Angesichts der Beteiligung österreichischer Truppen am militärischen Einsatz von EU-Truppen im Tschad halten wir folgendes fest:
1) Entgegen den Regierungserklärungen und Medienberichterstattungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der eigentliche Zweck des EUFOR-Einsatzes die humanitäre Hilfe für Flüchtlinge in den östlichen Regionen des Tschad ist. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Wahrung politischer und ökonomischer Interessen der EU, allen voran jener Frankreichs, der wahre Beweggrund für den Militäreinsatz ist.
2) Frankreich stellt nicht nur das größte Truppenkontingent der geplanten EUFOR-Truppen. Frankreich hat darüber hinaus seit Jahrzehnten Truppen im Tschad stationiert und verfolgt seit der Unabhängigkeit seiner ehemaligen afrikanischen Kolonien eine ausgewiesene Macht- und Interessenpolitik in diesen Ländern, so auch im Tschad. Die französische Regierung erklärt offen ihre Unterstützung für die derzeitige Regierung des Tschad unter Präsident Dà©by, die als blutige Diktatur gilt. Französische Truppen haben sich in der Vergangenheit wiederholt an Kampfhandlungen zwischen tschadischen Regierungstruppen und oppositionellen Kräften auf Seiten der Regierung beteiligt. Allein aus diesem Grund kann die Entsendung der EUFOR-Truppen nicht als politisch neutraler Einsatz angesehen werden. Es handelt sich vielmehr um eine militärische Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates.
3) Es ist darüber hinaus anzunehmen, dass der EUFOR-Einsatz mit den EU-Interessen im Sudan in Zusammenhang steht. Hinter den Diskursen der internationalen Gemeinschaft von der – zweifellos bestehenden – Notwendigkeit die humanitäre Katastrophe, vor der die Zivilbevölkerung in der sudanesischen Region Darfur steht, zu verhindern, verstecken sich handfeste politische und ökonomische Interessen. Diese stehen zum Einen mit der Tatsache in Zusammenhang, dass der Sudan von den USA als Schurkenstaat bezeichnet wird, weil die sudanesische Regierung die Politik des Westens v.a. gegenüber dem Nahen Osten nicht mit trägt. Zum Anderen sind sowohl die EU als auch die USA an den Ölvorkommen in der Region interessiert. In jedem Fall ist zu befürchten, dass der Schutz der Zivilbevölkerung in Dafur keine Priorität der EU-Politik in dieser Region darstellt.
Es wird angenommen, dass die vom Westen unterstützten oppositionellen Kräfte in Darfur ihrerseits von der Regierung des Tschad unterstützt werden, während die sudanesische Regierung die tschadischen oppositionellen Kräfte unterstützt. Die Kämpfe in den beiden afrikanischen Ländern stehen also in engem Zusammenhang miteinander. Die Stationierung einer EU-Truppe erweist sich in diesem Sinne als hilfreiches Instrument um die eigenen Interessen in der Region zu wahren.
4) Die Beteiligung eines österreichischen Kontingentes an der EUFOR-Truppe ist bedingungslos abzulehnen. Sie stellt unter den oben beschriebenen Voraussetzungen eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates dar, der rechtlich nicht mit der österreichischen Neutralität zu vereinbaren ist und politisch vor dem Hintergrund der kolonialen Vergangenheit einiger EU-Länder nicht anders denn als eine Form des Neokolonialismus bezeichnet werden kann.
5) Auf ethischer Ebene muss zudem angesichts der bitteren Armut des Tschad und des Sudan sowie weit verbreiteter rassistischer Einstellungen in Österreich und anderen EU-Ländern die zynische Rolle der österreichischen Medien aufs Schärfste verurteilt werden. Tatsächlich gab es keinerlei Bemühungen der Medien über die Hintergründe des geplanten Einsatzes, geschweige denn über jene des Konflikts im Tschad zu informieren. Vielmehr war die Medienberichterstattung einzig und allein von der Diskussion geprägt, ob die geplante Beteiligung österreichischer Truppen am EUFOR-Einsatz mit einer physischen Gefährdung für die Soldat/innen einhergehe. Während noch vor wenigen Jahren davon ausgegangen werden konnte, dass physische Gefährdung zum Berufsrisiko eines Berufssoldaten gehörte, entlarvt die aktuelle Mediendebatte einen zynischen und menschenverachtenden Rassismus: Physische Gefährdung von Hunger über Vertreibung bis hin zum gewaltsamen Tod ist offensichtlich etwas, das in der österreichischen öffentlichen Meinung der afrikanischen Bevölkerung vorbehalten bleibt.
In Erwägung dieser Tatsachen fordern die unterzeichnenden Organisationen und Einzelpersonen den umgehenden Abbruch des geplanten Bundesheereinsatzes und den sofortigen Abzug der EUFOR-Truppen aus dem Tschad. Wir erklären unsere Entschlossenheit, entsprechende Protestaktionen auf der Straße gemeinsam mit allen Gleichgesinnten zu organisieren. Wir appellieren an alle Kräfte, die sich von ihrem Grundverständnis gegen einen solchen Krieg aussprechen – angefangen von allen fortschrittlichen Organisationen, die sich in den letzten Jahren an den Protesten gegen Krieg und den Bush-Besuch beteiligt haben bis hin zu den Gewerkschaften – in die gleiche Richtung aktiv zu werden. Wir erklären unsere Absicht, entsprechende Protestmaßnahmen gegen die EU-Militärintervention auch auf europäischer Ebene mit anderen fortschrittlichen Initiativen zu koordinieren.
Antiimperialistische Koordination (AIK)
Arabischer Palästina-Klub (APC)
ATIGF, Föderation der Arbeiter und Studenten aus der Türkei in Österreich
Hermann Dworczak, Aktivist des Sozialforums
HÖC, Front für Rechte und Freiheiten
KSÅ Å D, Klub der slowenischen StudentInnen in Wien
Leo Gabriel, Institut für interkulturelle Forschung und Zusammenarbeit
Liga für die Sozialistische Revolution (LSR vormals Ast)
Kommunistische Initiative (KI)
Palästinensische Gemeinde Österreich
Steirische Friedensplattform
Migrante Europa
Initiative f.d. Aufbau einer Revolutionär Kommunsitischen Partei (IA-RKP )
Peter Schmidt, Journalist
Atilim, Sozialistische Zeitung
Rat zur Verteidigung des Kampfes der Völker im
Iran
Werkstatt für Frieden und Solidarität – Linz
Kommunistische Alternative Tirol
Wilfried Bader, Mitglied des
Gemeindevorstands von Angerberg, Tirol