan sowohl beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als auch bei der Afrikanischen Union Beschwerden eingebracht wurden, die die Aggression zum Inhalt hatten.
Am Sonntag den 30. 12. reichte der Leiter der Abteilung für die Afrikanische Union im sudanesischen Außenministerium Botschafter Gamal al-Shiekh beim turnusmäßigen Vorsitzenden der Mission der Afrikanischen Union in Khartoum Rufaai Abu-Bakr eine Beschwerde ein, die die „wiederholten Aggressionen“ des Tschad gegen sudanesisches Territorium zum Inhalt hatte (5). Weiters richtete der Ständige Vertreter des Sudan beim Sicherheitsrat Abdul-Mahmoud Abdul-Halim eine Beschwerde an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, in der es hieß, Infanterie habe zum wiederholten Male am 28. Dezember sudanesisches Territorium angegriffen, wobei sie von der Luftwaffe unterstützt wurde (6).
Die Stellungnahmen des Tschad sind teils zynisch, teils vage. Für den eindeutigen Kriegsakt verwendet der Außenminister des Tschad Ahmat Allami den Nazi-Ausdruck Säuberungen: „Die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte haben alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die nationalen Grenzen von feindlichen Kräften zu säubern. In diesem Zusammenhang hat die Luftwaffe entlang der nationalen Grenzen einige eng begrenzte Operationen gegen Söldner durchgeführt, die versucht hatten, sie vom Sudan aus zu verletzen“ heißt es im Kommuniquà© des Außenministeriums (2).
Kein präzises Gegenargument: Die Bezeichnung „entlang der nationalen Grenzen“ (le long des frontià¨res nationales), einfacher wiedergegeben mit „im Grenzgebiet“, bleibt vage, und Aktionen, die gegen Maßnahmen durchgeführt werden, die „vom Sudan aus“ erfolgen, betreffen per definitionem Bewegungen, die eben zu Beginn im Sudan stattfinden. Eine andere Version spricht davon, es seien Aktionen gegen „Söldner“ durchgeführt worden, „die eben versuchten, die Grenze zu überschreiten, um in den Sudan zu gelangen“ (3). Auch diese Formulierung lässt es im unklaren, ob die „Söldner“ kurz vor, direkt an der oder kurz nach der Grenze beschossen wurden.
Der Tschad stellt allerdings Grenzverletzungen durch seine Fußtruppen in Abrede: „Im Gegensatz zu den Anschuldigungen des Sudan hat die Armee des Tschad niemals die Grenze mit der Absicht überschritten, auf sudanesischem Territorium Bodenoperationen durchzuführen“ heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums des Tschad, das am Samstag den 29. Dezember im staatlichen Rundfunk verlesen wurde.
Vielleicht hatten sie die Absicht nicht – aber es hat sich so ergeben? Es klingt so, als würden sie sagen: Wir wollten ja nicht.
Von beiden Seiten werden Rebellenorganisationen angeführt, die vom jeweilig anderen Territorium aus operieren. Der Regierungssprecher des Tschad Hourmadji Moussa Doumgor beschuldigt den Sudan, mit der Bewaffnung der Rebellen des Tschad würde auch die Stationierung der europäischen Truppen im Tschad und in der zentralafrikanischen Republik verhindert werden. „Derzeit befinden sie sich auf den militärischen und zivilen Flughäfen von al-Genaina, und von dort werden in Kooperation mit sudanesischen Soldaten Angriffe gegen den Tschad vorbereitet“ sagte der Regierungssprecher des Tschad am 29. 12. 2007 (1)
Analoge Beschuldigungen erfolgen von der Gegenseite. Der Tschad würde ja nur versuchen, mit seinen Behauptungen zu verschleiern, daß er selbst auf seinem Territorium und zwar im Bhai-Gebirge die sudanesischen Rebellen der Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit beherberge (1).
