Mohamed Mahmoud bezieht Stellung
Öffentlicher Prozess
Mo, 3.3., 9h, Landesgericht für Strafsachen, Landesgerichtsstraße 11,
1082 Wien, sowie 5. und 6.3, Saal 106 oder gegebenenfalls großer Schwurgerichtssaal
In Absprache mit dem Anwalt veröffentlichen wir Auszüge* aus einem ausführlichen Verteidigungsschreiben des Angeklagten Mohamed Mahmoud, in dem er detailreich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe eingeht. Wir beschränken uns auf Passagen, die seinen soziokulturellen Kontext erhellen sowie seine politische Motivation klarlegen – insofern dies in der bisherigen medialen Berichterstallung keinen Platz hatte.
Wir kennen Mahmoud aus der Bewegung gegen den Irak-Krieg, an der er sich, wie er selbst schildert, beteiligte. Er nahm mit uns Kontakt auf, um scheinbar gegen ihn gerichtete Entführungsversuche des US-Geheimdienstes im Stile jener Vorfälle, die in Italien im Fall Abu Omar an die Öffentlichkeit gelangten, bekannt zu machen. Wir rieten ihm, sich an die Medien zu wenden.
Als Sprecher des Vereins „Islamische Jugend Österreichs“ (IJÖ) hat er sich auch politisch exponiert und aktiv an die Öffentlichkeit gewandt. Dies allein macht die ihm zugeschriebenen „terroristischen Planungen“ wenig plausibel.
Es obliegt dem Gericht, diesen Sachverhalt zu klären. Aus demokratischer Sicht ist es hingegen wichtig, für ein faires Verfahren zu wirken. Das bedeutet zunächst zwischen politischer Meinung und Straftaten zu unterscheiden. Man mag Mahmouds politische Ansichten nicht teilen, doch muss ihm das Recht zugebilligt werden, sie zu vertreten. Gerade dies scheint jedoch angesichts der antiislamischen Kampagne und der medialen Vorverurteilung nicht garantiert zu sein. Die Gefahr der Kriminalisierung einer politischen Meinung besteht.
Es sei nochmals festgehalten:
Der Abzug der westlichen Besatzungssoldaten aus der arabisch-islamischen Welt ist eine elementare demokratische Forderung. Der militärische Widerstand gegen fremde Besatzung bleibt völkerrechtlich legitim, auch wenn er in islamischer Form artikuliert wird. Wenn dieser Widerstand hier politisch unterstützt wird, so ist das keine Straftat, sondern die Inanspruchnahme des Rechts auf freie Meinungsäußerung.
Die antiislamische Kampagne führt zu einer grundlegenden Umkehrung der politischen Tatsachen: Nicht von der westlichen, neokolonialen Aggression gegen die Völker des Nahen Ostens ist die Rede, die sich in völkerrechtswidrigem Krieg, Besatzung, Aneignung der Ölreserven und wirtschaftlicher Ausbeutung, Unterstützung diktatorischer Regime und kulturellem Hegemoniestreben äußert. Nein, es wird eine Bedrohung des Westens durch den Islam konstruiert. Tatsächlich wird ein neues Feindbild geschaffen, das den euroamerikanischen Krieg um die globale Herrschaft rechtfertigen soll.
Wie es scheint, folgt die Staatsanwaltschaft leider dieser Vision des „Krieges der Kulturen“, die von Washington in die Welt gesetzt wurde. Sie stellt nicht in Rechnung, dass für die Bevölkerung in den arabischen und islamischen Ländern die Aggressionspolitik des Westens eine konkrete Lebensbedrohung darstellt, welche die Solidarisierung von arabischen und islamischen Menschen im Westen (und nicht nur von ihnen) auf den Plan ruft. Für sie gibt es auch keinen Unterschied zwischen dem bewaffneten Widerstandskampf gegen Besatzungssoldaten in Afghanistan oder dem Irak auf der einen Seite und Anschlägen auf Zivilpersonen in Europa auf der anderen. Während das Völkerrecht das Recht einräumt, sich gegen militärische Besatzung auch bewaffnet zur Wehr zu setzen, sind Anschläge auf Zivilisten als Terror zu verurteilen und zuverfolgen.
