Kommentar von Zurgin (Mitglied von Ekimen Komunista aus Gipuzkoa)
Die Situation im Baskenland hat absolut nichts mit der im Kosovo gemein, im Gegenteil, während man im Kosovo über eine mögliche Unabhängigkeit sogar im internationalen Rahmen diskutiert und sie unter Umständen mit Hilfe der USA und der EU sogar mit Gewalt durchsetzen will und dafür das strapazierte Selbstbestimmungsrecht der Völker bemüht, wobei es ein kosovarisches Volk in diesem Sinne gar nicht gibt, wird die Anwendung dieses internationalen Rechtes dem baskischen Volk, eines der ältesten in Europa existierenden, nicht nur verweigert sondern es wird nicht einmal debattiert. Der Grund liegt auf der Hand, während es sich im Kosovo um eine von europäischen und us Imperialisten organisierte Verstümmelung Serbiens nach vorangegangener Zerschlagung Jugoslawiens handelt, bei der die in den letzten beiden Jahrhunderten immigrierten Albaner, welche im sozialistischen Jugoslawien eine noch seines Gleichen suchende Minderheitenautonomie genossen und die nun nach dementsprechender ethnischer Säuberung mit NATO Unterstützung inzwischen tatsächlich die Mehrheit in dieser serbischen Provinz Kosovo stellen, einen guten Vorwand liefern.
Die UCK wird generell als albanische Befreiungsguerilla bezeichnet und von einer Macht ausgerüstet und logistisch unterstützt die ansonsten mit Nationalen Befreiungsbewegungen nicht nur nichts am Hut hat, sondern diese sonst regelmäßig und aufs äußerste bekämpft, es handelt sich um die USA.
Im Baskenland hingegen ist das alles anders, die Mitglieder der militärischen nationale Befreiungsorganisation ETA (Baskenland und Freiheit), die im antifaschistischen Kampf gegen Franco enormes geleistet hat, werden als Terroristen bezeichnet und alle anderen Organisationen, die gegen die Jahrhunderte alte Fremdbestimmung durch den spanischen und französischen Imperialismus mobilisieren, und seinen es auch pazifistische Organisationen, gleich mit. Es ist pathetisch, dass ein Volk welches einer der ältesten Kulturen und Sprachen auf dem europäischen Kontinent aufweist, sich pausenlos dafür vor der sogenannten Weltgemeinschaft rechtfertigen muss, dass es das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch auf sich angewandt wissen und selbst über seine Geschicke entscheiden will.
Der spanische und französische Nationalismus lässt dies aus Hegemonialansprüchen nicht nur nicht zu, sondern ist auch dabei ein gemeinsames europäisches Kulturerbe wie das baskische mit Stumpf und Stiel auszurotten. Dabei bekommen sie damals wie heute von den anderen großen europäischen Staaten bereitwillig Schützenhilfe.
Gernika wurde nicht umsonst bombardiert. Im Baskenland handelt es sich anders als im Kosovo oder in den baltischen Ländern nicht um eine rechte chauvinistische nationale Bewegung sondern um eine von links geprägte nationale Unabhängigkeitsbewegung, die mit der Forderung nach „Independentzia eta Sozialismoa“, Unabhängigkeit und Sozialismus durchaus Mehrheitsfähig ist und eben aus diesem Grunde so akribisch von den imperialistischen Staaten bekämpft wird. Man will hier kein europäisches Kuba vor der Haustüre!
Die linke Volksfront Batasuna (Einheit) war bevor sie verboten wurde die zweitstärkste politische Kraft bei den Kommunalwahlen im Baskenland. Eine internationale Unterstützung von linken und Kommunistischen Parteien ist fast nicht vorhanden, da diese zum größten Teil einen Problem mit dem Umgang der Nationalen Frage haben und oft Unabhängigkeitsbewegung mit Separatismus gleichsetzen, wie er zum Beispiel zur Zeit von der rechten Oligarchie in Bolivien gegen die linke Staatsregierung von Evo Morales und die MAS Partei geschürt wird. Aus Unkenntnis werden diese beiden Phänomene oft gleichgesetzt.
Das Baskenland liegt dort wo die Pyrenäen im Westen an den Atlantik stossen und wo man auf der Landkarte einen fast rechten Winkel ausmacht, dort wo die iberische Halbinsel beginnt, am Golf von Biskaya, der nach einer der 7 baskischen Provinzen benannt ist. Das Territorium, dessen Größe auch oft als Argument gegen eine Eigenständigkeit genutzt wird, umfasst 20.947,2 km…² und ist damit genau so groß wie der Staat Israel in seinen ursprünglichen international anerkannten Grenzen. 4 der 7 baskischen Provinzen liegen auf spanischem Staatsgebiet und 3 auf französischem.
