Site-Logo
Site Navigation

Islamfeindlichkeit und Gemeinderatswahlen in Graz

28. Januar 2008

FPÖ noch zu radikal für Österreich

Gemeinderatswahlen in Graz: Zugewinne für die ÖVP, starke Gewinne für die Grünen, herbe Verluste für die SPÖ, Verluste für die KPÖ (die allerdings immer noch ein ausgezeichnetes Ergebnis erreicht hat, die 20 Prozent der letzten Wahl waren nicht wiederholbar), die FPÖ gewinnt weniger als befürchtet.

Das entscheidende Ereignis der Wahl waren die islamfeindlichen Ausfälle der FPÖ-Spitzenkandidatin Winter, die den Propheten Mohammed als Kinderschänder und Epileptiker bezeichnete. Das dumpfeste Ressentiment wird angesprochen, beim Inhalt ist man wenig vorsichtig und hat sich somit zusätzlich angreifbar gemacht: Das Alter der zweiten Frau Mohammeds ist unklar, Epileptiker war er möglicherweise – was aber den Koran nicht disqualifizieren würde. Epileptiker war mit ziemlicher Sicherheit auch der heilige Paulus, der das Christentum zur eigenständigen Religion gemacht hat, außerdem Napoleon oder Cäsar. Mein Onkel hatte einen Herzinfarkt, mein Großvater hat einen Arm verloren, aber eine medizinische Diagnose macht noch niemanden zu einem schlechten Menschen.

Wichtiger als der konkrete Inhalt ist die Intention der Frau Winter: die Beleidigung einer ganzen Religion als bewusstes Kalkül. Eine bewusste Provokation, die nicht einfach „passiert“ ist, sondern mit Sicherheit in der Parteiführung abgesprochen wurde.

Wichtig auch, dass die Provokation nicht wirklich aufgegangen ist. Die Zugewinne der FPÖ mehr als bescheiden (die letzte Wahl taugt kaum zum Vergleich, fand praktisch zum Höhepunkt der Parteikrise statt), die Kronenzeitung dagegen. Strache musste zurückrudern, spricht von „überzogenen Formulierungen“. Und Winter hat Schlagzeilen gemacht wie „Jetzt weint sie vor Angst“. Spricht möglicherweise das Mitleid an, wirkt trotzdem etwas erbärmlich.
Die Sache war tatsächlich überzogen, das antimuslimische Pogrom als Hauptprogrammpunkt ist im Augenblick wohl zu radikal für Österreich. Aber es ist bezeichnend, welche Stimmung in einem Land herrschen muss, damit man auf den Gedanken kommt, mit solchen Dingen Wahlen gewinnen zu können.
Die „Warnungen“, die immer wieder ausgesprochen werden, die „Islamkritik“ ist mittlerweile zu einer entscheidenden Herrschaftsideologie geworden. Vereint werden alle, eine transversale Ideologie, quer zu allen politischen Grenzen: Neonazis, Frau Winter, grüne Feministinnen, Altkonservative (besorgt um das Abendland) und 68er (besorgt um die Aufklärung), für jeden was dabei. Der Kern der Islamfeindlichkeit ist dabei das Gefühl der Überlegenheit der westlichen Kultur, in letzter Konsequenz gilt es diese dann gegen die „Barbaren“ zu verteidigen. Der „Westen“ wird dabei sehr selektiv gelesen: Frauenemanzipation, Aufklärung, Fortschritt. Gegenüber den Sackgassen des Fortschritts (etwa die globale Umweltzerstörung, die 20 Millionen Kinder die dank der Segnungen des westlichen Kapitalismus jährlich verhungern), gegenüber den Missgeburten des Darwinismus (Rassenhass und Völkermord im 2. Weltkrieg), gegenüber der blutigen Tradition von Kolonialismus und Sklaverei, Krieg und religiöser Intoleranz (von den Kreuzzügen bis zu den Evangelikalen Wahnsinnigen in den USA heute), gegenüber der sexistischen Ausbeutung der Frau – gegenüber all diesen Dingen, die den „Westen“ mindestens ebenso ausmachen, wird konsequent Kindesweglegung betrieben. Die Islamophobie hat den westlichen Chauvinismus zum Kern und rechtfertigt ihn ihrerseits wieder.
Die FPÖ wollte den antimuslimischen Konsens weiter radikalisieren und ist damit erstmals gescheitert. Aber es gibt keine Garantie, dass es das nächste Mal nicht anders kommt. Denn der Boden für diese Stimmung wird nicht von der FPÖ selbst bereitet, das geschieht in der Mitte der Gesellschaft.

Am Ende noch ein Kommentar zum Abschneiden der KPÖ. Bei der letzten Wahl hatte man unter Kaltenegger unglaubliche 20 Prozent erreicht. So etwas lässt sich nicht leicht wiederholen. Die mitfühlende Solidarität für die Kaltenegger steht, hat ideal zum aufkommenden Krisenbewusstsein gepasst. Dem diffusen Gefühl, dass das österreichische Modell aus Sozialpartnerschaft und Sozialstaat von der Gier der Oligarchie ruiniert wird, diese aber keine wirkliche Alternative anzubieten hat. Seit zwei Jahren wird der Aufschwung verkündet, der kommt bei den meisten zwar nicht an, weckt aber neue Träume technokratischer Prosperität – die Oligarchie hat nun ihre Alternative. Sozialer Protest hat es in so einem Umfeld schwerer. Die Gefahr der steirischen KP ist es, zur Geisel ihrer guten Wahlresultate zu werden. 20 Prozent der letzten Wahl, aber auch die jetzigen 11 Prozent, erzeugen, in einer Gesellschaft die wirklich nicht zur Radikalität neigt, Druck zur Mäßigung. Die steirische KP verkörpert das soziale Gewissen dieses Landes ausgesprochen authentisch. Aber sie wird nicht gewählt, weil sie ein wirkliches Gegenmodell zum globalisierten Kapitalismus präsentiert. So etwas ist schwierig, die dazu notwendige Radikalität sicher abschreckend, langfristig aber notwendig. 20, 11 oder 5 Prozent: letztlich ist all das sinnlos, wenn es nicht gelingt eine strategische Alternative zu formulieren.

AIK, 24.1.2008

Thema
Archiv