Wir erhoffen und fordern die Unvoreingenommenheit des Gerichts, das keinesfalls Gesinnungsjustiz betreiben soll. Das wird bereits durch die neue Gesetzgebung von 2002 erschwert, die von Terrorismus spricht, ohne den Begriff klar zu definieren, so dass selbst ziviler Ungehorsam darunter fallen könnte. Außerdem öffnet sie dadurch dem Verweis auf die per Dekret verordnete, durch Europa unterwürfig von den USA übernommene schwarzen Liste „terroristischer Organisationen“, einer dem Völkerrecht widersprechenden Justiz Tür und Tor. Diese Liste kriminalisiert etwa alle palästinensischen Gruppierungen, die sich gegen die vielfach von der UN verurteilte Besatzung durch Israel zur Wehr setzen. Ein europäisches Nachvollziehen des amerikanischen „Patriot Act“ ist also bereits bedrohlich nahe. Setzt sich die Sicht der Anklage wirklich durch, sind wir einen Schritt weiter in Richtung politischer Kriegsjustiz, wie sie die USA mit Guantanamo wieder eingeführt haben.
Antiimperialistische Koordination (AIK)
* Der uns vorliegende Text wurde gekürzt und, die ursprüngliche Orthografie aber beibehalten.
„Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen
Begonnen hat es am 11.9.2001. Ich war ein ganz normaler Schüler. Nach ca. einem Monat bekamen ich und mein Vater eine Einladung vom BVT. Dort erfuhren wir, dass angeblich eine Lehrerin von meiner alten Schule, der Polizei gemeldet hat, dass ich sie angeblich vor Anschlägen in Wien gewarnt hätte. Natürlich war das eine Lüge und es gab keinerlei Hinweise oder Beweise.
[…]Das einzige, was man mir vorwerfen konnte, ist dass ich mich am 12.9.2001 in dieser Schule weigerte, eine Schweigeminute für die Opfer der Anschläge zu stehen, weil es eine Art christliches Gebet ist, das im Islam verboten ist. Das war ein Hinweis für die Beamten des BVT, dass ich angeblich mit der Al-Qaeda sympathisiere. Ich war damals 15 Jahre alt und hatte nicht wirklich eine Ahnung, was die Al-Qaeda ist. Von diesem Zeitpunkt an begann der Alptraum für mich und meine Familie.
[…]Eines Tages habe ich ihnen [Freunden, die im Iran tätig waren] gesagt, dass ich da arbeiten will. Ich dachte mir, ich kann ein paar Monate dort arbeiten und schon kann ich mir genug Geld gespart haben und so hier ein neues Leben anfangen. Am 10.10.2002 habe ich die Wohnung meiner Eltern verlassen und fuhr nach Italien. Meine Eltern hatten mich vermisst gemeldet. Ich habe für einen Visum in der Iranischen Konsulat in Mailand. Es wurde mir keines gegeben. Ich soll zu der Botschaft in Wien gehen, sagte man mir. So flog ich nach Damaskus, beantragte das Visum – nach 10 Tagen sagt man mir das gleiche, was man mir in Mailand sagte.
An dem Tag, als ich von der Botschaft enttäuscht rauskam, da sprach mich ein Mann an. Er fragte mich ob ich nach Iran möchte. Ich sagte „Ja aber leider geht das nicht“. Er sagte mir „Oja es geht, und es kostet dir nur 200 Euro“. Er war ein Lastwagenfahrer und schmuggelte mich in die Türkei, und von dort aus nach Tehran. Ich wollte dann nach Bandar Abbas. Ich verirrte mich mehrmals im Land, mein Geld ging langsam aus. Ich beschloss zurück nach Wien zu fliegen. Ich habe mein Vater angerufen, bat ihn für mich ein Ticket zu kaufen. Auf dem Weg nach Tehran wurde der Bus aufgehalten. Soldaten kontrollierten die Papiere. Als sie sahen, dass ich kein Visum hatte, nahmen sie mich fest.