Die Einwohnerzahl ist ungefähr 3 Millionen. Die baskische Sprache, das Euskara ist 4 – 5000 Jahre alt und damit älter als alle indogermanischen Sprachen und die, die daraus entstanden sind. (siehe Spektrum der Wissenschaft 05/2002) In der faschistischen Franko Diktatur war die baskische Sprache verboten, und ihr Gebrauch wurde unter Strafe gestellt. In der spanischen Republik hatten die in ihr integrierten baskischen Provinzen ein weitreichendes Autonomiestatut, welches ihnen eine komplette Eigenständigkeit im Falle eines Zusammengehens mit denen baskischen Provinzen auf französischem Staatsgebiet nicht ausgeschlossen hätte. Dies ist heute komplett anders, die Republik die von den Franco Faschisten mit Mithilfe Hitlerdeutschlands und Mussolinis zerschlagen wurde, wurde nie wieder errichtet, Franco berief noch zu Lebzeiten den Monarchen Juan Carlos de Borbon zu seinem Nachfolger, und veranlasste die Restaurierung der Monarchie.
Was von den meisten politischen Parteien unter anderem auch von der nach Francos Tot wieder legalisierten Kommunistischen Partei Spaniens, der PCE akzeptiert und von Santiago Carillo (heute PSOE) im Pakt von Moncloa unterschrieben wurde. Dies werteten nicht nur die baskischen Kommunisten als Verrat. Traurigerweise nimmt die PCE im Bezug auf den nationalen Befreiungskampf des baskischen Volkes die Position des spanischen Nationalismus ein.
Die Verfassung dieser Monarchie, welche von einem Großspanischem Reich ausgeht und welche die 4 baskischen Provinzen, Bizkaia, Araba, Gipuzkoa und Navarra zu spanischem Staatsterritorium unter dem Schutz der spanischen Armee erklärt, hat das baskische Volk stets abgelehnt. Auch votierten die Basken beim Referendum zum NATO Beitritt mehrheitlich mit „Nein“, was ihnen allerdings nichts nützte. Zwangsweise sind sie nun doch in dieser Militärallianz. Zwar existiert auch jetzt ein sogenanntes Autonomiestatut für drei der 4 baskischen Provinzen im spanischen Staat allerdings stellt es sich im Ernstfall immer als Makulatur heraus, wenn wie jetzt vom Ministerpräsidenten dieser drei Provinzen ein Referendum über den zukünftigen Status dieser Provinzen angekündigt wird, so wird ihm aus Madrid mit dem Verweis auf die Staatsverfassung mit einer Gefängnisstrafe gedroht.
Bei jedweder politischen Diskussion über das Baskenland, wird immer sofort die Gewaltfrage in den Mittelpunkt gerückt, allerdings wird darunter meistens recht einseitig immer nur die Gewalt der bewaffneten Organisation ETA gemeint, das Gewaltmonopol des Staates und dessen zum alltäglichen gewordenen Missbrauch desselben wird auch von linken oft gar nicht mehr in Frage gestellt.
Täglich werden Menschen verhaftet, verschleppt und auf übelste Weise Mishandelt. Der sogenannte bürgerliche Rechtsstaat verletzt pausenlos seine eigenen Gesetze durch Anwendung der Folterpraxis und durch die Dispersion der politischen Gefangenen. 17 Tote gab es alleine in den letzten Jahren bei Familienangehörigen von baskischen Gefangenen, die widerrechtlich viel hundert Kilometer weit von ihrer Heimat entfernt in Gefängnissen gehalten werden, was die Angehörigen an den Wochenenden zu strapaziösen Fernfahrten zwingt, welche leider oft tödlich enden. Verhaftungen bei denen Jugendliche 2 oder 3 Jahre ohne jedes Gerichtsurteil in Haft sitzen und mishandelt werden und dann von einem auf den anderen Tag wieder freigelassen werden sind an der Tagesordnung. Der Willkür und der Nutzung der theoretisch unabhängigen Justizorgane für Zwecke der Repression sind im spanischen Staat Tür und Tor geöffnet. Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass der spanische Staat nach außen hin ein demokratisches Antlitz vertritt und dass eine Anklage all dieser Punkte draußen so unwahrscheinlich ja fast unglaublich erscheint, dass man als Ankläger nicht ernst genommen wird. Handelt es sich um eine eindeutig faschistische Diktatur, bekommt man dieses Verständnis, handelt es sich allerdings um einen sogenannten bürgerlichen Rechtsstaat und dann noch einen aus der Europäischen Gemeinschaft, wird der Ankläger häufig eher mitleidig belächelt. Besagter bürgerlicher Rechtsstaat hat sich übrigens spätestens in den letzten Wochen der sich ihn theoretisch wesentlichen Attribute der Gewaltenteilung zwischen Legislative Exekutive und Judikative völlig entledigt. Wie der Justizminister der drei autonomen baskischen Provinzen Joseba Azkarraga am Dienstag den 22.01.08. aus Chile verlauten ließ, wo er sich zu dem Zeitpunkt aufhielt. Der Justizapparat wird inzwischen unverblümt als Unterdrückungs- und Vernichtungsmechanismus von Seite der Regierung benutzt. Der spanische Justizminister Bermejo erklärte am 23.01.08 öffentlich, das es jetzt das Wichtigste sei, zu verhindern, das die linke Unabhängigkeitsbewegung in irgend einer Form an den Wahlen am 9.März teilnehmen kann. „Die Regierung wird ab morgen die nötigen Schritte einleiten um die beiden Parteien ANV und EHAK zu verbieten.“ Wie man sieht geht so etwas inzwischen im Schnellverfahren und es spielt auch keine Rolle, dass die EHAK mit 9 Delegierten im baskischen Regionalparlament vertreten ist und dass ANV in vielen Gemeinden des Südbaskenlandes Bürgermeister und Gemeinderäte stellt.