Auf die letzte Grenzverletzung durch den Tschad reagierte der Sudan schärfer denn je zuvor. Der sudanesische Verteidigungsminister Generalleutnant Abd-al-Rahim Mohammed Husain kündigte an, das sudanesische Heer behalte sich das Recht vor, Gegenmaßnahmen gegen den Angriff auf West-Darfour zu ergreifen. Weiters gab er zu verstehen, die SAF (Sudan Armed Force) sei in der Lage, jeden beliebigen Punkt im Tschad zu erreichen (7). Von der sudanesischen Regierung verlautet Entsprechendes: Die Armee sei „wohl in der Lage, den geeigneten Zeitpunkt und Ort für eine Vergeltungsmaßnahme zu wählen“ (1).
Gegenüber der Vergangenheit ist dies eine neue Sprache. Die Diplomatie Khartoums beschränkte sich sonst immer auf Formulierungen wie „Der Sudan bleibt ruhig, hält sich zurück und arbeitet an einer friedlichen Lösung des Problems.“ (1) Der Konflikt eskaliert.
Würde ein Eufor-Einsatz auf eine solche bilaterale Eskalation mäßigend wirken? Wäre er in einer solchen Situation imstande, friedensfördernde Maßnahmen zu setzen? Ist es überhaupt seine Absicht?
In der Zwischenzeit haben sich die drei größten bewaffneten Oppositionskräfte des Tschad militärisch zusammengeschlossen (8). Das ist insofern bemerkenswert, als in der Vergangenheit gravierende politische Divergenzen bestanden. Es handelt sich um diejenigen Organisationen, die im Osten des Tschad operieren. In einem Kommuniquà©, das an die apanews (9) gelangte, hieß es, am 1. 1. 2008 sei ein gemeinsames Militärkommando gegründet worden. Es steht unter der Führung von Leutnant Fizani Mahadjir von der Union des Forces pour la Dà©mocratie et le Dà©veloppement (UFDD) des Generals Mahamat Nouri. Die beiden stellvertretenden Vorsitzenden sind Mahamat Hamouda Bà©chir von der UFDD Fondamentale, einer Abspaltung von der UFDD, die unter der Führung von Abdel Wahid Mackaye steht und Idriss Hassane Guero vom RFC (Rassemblement des Forces pour le Changement) des Timane Erdimi. Guero wurde zum Chef des Generalstabs ernannt.
Am 12. Dezember war es bereits zu einer politischen Einigung zwischen den drei Kräften gekommen, der militärische Zusammenschluß baut auf dieser Vereinbarung auf (8).
Apanews schreibt: „Die Spaltungen zwischen den verschiedenen Rebellenbewegungen waren stets deren Schwäche, die die Regierung in N´Djamena und Frankreich, das den Tschad militärisch unterstützt, systematisch ausgenützt haben, um die Rebellen auf der internationalen Ebene in Schwierigkeiten zu bringen.“
Und Dà©by warte ungeduldig auf das Kommen der Eurofor, „in die er große Hoffnung setze, um seine Ostgrenze zu stabilisieren und die Rebellen zurückzudrängen.“ (8)
Dà©by setzt also auf einen Eurofor-Krieg gegen den neuen bewaffneten Zusammenschluß der Gegner der Diktatur.
Kann in so einem Kontext ein Eurofor-Einsatz noch neutral sein?
Jezz schaust bled ausda Wesch, Darabosch!
(1) Sudan accuses Chadian army of violating its territory, Sudan Tribune, 29. 12. 2007
(2) Attaque du Tchad au Soudan: N´Djamena „indignà©“ des accusations de Khartoum, afp, 30. 12. 2007
(3) Opheera McDoom: Khartoum accuse des avions tchadiens d´avoir bombardà© le Darfour, Reuters, 30. 12. 2007
(4) Nine injured in Chadian aggression, SUNA, 31. 12. 2007
(5) Sudan files complaint to the African Union against Chad, Sudan Tribune, 30. 12. 2007
(6) Xinhua, 29. 12. 2007
(7) Alsammani Awadallah: Minister: SAF Reserves Right to Retaliate Chad Attack, Sudan Vision, 1. 1. 12007
(8) Les principaux mouvements rebelles tchadiens unissent leurs forces, apanews, 2. 1. 2008
(9) African Press Agency, nicht zu verwechseln mit der apa, der Austrian Press Agency
(10) Zu den einzelnen bewaffneten Organisationen des Tschad siehe Aug und Ohr: Krieg in Afrika, indymedia Deutschland,
http://de.indymedia.org/2008/01/204091.shtml