Ich wurde im Februar 2003 festgenommen und wurde am 27.3.2003 nach Wien überstellt, nachdem sich die damals österreichische Außenministerin Ferrero Waldner einmischte. Ich traf den österreichischen Botschafter in Tehran, der es organisierte, dass ich überstellt wurde, worüber ich sehr dankbar war.
Nachdem ich nach Wien kam, wollte ich von neu beginnen. Ich habe das alles bereut. Ich wollte mich nur darauf konzentrieren, mein Schulabschluss und Matura zu schaffen. Seitdem ich in Wien wieder bin hat das BVT mehrmals versucht mir Sachen anzuhängen. Ich wurde mehrmals stundenlang verhört. Immer wieder der Verdacht, wegen Mitgliedschaft einer terroristischen Organisation. Und immer wieder bekam ich dann Monate später einen Brief von der Staatsanwaltschaft: Ermittlungen eingestellt. Grund: keine Beweise. Trotzdem kooperierte ich weiterhin mit das BVT. Z.B. bei dem Fall mit der Bombenatrappe vor MJÖ Büro, war ich verdächtigt. Es hat nur ein Anruf gereicht. Ich ging freiwillig. Gab meine Finger und Speichelabdrücke freiwillig.
Damals hatte ich keine Kontakte zu irgendwem. Ich kannte weder die GIMF noch was anderes. Ich war ein ganz normaler Schüler. Wegen das ganze verlor ich mein damals besten Freund, weil das BVT ihm, seine Mutter, sein Bruder vorlud, und stundenlang verhörte. Sie wurden terrorisiert.
Eines Tages sah ich im Internet eine Nachricht von einer Frau namens Fatema, die in Abu Ghraib Gefängnis gefangen war – und das bevor die Fotos der Folter öffentlich wurden. Es hat mich sehr bewegt. Ich wollte unbedingt was tun, um diese Leute zu helfen, und sie von ihr Leid zu befreien. Erstens rein menschlich und zweitens, weil diese Leute islamisch gesehen meine Geschwister sind, und ich islamisch verpflichtet bin, ihnen zu helfen. Ich beteiligte mich an jeder Anti- Kriegs-Demo.
Ich war sehr wütend über die Lügen und Manipolation der Medien. Ich fand es sehr ungerecht, dass man in den Medien nur die Versionen der US-Regierung hört. Da kam mir die Idee, den Menschen die Möglichkeit zu geben, nicht nur die US-Version hören zu müssen und das man auch die andere Seite hören kann. Ich beschloss mit meiner Frau, eine Journalisten bzw. Medienarbeit zu leisten. Wir wollten nur eine Information anbieten, so wie eine Nachrichten Agentur.
Wir haben die Nachrichten und Presseaussendungen der Widerstandsgruppen im Irak und Tschetschenien übersetzt. Was wir übersetzten war nur eine reine Information über tägliche Abläufe und Kämpfe. Wir haben nie eine Meinung dazu geäußert oder veröffentlicht.
[…]Jihad und der Terror und wie wir dazu stehen
Wenn ein islamisches Land angegriffen wird, dann ist es Pflicht, es zu verteidigen und das nach dem Koran Vers: „und kämpft auf Allahs Weg gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen, doch übertretet nicht. Allah liebt nicht die Übertreter“ 2:190. Selbst die UNO schreibt vor, dass jedes Volk, das Recht hat sich zu verteidigen, wenn es angegriffen wird. Ich rede hier von Widerstand gegen Besatzung.
Es ist endlich an die Zeit, dass die Politiker verstehen, dass man Extremismus und Terror nicht mit Gewalt auflöst. Man muss die Gründe des Terrors behandeln. Es gibt keine Lösung außer den Frieden und dies kann nur passieren wenn:
1. Alle Seiten zur Ruhe und Besinnung kommen und alle angriffe stoppen
2. Das man sich hinsetzt und verhandelt statt zu kämpfen.
3. Abzug aller Besatzungstruppen
4. Die Völker die Freiheit geben, selbst bestimmen zu können, wie sie leben wollen.
Ja zu Widerstand und Verteidigung – Nein zu Terror und Tötung von unschuldige Menschen. Ist diese Meinung eine Straftat?“