Wie kommt es, dass es im Baskenland z.Zt. an die 800 politischen Gefangenen gibt, das sind 267 pro Million, angewandt auf die Bundesrepublik Deutschland ergäbe das bei 80 millionen Einwohnern eine Zahl von 21360 politischen Gefangenen. Es wäre nicht notwendig bei der radikalen linken zu sein um zu konstatieren, daß da irgend etwas nicht stimmt, sondern das es da irgendwo ein Problem gibt und zwar ein politisches. Das ist allerdings hier nicht der Fall. Die spanische Regierung sagt, dass es kein politisches Problem gibt, das Problem ist ETA. Die Verwechselung von Symptom und Ursache ist dabei allerdings kein Zufall.
Auch wenn sich Organisationen gründen, die sich ganz deutlich gegen den bewaffneten Kampf aussprechen und aufrufen zum zivilen Ungehorsam, so wie es die Stiftung „Josemi Zumalabe“ zum Beispiel gemacht hat, schützt das nicht vor der Verfolgung des Staates und seiner Richter, die immer öfter an die Freisler Tribunale erinnern. Einige der Gründer und Mitglieder von Zumalabe sind im Dezember im Zuge des Skandalprozesses 18/98 zu hohen Haftstrafen von über 10 Jahren verurteilt worden! Man stelle sich vor, in Serbien würde nur ein einziger Aktivist für die Unabhängigkeit des Kosovo in ähnlicher Weise verurteilt. Welch ein Aufschrei ginge durch die deutsche Presse und die Stimmen für ein erneutes Bombardement Belgrads durch die deutsche Luftwaffe würden nicht auf sich warten lassen. Geschieht dies aber alles im Baskenland, findet es wie man sieht, faktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wer bekommt es in der BRD schon mit, wenn in Bilbo 80 bis 100 tausend Leute für die Rechte der baskischen politischen Gefangenen auf die Straße gehen. Oder in Donostia ähnlich viele Demonstranten für Forderung „Unabhängigkeit und Sozialismus“, geht allerdings irgendwo eine Bombe der ETA hoch ist dies titelseitenfähig. Mit dieser Art Berichterstattung soll vermittelt werden, dass das einzige was im Baskenland problematisch ist einige kriminelle Terroristen sind, die es auszumerzen gilt und eine harte Gangart gerechtfertigt ist.
Das in Euskal Herria das Verbot von politischen Parteien, das Schließen von Zeitungen und Radiosendern sowie das Verbieten von Jugendorganisationen wie von Segi, Haika und Jarrai zur Normalität geworden ist erschütternd, den Jugendlichen braucht nicht einmal mehr ein konkreter Strafbestand vorgeworfen zu werden, um in den Knast zu wandern. Der spanische Hofrichter Garzon hat alle diese Organisationen mit einem Federstrich zum integralen Bestandteil von ETA erklärt. Beweise sind nicht mehr notwendig. Täglich werden Leute im Morgengrauen aus ihren Wohnungen geholt und verhaftet. Es wird damit gerechnet, dass es zumindest noch bis zu den spanischen Regierungswahlen im März so weiter geht, keiner weiß wer der oder die Nächste ist.
Der sympathische Sunnyboy Rodriguez Zapatero (PSOE) will mit dieser Masche bei den rechten Wählern der PP Eindruck machen und sich in diesem Spektrum entscheidende Wählerstimmen abgreifen. Mit der Demagogie der starken Hand und des großspanischen Nationalismus will er diejenigen Gemüter besänftigen, die er durch seinen Verhandlungskurs den er zu beginn seiner Legislaturperiode eingeschlagen hatte gegen sich aufgebracht hatte.
Um noch einmal auf den Anfang zurückzukommen so würde ich einen Vergleich eher mit Cuba vorschlagen, welches sich ebenfalls Jahrelang in einem Unabhängigkeitskampf von der spanischen Krone und später gegen den US-Imperialismus befunden hat. „Patria libre“ und „Sozialismo o muerte“ sind für die Kubanischen Revolutionäre Synonyme. Ebenso verhält es sich für die baskische Revolutionäre linke. Die Befreiung des Vaterlandes ist unabdingbar mit der Errichtung des Sozialismus verknüpft, sonst wäre es ja keine Befreiung.
„Askatasuna eta Sozialismoa“